Es ist der zweite Tag auf See und alles läuft reibungslos, auch wenn die langen Wellen vielen fast allen Crews zu schaffen machen. Auf dem Boot Zefiro ist ein abtrünniger Abgeordneter der polnischen Parlamentsmehrheit mit dabei, und weil Zefiro zufällig auch unter polnischer Flagge unterwegs ist, prüft das Anwaltsteam des Abgeordneten derzeit mögliche Szenarien, was alles passieren könnte, wenn israelische Spezialeinheiten das Boot entern.

Kann beispielsweise ein Schiff unter polnischer Flagge in jeder Hinsicht als polnisches Hoheitsgebiet betrachtet und folglich ein Angriff und eine anschließende Entführung der Besatzungsmitglieder als Kriegshandlung interpretiert werden? Wie wird die polnische Regierung gegenüber Israel in Bezug auf eine solche Aktion vorgehen? Sie würde die Regierung Netanjahu sicher in Schwierigkeiten bringen, genauso wie eventuelle SOS-Signale, die von den Booten über das EPIRB gesendet werden. Das EPIRB (Emergency Position Indicating Radio Beacon) ist ein Satelliten-Such- und Rettungssystem, das in internationalen Seeverkehrsabkommen vorgesehen ist und jedes Land im eigenen SAR-Gebiet (SAR: Suche und Rettung in Luft- und Seenotfällen) zum Eingreifen verpflichtet.

Auch das ist Teil der Strategie des zivilen Ungehorsams, die darauf abzielt, politischen Druck auf die israelische Regierung auszuüben, damit sie die Belagerung des Gazastreifens aufgibt, das Apartheidregime beendet und sich an den Verhandlungstisch setzt, um ein friedliches Zusammenleben für die nächsten Generationen von Palästinensern und Israelis zu erreichen.

In der Zwischenzeit sehen wir hinter uns das Schiff Life Support von Emergency – eine beruhigende Präsenz für die ganze Flotte, die jeden Tag über alle Möglichkeiten einer gewaltsamen Reaktion der israelischen Armee diskutiert: Seeblockade mit Warnschüssen, Einsatz von Drohnen mit fortschrittlichen Repressionssystemen, Versenkung der Boote, Entern usw.

Was neben dem Krankenhausschiff am Horizont auch noch die Stimmung heben kann, ist die Vorstellung einer durchwegs gewaltfreien Reaktion – denn jede Aktion gegen die Flotte wäre ein massiver diplomatischer Bumerang für ein Land, die sich seit Jahren – besonders in den letzten 23 Monaten – zunehmend vom internationalen Kontext und den Bevölkerungen weltweit abschottet. Diese letzteren demonstrieren nämlich gerade immer heftiger gegen die zynische geopolitische Strategie Israels und der USA.

Es geht hier natürlich nicht um ein vermeintliches Wiederaufleben von schleichendem Antisemitismus. Vielmehr geht es darum, sich bewusst zu werden, welche Auswirkungen die zionistische Ideologie heute tatsächlich hat – jetzt, wo sie in aller Konsequenz gegen eine wehrlose Bevölkerung eingesetzt werden, die seit über 80 Jahren einem Apartheidregime unterworfen ist. Und all dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung eines reichen Paten, nämlich der Vereinigten Staaten.

Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!