Eine schöne, kraftvolle, mutige, umfassende und sehr bewegende Vorschau dessen, wie der Friedensgipfel in Jerusalem aussehen könnte, fand am Abend des 24. April in Tel Aviv statt. Dort versammelten sich Tausende auf dem Habima-Platz zur größten Demonstration gegen den Krieg seit dessen Beginn.
Und nicht nur gegen den Krieg, denn trotz des Verbots der Behörden spielte die Kundgebung (die hauptsächlich von der arabisch-israelischen Organisation Standing Together organisiert wurde) mit der Feierlichkeit des Yom Ha Shoah, dem Tag des Gedenkens für die Israelis. Eine Feier, die jedes Jahr bei Einbruch der Dunkelheit mit dem Klang einer Sirene beginnt und für einige Minuten das ganze Land zum Stillstand bringt: Auf den Straßen bleiben die Passanten stehen, die Fahrzeuge halten an, die Geschäfte stoppen den Verkauf, alle Aktivitäten werden eingestellt und alle nehmen eine ehrfürchtige Haltung ein, um den Beginn dieser Besinnungspause zum Gedenken an die 6 Millionen Opfer des Holocaust zu signalisieren, die 24 Stunden bis zum Sonnenuntergang des nächsten Tages dauert.
Dieses Jahr wurde Yom Ha Shoah vom 23. bis zum 24. April begangen. Mit der klaren (und ziemlich subversiven) Absicht, die Bedeutung des „Nie wieder“ weit über die Opfer des Holocaust hinaus auszudehnen, wählten die Organisatoren der Veranstaltung den Abend des 24. April, um das Thema der 18.000 bereits ermordeten Kinder – und wer weiß, wie viele noch sterben werden – wieder auf die Straße zu bringen, zusammen mit dem Thema der Geiseln, die die israelische Regierung offenbar in ihrem wahnsinnigen Plan, jegliches Leben in Gaza auszulöschen, opfern will.
Es war nicht das erste Mal, dass Fotos der getöteten Kinder aus Gaza in den Straßen von Tel Aviv zu sehen waren: Eine erste Demonstration dieser Art fand vom 17. bis 18. März statt, zwei Tage nach den Bombenangriffen auf Gaza, die das Ende der Waffenruhe und jeder möglichen Einigung mit der Hamas über die Geiseln bedeuteten. Eine Gruppe israelischer Frauen ging mit Fotos der bei den letzten Angriffen getöteten Kinder auf die Straße. Eine spontane, von Frauen über soziale Medien organisierte Demonstration bei Kerzenschein, zu der sich aber unerwartet weitere Frauen gesellten, die sich alle so betroffen fühlten, dass sie eine rege WhatsApp-Gruppe gründeten. Von Demonstration zu Demonstration wuchs die Gruppe, von 30 auf 100, dann auf 200 und schließlich auf mehrere Hundert in der vergangenen Woche und gleichzeitig auch in anderen Städten, wie Haifa, Umm al-Fahm, Jerusalem, Jaffa… und gestern Abend wieder in Tel Aviv, wo Tausende demonstrierten, Frauen und Männer jeden Alters, viele junge Leute, viele Reservisten, die nicht einverstanden sind, und Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen.
Und das alles ist passiert trotz des klaren Verbots der Behörden, wie auch wir aus der Zeitung Haaretz erfahren haben.
Passend zum Ernst des Tages wurde betont, dass jedes im Konflikt verlorene Leben inakzeptabel ist: die 18.000 toten Kinder, die Geiseln, die ihre Familien nie wieder sehen werden, die Zehntausenden Zivilisten, die bereits Opfer von Bombenangriffen geworden oder dem Hungertod geweiht sind oder an den Folgen eines Krieges sterben werden, der niemals Sicherheit garantieren kann und den Netanjahu nur führt, um sich selbst zu erhalten.
Der Erfolg dieses riesigen Sit-ins ist auch der Beteiligung von Women Wage Peace, Zazim und vielen anderen Organisationen zu verdanken, die sich dem Aufruf von Standing Together im gleichen Geist der Allianz und des „Einigkeit macht stark“ angeschlossen haben, der (wie wir bereits berichtet haben) das Motto des People’s Peace Summit sein wird.
„(…) Seit dem 7. Oktober 2023 ist das Leben für uns alle ein endloser Albtraum“, hieß es in dem zuvor verbreiteten Dokument. „Wir alle, Juden und Palästinenser in Israel, im Gazastreifen und im Westjordanland sowie die Bewohner des Südlibanon, haben beispiellose Gewalt, Verluste und Schrecken erlebt. Wir trauern um die Menschen, die im ganzen Land seit dem schrecklichen Angriff der Hamas am 7. Oktober und in diesem grauenhaften Krieg, den die israelische Regierung aus Rache begonnen hat, ums Leben gekommen sind.
(…) Jedes zerstörte Leben ist eine Tragödie. In dem Krieg, den wir seit dem 7. Oktober erleben, sind es unschuldige Zivilisten, Kinder und gar Neugeborene, die den höchsten Preis zahlen. Die Bewohner Gazas sind endlosen Bombardierungen und Luftangriffen ausgesetzt. Im Westjordanland sind die Militäroperationen und die Gewalt der Siedler immer häufiger und zerstörerischer geworden. Viele Israelis, die aus ihren Häusern im Norden und Süden evakuiert wurden, warten immer noch darauf, zurückkehren zu können. Und die Geiseln, deren Rückkehr schon lange überfällig ist, vegetieren in Gefangenschaft in Gaza vor sich hin.
(…) Unsere Botschaft ist einfach und klar: Wir können das Grauen stoppen! Wie wir alle inzwischen sehr wohl wissen, gibt es einen anderen Weg. Die Militäroperationen haben nur zu mehr Zerstörung, Unterdrückung und dem Verlust vieler Menschenleben geführt, ohne den Israelis jemals dauerhafte Sicherheit zu garantieren. Und Kriege enden nie: Das Ende eines Krieges ist nur der Auftakt für den nächsten, der genauso sinnlos sein wird.
(…) Es geht anders! Es ist möglich, allen Menschen in diesem Land einen sicheren Raum zu bieten. Die Besetzung des Westjordanlandes, die Belagerung und Zerstörung des Gazastreifens müssen aufhören, nicht nur, weil sie brutal und unterdrückend gegenüber den Palästinensern sind, sondern auch, weil sie das Bedürfnis der Israelis nach langfristiger Sicherheit untergraben. Die Besatzung, die Belagerung und der Krieg müssen durch eine vereinbarte politische Lösung ersetzt werden: den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Wir bauen eine Volksbewegung von jüdischen und palästinensischen Bürger:innen in Israel auf, die daran glauben, dass eine gemeinsame Zukunft möglich ist.
Heute, am Donnerstag, dem 24. April, stehen wir auf diesem Platz mit einer klaren Forderung: Schluss mit dem Krieg, Freilassung aller Geiseln durch ein Abkommen und Schluss mit dem Morden und der unkontrollierten Zerstörung im Gazastreifen.“
Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!









