Angesichts der schockierenden Bilder, die vor kurzem aus dem Tierversuchslabor LPT bei Hamburg an die Öffentlichkeit gelangt sind, erscheinen die Äußerungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) anlässlich der Vergabe des Tierschutzforschungspreises an eine Wissenschaftlerin aus Dortmund als blanker Hohn.

In der aktuellen Pressemitteilung des BMEL zur Preisvergabe am 23. Oktober heißt es doch tatsächlich:

„Tierversuche möglichst schnell durch Alternativmethoden zu ersetzen, das ist das Ziel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.“

Wie kann es dann sein, dass Versuchslabore wie das LPT (Laboratory of Pharmacology and Toxicology), bei dem es offensichtlich nicht nur um schwere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz geht, sondern auch um Verfälschung von Studienergebnissen (ein toter Affe wurde einfach durch ein weiteres Tier ausgetauscht, ohne dies in die Dokumentation des Versuches einfließen zu lassen; Quelle: ARD Fakt), die dann letztendlich auch Menschen gefährden können, immer noch ihr Unwesen treiben können, wo deren Machenschaften doch schon lange bekannt sind? Im besagten LTP Labor werden übrigens seit Jahren auch Botox-Produkte getestet, immer wieder aufs Neue, aktuell sind es 46.800 Mäuse, die dort dafür qualvoll erstickt werden.

Absurde Versuche in Deutschland jederzeit ohne Genehmigung möglich

Bereits 2004 zweifelte das deutsche Ärzteblatt die Relevanz von Tierversuchen für den Menschen an. Dass Arzneimittelskandale durch Tierversuche nicht verhindert werden, ist auch bereits seit Längerem bekannt. Wieso hat sich dann bis jetzt immer noch nichts getan? Laut Ärzte gegen Tierversuche e.V., die sich seit vielen Jahren für eine Tierversuchs-freie Forschung einsetzen, ist es in Deutschland immer noch gang und gäbe, jeden noch so absurden Versuch zu genehmigen (siehe Nachtigallen mit Gehirnimplantaten). Im Gegenteil, oft muss noch nicht einmal eine Genehmigung eingeholt, sondern lediglich ein Formular ausgefüllt werden, bevor der Experimentator mit den qualvollen Versuchen beginnen kann (Quelle: Ärzte gegen Tierversuche). Dies befeuert unsinnige Tierversuche und lässt der „Neugierde“ der Experimentatoren freien Lauf.

Auch die haarsträubende Geschichte des Max-Planck-Instituts in Tübingen, wo über 22 Jahre lang Primaten mit Millionen von Steuergeldern für abwegige und irrwitzige Zwecke buchstäblich zu Tode gequält wurden („Warum Torwart Jens Lehmann bei der WM 2006 in Argentinien zwei Tore halten konnte„), zeigt, wie sehr Tierversuchsforschung, Politik und Behörden miteinander verfilzt sind. Tierschützer forderten damals eine Untersuchung bzw. Stilllegung und stießen dabei auf eine Mauer des Schweigens.

Schlechter Scherz: Deutschland als Vorreiter?

Aber laut BMEL ist ja bei uns alles bestens und Ministerin Julia Klöckner legt in der Pressemitteilung sogar noch eins oben drauf:

„Mit unserem Tierschutzforschungspreis fördern wir solche wegweisende Forschung und unterstreichen ganz deutlich das Ziel der Bundesregierung: Unsere Vorreiterrolle bei der Erforschung und Entwicklung von Alternativ- und Ersatzmethoden zum Tierversuch auf EU-Ebene auszubauen.“

Vorreiterrolle? Das soll wohl ein Scherz sein. Deutschland wird seit einiger Zeit sogar von der EU verklagt, weil es die EU-Richtlinie zu Tierversuchen immer noch nicht umgesetzt hat und weiterhin Tierversuche schwersten Grades erlaubt. Das kostet wiederum den Steuerzahler, da Strafen der EU in Millionenhöhe verhängt werden können.

Das BMEL muss da was verwechselt haben, die Niederlande sind in der EU Vorreiter in diesem Bereich und haben schon seit einiger Zeit angekündigt, bis 2025 Tierversuchs-freie Forschung betreiben zu wollen. Gefolgt sind nun die USA mit einem Austrittstermin von 2035. Wo bleibt der deutsche Austrittstermin?

7.500 Menschen demonstrieren in Hamburg gegen das LPT

Es ist nur noch Hohn und Schande, was im Bereich Tierversuche in diesem Land passiert. Die Worte der Ministerin und ihres Ministeriums verhöhnen nicht nur Tierrechte, sondern auch die Menschen, die sich für die Tiere einsetzen. Am Samstag, dem 19. Oktober gab es die größte Anti-Tierversuchs-Demo vor dem Hamburger LPT, die es je in Deutschland gegeben hat. Über 7.000 Menschen demonstrieren gegen die grausame Folter im LPT und gegen die Verschleppungspolitik der Bundesregierung. Und auch Preise vergeben ändert nichts an der Tatsache, dass hier gewollte Untätigkeit mit schönen Worten verdeckt werden soll.

Tierversuche gehören abgeschafft!!!

Gepostet von SOKO Tierschutz am Samstag, 19. Oktober 2019

Video von Facebook-Seite SOKO Tierschutz

Glücklicherweise hat nun zumindest auch die ausländische Presse den Fall LPT aufgegriffen: von Euronews über France 24, CTV Canada und India Today bis zum britischen Guardian und dem Mirror (Vorsicht: verstörende Bilder) erschienen Berichte darüber, was dort hinter verschlossenen Türen passierte und was nur an die Öffentlichkeit kam, weil sich ein engagierter Tierschützer des gemeinnützigen Vereins SOKO Tierschutz dort als Mitarbeiter einschleusen konnte.

