Wir bekamen bereits am 29. April, mit der zum zwanzigsten Mal stattfindenden gemeinsamen israelisch-palästinensischen Gedenkzeremonie, die wie immer von Combatants for Peace in Zusammenarbeit mit dem Parents Circle Families Forum organisiert wurde, einen schönen, mehrfach geteilten und gut besuchten Vorgeschmack davon, wie der jetzt anstehende People’s Peace Summit aussehen wird. In diesem Jahr fand die Veranstaltung nämlich in einem Theater in Jaffa statt, zeitgleich übertragen zu einem Platz in Beit Jala und zu 160 anderen Stellen – verteilt in Israel, im Westjordanland, in den Vereinigten Staaten und in verschiedenen europäischen Städten – eine beispiellose Resonanz.

Das Datum ist wichtig, weil es so wie bei allen anderen vorherigen Veranstaltungen auch mit dem Tag Jom Hazikarom zusammenfällt, an dem Israel seit seiner Staatsgründung seiner Toten gedenkt. Fast zeitgleich mit dem Beginn der Gedenkzeremonie ertönten auch in diesem Jahr die Sirenen in ganz Israel, die ganze Nation blieb stehen und wirklich jeder und jede unterbrach all das, was gerade getan wurde, hielt für eine Schweigeminute inne. Eine Minute, die den Beginn der feierlichsten Feier des Jahres einläutete, noch feierlicher als der Holocaust-Gedenktag, der Yom Ha Shoah, der vor einigen Tagen begangen wurde. Tatsächlich wurden von 1948 bis heute Zehntausende von Toten und Verwundete im Land Israel gezählt, wie vor einigen Tagen in einem Artikel in der Jerusalem Post, den Sie hier lesen können, mit akribischer Genauigkeit aufgezählt worden war. Eine Feier, die wie jedes Jahr am Folgetag noch einmal festlicher fortgesetzt wurde, mit Prozessionen zu den verschiedenen Soldatenfriedhöfen, Trauerbeflaggung und mit Beileidsbekundungen. Und am nächsten Tag wird dies alles mit dem Unabhängigkeitstag seinen Höhepunkt erreichen, einem Zeitpunkt im Jahr, der in besonderer Weise mit militärischen Werten aufgeladen ist.

Machen wir uns bewusst, wie es für eine Organisation wie Combatants for Peace gewesen sein muss, die sich vor zwanzig Jahren dazu entschlossen hat, ihr Projekt des gemeinsamen Eintretens für den Frieden sowohl von ehemaligen israelischen Soldaten als auch von ehemaligen palästinensischen Gefangenen/Militanten zu starten, und zwar exakt an einem solchen Zeitpunkt: bewusst diese einseitige Erzählung von Schmerz in Frage stellend, die immer das Markenzeichen von Jom Hazikaron war, und sogar so weit gehend, Solidarität vorzuschlagen oder zumindest den Schmerz der gegnerischen Front zu reflektieren, die nicht weniger von der gleichen Gewaltspirale betroffen war.

Beim ersten Mal waren es nur wenige Teilnehmer, wie sich einer der Gründer, Sulaiman Khatib, gerne erinnert. An Kontroversen und sogar Protesten hat es nie gemangelt, als diese gemeinsame Zeremonie Zulauf bekam, bis sie in dem Jahr vor dem 7. Oktober [2023] 15.000 Menschen in einem sehr zentralen Park in Tel Aviv erreichte, dabei stark gestört von Gegnern derselben.

