Ob es geplant war oder nur ein gewaltiger historischer Zufall ist, dass die Boote der Global-Sumud-Flotilla in der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober von den israelischen Besatzungstruppen (IOF) abgefangen wurden, weiß ich nicht. Wie dem auch sei, der Zeitpunkt lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den anstehenden Jahrestag. Das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist, einen liebevollen Gruß zu senden: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Gandhi!

Mit dem Ahimsa-Herz, das heißt, mit einer Haltung der Gewaltfreiheit, segelten mehr als 500 Aktivist:innen aus 47 Ländern in Richtung Gaza. Ihnen gelang es, die schlimmste Belagerung zu durchbrechen und die Trivialisierung des Bösen zu verhindern – etwas, an dem sich niemand beteiligen sollte.

Es stimmt, dass wir die Belagerung heute nicht durchbrochen haben, um humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Tonnen von Lebensmitteln, die die Hungersnot lindern sollten, sowie Medikamente, Anästhetika für Operationen, Säuglingsnahrung und Prothesen für Kinder, die Gliedmaßen verloren haben, die alle auf diesen Booten transportiert wurden, am Ende neben anderen Lieferungen humanitärer Hilfe liegen werden, die ihr Ziel nie erreicht haben und aufgrund der Boshaftigkeit und Korruption der genozidalen Regierung von Benjamin Netanjahu verrotten oder absichtlich zerstört werden.

Es handelt sich um ein weiteres Kriegsverbrechen, das sich in die lange Reihe von Verstößen gegen das Völkerrecht einreiht, welche die Regierung Israels im Laufe von acht Jahrzehnten begangen hat.

Wenn wir sie heute vor einem israelischen Gericht anklagen wollten, wäre dies nicht möglich. Auch für Gandhi war es nicht einfach. Der Mahatma, der nicht nur ein heiliger Denker, sondern auch Anwalt war, hatte genügend rechtliche und ethische Argumente. Dennoch wurde er zweimal – 1922 und 1942 – von britischen Gerichten verhaftet und verurteilt, obwohl er lediglich seinen legitimen und gewaltfreien Widerstand gegen die Unterdrückung des indischen Volkes durch das britische Imperium ausübte.

Heute existieren andere Imperien, von denen sich einige in einem deutlichen Niedergang befinden. Dies beeinträchtigt, schwächt und schränkt das Handeln der guten Menschen in den Parlamenten und internationalen Gerichten, ob wir es wollen oder nicht. Sie stehen vor der Herausforderung, ihre eigenen Verfassungsgrundsätze oder die Verträge, Konventionen und Gesetze, die sie seit ihrer Gründung vertreten, mutig, schnell und wirksam zu verteidigen.

Ich glaube, dass die Aktivist*innen der Flottille ebenso wie Gandhi sehr bewusst mit ihren Rechten umgehen. Sie befinden sich trotz der chaotischen Weltlage an einer Weggabelung der Geschichte und werden nicht lockerlassen!

Bemerkenswert war die Antwort, die Thiago Ávila, brasilianischer Aktivist und Leiter der Flottille auf seinem Schiff „Alma”, auf die per Funk übermittelten Befehle einer Soldatin der IOF gegeben hat.

Die israelische Soldatin sagte:

„Sie begeben sich in ein aktives Kriegsgebiet. Wenn Sie versuchen, die Seeblockade zu durchbrechen, werden wir Ihr Schiff stoppen, es beschlagnahmen und Sie durch ‚rechtliche Schritte‘ vor Gericht stellen, damit Sie sich für Ihre Handlungen verantworten müssen.“

Darauf antwortete Thiago vom Schiff „Alma“ aus mit einer Stimme, die vor Emotionen und der Schwierigkeit, seine Empörung auf Englisch zum Ausdruck zu bringen, gebrochen war:

„Sie sagen, wir betreten eine aktive Kriegszone. Was Sie jedoch eigentlich sagen (oder sagen sollten), ist, dass wir einen Ort betreten, an dem Kriegsverbrechen begangen werden. Das verstößt gegen das Völkerrecht, denn der Internationale Gerichtshof hat eine einstweilige Verfügung erlassen, die die Einstellung jeglicher humanitärer Missionen in Gaza verbietet. Und wenn Sie tun, was von ihnen verlangt wird, können Sie zur Verantwortung gezogen werden und machen sich mitschuldig am Völkermord. Der Internationale Gerichtshof hat Ihren Premierminister Benjamin Netanjahu zum Kriegsverbrecher erklärt und seine Verhaftung angeordnet. Zu seinen Verbrechen gehört unter anderem, dass er die Hungersnot, die Kinder tötet, als Kriegswaffe einsetzt. Daher ist es unsere moralische Pflicht fortzufahren und jeden Versuch dieser Besatzungsmacht zurückzuweisen, die humanitäre Hilfe für die Palästinenser zu kontrollieren. Die Palästinenser haben das Recht auf Souveränität und Selbstbestimmung – und damit auch das Recht, ihre eigenen Grenzen zu kontrollieren. Wir erkennen Sie daher nicht als legitime Kontrollinstanz für die humanitäre Hilfe an, die Gaza zusteht. Wir fordern Sie auf, sich zurückzuziehen, keine weiteren Kriegsverbrechen zu begehen und uns nicht länger bei unserer friedlichen, gewaltfreien und humanitären Mission der Solidarität mit den Palästinensern zu behindern. Soll ich es wiederholen? Soll ich es noch einmal sagen?“

