In einer überraschenden Wendung hat der amerikanische Präsident Joe Biden angedeutet, dass die Vereinigten Staaten die strafrechtliche Verfolgung von Julian Assange, dem Gründer von Wikileaks, möglicherweise einstellen könnten. Diese Aussage machte Biden am Mittwoch in einer kurzen Antwort auf die Frage eines Journalisten während einer Empfangszeremonie für den japanischen Premierminister Fumio Kishida im Weißen Haus. „Wir ziehen es in Betracht“, so Biden über den Antrag Australiens, die Verfolgung Assanges zu beenden.

Die australische Regierung hat in den letzten Monaten verstärkten Druck auf die USA ausgeübt, um eine Auslieferung Assanges, eines australischen Staatsbürgers, nach Australien zu ermöglichen. Bei einer Auslieferung an die USA droht ihm eine Strafverfolgung nach dem Espionage Act von 1917, einem Gesetz aus Kriegszeiten, das noch nie zur Bestrafung der legitimen Arbeit von Verleger*innen und Journalist*innen eingesetzt wurde. Ihm könnten bis zu 175 Jahre Gefängnis drohen. Stella Assange, die Ehefrau von Julian Assange, hat ihre tiefe Besorgnis geäußert, dass ihr Mann im Falle einer Auslieferung sterben könnte.

Das australische Unterhaus hat letzten Monat für eine formelle Aufforderung an die USA gestimmt, die Strafverfolgung von Assange einzustellen. Diese Entwicklung fällt zusammen mit dem fünften Jahrestag seiner Inhaftierung im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Großbritannien. Assanges körperlich-geistiger Gesundheitszustand verschlechterte sich im Lauf der fast 5 Jahre in Belmarsh immer mehr. Eingesperrt in eine ca. 2 x 3 Meter große Zelle, in 22 Stunden Isolation, ohne gemeinsame Mahlzeiten – die Bedingungen sind schrecklich.

Im März hat die britische Justiz eine Entscheidung über eine mögliche letzte Berufung Assanges aufgeschoben und von den USA neue Garantien verlangt. Diese Garantien sollen sicherstellen, dass Assange im Falle einer Verhandlung in den USA unter dem Schutz der Gesetze zur Meinungsfreiheit steht und ihm nicht die Todesstrafe droht.

Julian Assange und seine Plattform Wikileaks gerieten international in die Schlagzeilen, nachdem sie ab 2010 mehr als 700.000 vertrauliche Dokumente veröffentlicht hatten. Diese Dokumente gaben Einblick in militärische und diplomatische Aktivitäten der USA, insbesondere im Irak und in Afghanistan, und enthielten Informationen über die Tötung von Zivilisten sowie die Misshandlung von Gefangenen.

Bidens Bemerkungen signalisieren eine potenzielle diplomatische Verschiebung in der langjährigen Haltung der USA gegenüber Assange und könnten weitreichende Folgen für die internationale Meinungsfreiheit und die Behandlung von Whistleblowern haben.