Die besonders angespannte Situation in diesem, wie auch schon im letzten Jahr, hat die Organisatoren erneut gezwungen, einen geschlossenen Raum zu wählen, ein Theater in Jaffa, nur auf Einladung zugänglich, aber auch über ein Streaming, für das man sich sowohl als Einzelperson als auch als „Host Locations“ registrieren konnte. Wir wissen immer noch nicht, wie viele Zuschaltungen es insgesamt gab, aber es waren neben Jaffa weitere 160 Orte: zwanzig Orte in Israel dank der Zusammenarbeit mit der „Schwester“-Organisation Standing Together (3), mehrere auch im Westjordanland, die größte Zahl in den verschiedenen, über Kanada, die USA und Europa verstreuten Gotteshäuser der jüdisch-palästinensischen Diaspora, weitere neun Orte in Deutschland und dann welche in Frankreich, Spanien, und Belgien, wo die Vorführung sogar im Europäischen Parlament organisiert wurde! Was Italien betrifft, so dürfen wir die schöne, von Ilaria Olimpico organisierte virtuelle Verbindung, bei der Uri Noy Meir für die bildliche Darstellung verantwortlich war, sowie die kleine Stadt Chiavenna im Veltlin mit seiner starken pazifistischen Tradition nicht unerwähnt lassen.

In diesem Jahr lautete das Thema „Die Menschlichkeit wählen, die Hoffnung wählen“ und einer nach dem anderen bekamen eine Bühne für ihre jeweiligen Erklärungen: der Palästinenser Sayel Jabarin aus Beit Jala, gefolgt von dem jungen Israeli Liel Fishbein, der das Massaker im Kibbuz Be’eri überlebte, wo er seine geliebte Schwester verlor … und dann der Palästinenser Mousa Hetawi (in Form einer Videobotschaft aufgrund seines Einreiseverbots nach Israel), der im letzten Jahr [2024] des Krieges in Gaza 28 Mitglieder seiner Familie verloren hat. Dann erneut die herzzerreißende Geschichte der Israelin Liat Atzili, die zu den ersten der befreiten Geiseln gehörte, nur um dann von dem Tod ihres Mannes und ihrer Töchter zu erfahren, und schließlich der Beitrag einer palästinensischen Aktivistin, die es vorzog, anonym zu bleiben, vorgelesen von ihrer Partnerin Amani Hamdan: ein beeindruckender Rosenkranz aus Verlust, Schmerz, Zerstörung, Verwüstung, Zerstückelung, getragen jedoch von der „Hoffnung, dass immer etwas wiedergeboren werden kann, auch aus den Trümmern …“ Die Moderation des Abends, wie immer auf Arabisch und Hebräisch mit Untertiteln in beiden Sprachen (sowie auch auf Englisch), teilten sich Shehadeh und Shira Geffen, die beide in der Welt des israelisch-palästinensischen Aktivismus bestens bekannt sind: Erstere ist Mitglied der „Hutwa-Group, welche sich gegen die Enteignung und Zerstörung von Häusern wendet, was auch in Israel selbst immer häufiger vorkommt. Letztere ist eine Schauspielerin und Schriftstellerin, die sich selbst als Pazifistin bezeichnet.

An Boykottversuchen hat es auch in diesem Jahr nicht gemangelt, zum Teil recht gewalttätigen. In diesem Zusammenhang hier die Erklärung, die am Abend vom People’s Peace Summit (Friedensgipfel der Völker) am 8. und 9. Mai organisierenden Koalition „It´s Time“ veröffentlicht wurde:

„Heute Abend wurde versucht, durch verschiedene störende Aktionen die Veranstaltung der gemeinsamen Gedenkzeremonie zu verhindern, die wie jedes Jahr von den Combatants for Peace in Zusammenarbeit mit dem Parents Circle Families Forum organisiert wird, beides Organisationen, die sich schon immer für das Ende des Krieges, die Heimkehr aller Geiseln und für einen dauerhaften Frieden auf der Grundlage echter Gerechtigkeit für alle eingesetzt haben. Wir alle, die wir diesem ‚Friedenslager‘ angehören, sind nicht mehr bereit, diese Einschüchterungen noch länger zu tolerieren. Wir laden alle ein, an der größten Friedensveranstaltung teilzunehmen, die jemals im Nahen Osten organisiert wurde, beim People’s Peace Summit, der am 8. und 9. Mai in Jerusalem stattfinden wird. Schließt euch unserer Stimme an, damit unser Aufruf zum Frieden zu einem Chor wird, der nicht mehr zum Schweigen gebracht werden kann.“

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!