Wenn die Lage weniger angespannt gewesen wäre und Thiago Ávila Andalusier gewesen wäre, hätte es gereicht, laut zu sagen: „Ahh, verschwinde!

Aber es war gut so! Er war vorsichtig und hat uns durch einige gute Beiträge in den sozialen Netzwerken gezeigt, dass er trotz seiner geringen Macht und seines geringen Einflusses eine bessere Informationsarbeit geleistet und mehr Respekt für das Völkerrecht gezeigt hat als die ermüdenden Debatten und Talkshows der großen Fernsehsender.

Nun, wir haben den 2. Oktober, der von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Gewaltfreiheit erklärt wurde. Neben Gandhi werden sicherlich auch andere Vorbilder dieser Kampfmethode in den Herzen vieler Menschen wach werden.

An diesem Wendepunkt der Geschichte gibt es eine großartige, bahnbrechende internationale Solidaritätsbewegung, die auf den Straßen der ganzen Welt entstanden ist und sich nun auch über das Mittelmeer ausbreitet.

Heute könnte man auf See oder an Land rufen: „Martin Luther King ist unter uns!“

Denn wie der argentinische Denker und weitere große Vertreter der Gewaltfreiheit Silo sagte, erleben wir heute ein „Abenteuer, das in die Zukunft weist”. Gerade jetzt, während ich versuche, diesen Text zu beenden und zur Demonstration in Sevilla zu gehen, gewinnen die Nachrichten immer mehr an Lautstärke. Trotz unterschiedlicher Zahlen deuten sie darauf hin, dass Israel 43 Schiffe der Global-Sumud-Flotilla abgefangen hat, die aus mindestens 44 Schiffen bestand. Mindestens eines davon, die „Mikeno”, hat es geschafft, die Sperre zu durchbrechen und palästinensische Gewässer zu erreichen. Darüber hinaus befinden sich neun weitere Schiffe der Kollektive „Thousand Madleens to Gaza” und „Freedom Flotilla” zwischen der Halbinsel Peloponnes und der griechischen Insel Kreta auf dem Weg nach Gaza.

Es liegt auf der Hand, dass noch viel zu diskutieren gibt – vor allem, wenn wir uns mit rechtlichen Fragen befassen.

Die Rechtsabteilungen der verschiedenen Delegationen der Länder, die die GSF bilden, berichten mit umfangreicher Dokumentation über alle Verstöße gegen das Seerechtsübereinkommen, die Israels Vorgehen als staatliche Piraterie qualifizieren, oder über Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, das in der 4. Genfer Konvention, dem San-Remo-Handbuch, verankert ist, die Nichteinhaltung der Resolutionen der UNO oder des Internationalen Gerichtshofs usw.

Nun, es gibt immer viel zu besprechen, aber ich möchte und muss heute an der Demonstration teilnehmen.

Also, lieber Gandhi, ich gehe jetzt. Zuvor wollte ich dir nur sagen, dass der Friedensnobelpreis, den du nie erhalten hast, heute durch einige gute Vertreter deiner Lehren repräsentiert wird. Francesca Albanese oder die Global Sumud Flotilla zum Beispiel. Kannst du dir das vorstellen? Was für ein schönes Geburtstagsgeschenk, nicht wahr?

Ja, denn sie und viele Unbekannte haben es geschafft, dass trotz der systematischen Ermordung von Journalist:innen im Gazastreifen alle Augen auf Gaza gerichtet sind. Die Soldaten der illegalen Besatzungsmacht Israel sind gezwungen, zumindest vor den Kameras freundlich sowohl mit unbekannten Menschen als auch mit Persönlichkeiten, die ihre Bekanntheit verdienen, wie zum Beispiel Greta Thunberg, Ada Colau oder Nkosi Zwelivelile, dem Enkel von Nelson Mandela – der ebenfalls präsent ist -, umzugehen.

Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!