Wer von russischen Menschenrechtsverletzungen im Ukrainekrieg spricht, sollte von britischen Menschenrechtsverletzungen in Belmarsh nicht schweigen. London, Belmarsh (Britisches Guantanamo).

Wie erwartet gab das Gericht in zweiter Instanz dem US-Auslieferungsantrag gegen den in den USA politisch verfolgten Julian Assange statt. Wie erwartet, sagte die britische Regierung eine Auslieferung ihres politischen Gefangenen zu. Er war nachweislich durch eine manipulierte Anklage und Strafverfolgung unter einen gefälschten „Vergewaltigungsverdacht“ gestellt worden, wurde damit zehn Jahre lang rufmörderisch in den Westmedien verfolgt. Diese Verfolgung setzt sich in vorsätzlich tendenziöser Berichterstattung fort, wie wir hier dokumentieren. Ein besonders schockierendes Beispiel, denn 3sat hat in der Vergangenheit wenigsten hier und da etwas weniger unfair als der Rest der ARD über Assange berichtet.

Doch nicht beim entscheidenden Urteilsspruch: Sogar 3sat-Kulturzeit verschwieg, dass die Menschenrechte des Wikileaksgründers im Londoner Schauprozess mit Füssen getreten werden. Der Publizist Assange hatte auf seiner Plattform Wikileaks Kriegsverbrechen, Massenmorde und Folterpraktiken der USA und Grossbritanniens enthüllt und wird deshalb seit zehn Jahren von Britischen und US-Behörden politisch verfolgt. Julian Assange wurde und wird in London bis heute in Isolationshaft im „Britischen Guantanamo“, dem Hochsicherheits- und Terroristengefängnis Belmarsh, gefoltert. Durch einen fingierten „Vergewaltigungsverdacht“ wurde systematisch Rufmord an ihm begangen und man vertraut darauf, dass diese Hasspropaganda beim Zuschauer haften blieb -und nicht die zahlreichen Preise für mutige Berichterstattung, die Assange erhielt.

Assange: Auslieferung von Westmedien gebilligt

Nicht einmal das 3sat-Magazin „Kulturzeit“ wagte es, mehr als 20 Sekunden über die dramatische Wendung im Jahrhundertprozess gegen Julian Assange zu berichten. Wie die ARD-Tagesschau tat „Kulturzeit“ so, als würde da in London einfach ein mutmasslicher Spion abgeschoben. West-Regierungen kritisch hinterfragen? Fehlanzeige.

Stattdessen empört sich 3sat über Menschenrechtsverletzungen in Russland: „Der Journalismus geht in Russland durch ein dunkles Tal“. Das gilt leider auch, vergass 3sat zu erwähnen, für 3sat, die ARD, den Westen. Es folgte ein Bericht mit langen, zweimal wiederholten Prügelszenen auf Moskauer Demonstrationen, Rückblick auf stalinistische Gräuel und ausgiebiger Feier des für Regierungskritik an Putin verliehenen Friedensnobelpreises an Journalist Muratov. Für die drohende Abschiebung des (West-)Regierungskritikers Assange hatte man anschliessend nur folgende 20-Sekunden-Meldung:

„Gar nichts zu feiern hat der Whistleblower und Wikileaksgründer Julian Assange. Er ist in den USA unter anderem wegen Spionage angeklagt, sitzt aber in London im Gefängnis und war bisher nicht ausgeliefert worden. Jetzt hat die amerikanische Regierung mit ihrer Berufung Recht bekommen und das Londoner Berufungsgericht hat heute das Auslieferungsverbot für Julian Assange aufgehoben. Der will jetzt in die nächste Instanz gehen. Vom echten zu fiktiven Krimis in unseren Krimibuchtipps…“ 3sat Kulturzeit 10.12.2021

Ist das ein angemessener Bericht? Zwischen Feierlaune und Krimitipps die irreführende Wiederholung von falschen Spionage-Bezichtigungen der US-Justiz, die einen politischen Dissidenten mundtot machen sollen? Was soll eigentlich der „echte Krimi“ sein, zu dem die launige 3sat-Redakteurin Vivian Perkovic den Fall Assange hier zynisch umdeklariert? Der Unrechtsprozess, den 3sat verschweigt, wohl kaum. Also die angeblichen Straftaten, für die die US-Ankläger keine Beweise vorlegen konnten, sondern wieder nur Beschuldigungen und Fakes: Ihr Hauptbelastungszeuge entpuppte sich jüngst als krimineller FBI-Spitzel, den die US-Behörden auf Wikileaks angesetzt hatten. Untergeschoben wird dem 3sat-Publikum hier schlitzohrig, dass der Wikileaksgründer tatsächlich kriminelle Spionage begangen hätte. Und dass der Westen im Gegensatz zu Russland seine Kritiker nicht politisch verfolgen und die Menschenrechte achten würde.

Überhaupt: Warum ging der Nobelpreis schon wieder nicht an Assange? Der kann weit bedeutendere Enthüllungen von Regierungskorruption und -verbrechen vorweisen als Muratov. Ihm wurde übler mitgespielt, ihm droht Schlimmeres. Nur passt er nicht in Propaganda-Narrative des Westens.

Ablenkungstaktik: Krokodilstränen für Kolonialopfer

Selbstverständlich verdienen die Opfer russischer Willkürjustiz und politischer Verfolgung Anteilnahme und Aufmerksamkeit. Wenn aber anschliessend mit salopper Schnoddrigkeit über schlimmere Verbrechen der eigenen, westlichen Willkürjustiz hinweg gegangen wird, dann ist dies Missbrauch zu Propagandazwecken. Die West-Journaille steht mit dem Fuss im Genick des politischen Häftlings Julian Assange und zeigt empört mit dem Finger auf Putin. Eigene Verbrechen des Westens werden schon zugegeben, aber vorzugsweise erst im nächsten Jahrhundert.

Direkt vor der irreführenden Assange-Feigenblatt-Meldung berichtete 3sat über ein „Kongo-Tribunal“, das dem Zeitgeist gemäss endlich Kolonialverbrechen von vor 100 Jahren aufarbeitet. Keine Sendezeit hatte 3sat leider für das (im Gegensatz zum Kongo-Tribunal) prominent besetzte Belmarsh-Tribunal, das die aktuellen Menschenrechtsverbrechen an Julian Assange sowie die von ihm aufgedeckten Kriegsverbrechen des Westens aufarbeitet. Anlässlich des neuen Unrechts-Urteils hätte man darauf hinweisen können.

Deutlicher kann das Ablenkungsmotiv heutiger Krokodilstränen für Kolonialopfer wohl kaum noch werden. Während man den Medien in Putins Russland vorhält, sie würden tendenziös Putins Regime schönreden, redet man selber das eigene Regime schön. Und wundert sich dann, wenn aufmerksame Mediennutzer die ARD&ZDF-Familie nicht mehr als glaubwürdig akzeptieren können – daran ist dann aus ARD-Sicht natürlich „das Internet“ schuld mit seinen „Verschwörungstheorien“. Man sendet Pegida-“Lügenpresse“-Schreihälse und ist zu feige, sich mit ernsthafter Kritik etwa von Publikumskonferenz.de auseinanderzusetzen. Allein das zeigt uns: Es geht nicht um Öffentlichkeit, Faktenfindung und demokratische Diskurse. Es geht um Propaganda für die „Narrative“ der Machteliten, die oft nur Hetzkampagnen sind, wie etwa gegen Assange und Wikileaks.

ARD-Public-Mobbing gegen Assange

Die westlichen Mainstream-Medien sind durch fortgesetztes Public Mobbing Teil der psychischen Folter, so der Schweizer UNO-Folterexperte Prof. Nils Melzer. Die Westmedien unterwerfen den Fall Assange ihrer speziellen Methode der Propaganda: Tendenzberichte, Lückenpresse und zynisches Verschweigen wichtiger Sachverhalte. Durch Rufmord wurde der Wikileaksgründer zu einer Unperson herabgewürdigt, seine Verdienste um Aufklärung vergessen gemacht, der aktuelle Unrechtsprozess medial ermöglicht. Die medialen Komplizen der Belmarsher Folterknechte und Unrechts-Richter sitzen bequem in ihren Sendestudios und Redaktionen und empören sich lauthals über Menschenrechtsverletzungen -in Russland.

Die aktuelle Berichterstattung über das jüngste Skandal-Urteil in Belmarsh setzt das von der UNO gerügte Public Mobbing (Nils Melzer) fort und tritt die Menschenrechte von Julian Assange mit Füssen: durch Auslassung aller Beweise für einen Unrechtsprozess, für Isolationsfolter, für die Widerlegung der falschen Bezichtigungen. Nils Melzer hat es im Auftrag der UNO festgestellt: Was Julian Assange in Belmarsh angetan wird, hat mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun. Es ist ein Unrechtsprozess gegen einen politisch verfolgten Dissident, der in Isolations- und Folterhaft eingekerkert ist.

Seine Verfolgung und Anklage basierte auf gefälschten Beweisen für einen „Vergewaltigungsverdacht“, der niemals bestand, ganz zu schweigen von tatsächlichen Sexualstraftaten. Dennoch trugen unsere Westmedien seit zehn Jahren diesen Rufmord vor jeder Erwähnung von Assange wie eine Monstranz her -eine offensichtliche Ablenkungstaktik von den durch Wikileaks enthüllten Verbrechen des Westens. Leider können unsere Regierungen nur so gut sein wie die Medien, die sie kontrollieren. Unkritische Regierungspropaganda ist ein Freibrief für Menschenrechtsverletzungen -der Fall Assange bestätigt dies. Wer von russischen Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine spricht, darf von britischen Menschenrechtsverletzungen in Belmarsh nicht schweigen!

Daniela Lobmueh und Hannes Sies

Der Originalartikel kann hier besucht werden