Die Top-Ten der deutschen Tierversuchshochburgen

Leider ist das LPT Labor bei Hamburg nicht das einzige in Deutschland, in dem Tiere teils aus wissenschaftlicher Profilierungssucht, teils zur Legitimation von Arzneimitteln ohne Regresspflicht gequält werden, die dann hinterher trotzdem beim Menschen Schäden hervorrufen können.

Obwohl der größte Teil der Tierversuche mit unseren Steuergeldern finanziert wird, gibt es keine öffentlich zugänglichen Informationen darüber, wo wie viele Tierversuche durchgeführt werden. Die folgende Graphik wurden von Ärzte gegen Tierversuche zusammengestellt und basiert auf mehreren tausend Einträgen in ihrer selbst erstellten Datenbank aus den Jahren 1998 bis heute:

Graphik von Ärzte gegen Tierversuche e.V.

Besonders hervorzuheben sind dabei auch die Versuchslabore der Covance Inc. Das börsennotierte US-amerikanische Unternehmen ist eines der weltweit größten Auftragsforschungsinstitute mit Niederlassungen in 20 Ländern, darunter auch in München und in Münster, das wiederum eines der größten Tierversuchslabore für Affen in Europa ist. Hier werden jedes Jahr rund 2.000 Affen in qualvollen Giftigkeitsprüfungen getötet. Es handelt sich hier um eine regelrechte Industrie, selbstverständlich mit satten Gewinnen für alle Beteiligten.

Was gedenkt das BMEL gegen all das zu tun?

Doch zurück zur Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dort werden drei Punkte angepriesen, die das BMEL für Tierversuchs-freie Forschung anstreben will. Sie sind wiederum blanker Hohn, wenn man sie mit gesundem Menschenverstand betrachtet:

1.) der Betrieb des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (etwa 1,5 Millionen Euro jährlich)

Dieses Zentrum existiert seit mindestens 4 Jahren und hat… was erreicht? Nichts! Im Gegenteil, die Anzahl der Tierversuche in Deutschland steigt weiter, das gibt sogar das Ärzteblatt zu. Nicht schlecht für 1,5 Millionen Euro jährlich. Zudem wird das Zentrum vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) betrieben, was uns zum nächsten „Aktionspunkt“ des BMEL bringt:

2.) die Forschungsförderung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (etwa 400.000 Euro jährlich)

Nur für alle, die es nicht wissen sollten: des Bundesinstitut für Risikobewertung war es auch, das uns noch einmal Jahre, wenn nicht Jahrzehnte an Glyphosat auf unseren Äckern und in unserem Essen beschert hat, und zwar in der gesamten EU. Wie sollen die Bürger solch einem Institut noch vertrauen? Und zu guter Letzt nun endlich ein Punkt, der tatsächlich konkret etwas bringen könnte:

3.) die Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen (100.000 Euro jährlich)

Aha, dafür gibt es also 100.000 Euro jährlich, eine wahrhaft immense Summe, die ja schon alleine mit dem Gehalt eines leitenden Angestellten verbraucht ist – an ernsthafte Forschung und effektive Förderung ist damit nicht zu denken!

Schmutzige Tricks und Täuschung der Bürger

Es ist überhaupt nicht zu fassen, mit welcher Frechheit hier versucht wird, die Bürger an der Nase herumzuführen. Und die Tiere leiden weiter. Jeder der aktiv werden möchte, sollte daher diejenigen unterstützen, die sich tatsächlich für ein Ende von Tierversuchen einsetzen, also Tierschutzorganisationen wie Menschen für Tierrechte, Cruelty Free International, Animal Rights Watch, Animals United, Tierversuchsgegner und Ärzte gegen Tierversuche, um nur einige zu nennen. Natürlich gibt es auch noch unzählige kleine regionale und lokale Vereine, in Hamburg sind es zum Beispiel LPT-Schließen, Arbeitsgruppe Hamburg der Ärzte gegen Tierversuche, Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V., Tierrechtsaktivistenbündnis, ARIWA Hamburg, Tierrechtsaktivisten-Netzwerk Hamburg & Umgebung, Tierbefreiung Hamburg und Tierrechtsinitiative Hamburg und Rettet die Versuchsaffen.

Besonderer Dank soll an dieser Stelle auch an SOKO Tierschutz e.V. gehen, denn nur durch ihren mutigen Einsatz wurde überhaupt publik, was wirklich im Todeslabor LPT vor sich geht. Sie wurden übrigens bereits in der Vergangenheit mit einer Rufmordkampagne durch die Agrarindustrie angegriffen, einem weiteren Bereich, in dem Tierrechte immer noch mit Füßen getreten werden und Tierschutz nur auf dem Papier existiert. Seit vielen Jahren kämpfen sie gegen den Filz von Industrie, Forschung und Politik und kennen auch die schmutzigen Tricks, die die Tierversuchs-Lobby immer wieder anwendet. Denn leider hat der folgende Satz in Deutschland bis heute Gültigkeit:

„Wer Tierversuche befürwortet, weiß zu wenig darüber oder verdient daran.“

Laut Dr. Katy Taylor, wissenschaftliche Leiterin bei Cruelty Free International „scheitern 90% der Medikamente in klinischen Studien am Menschen, obwohl umfangreiche Tierversuche darauf hindeuten, dass diese Medikamente sicher und wirksam sind“ (Quelle: Artikel von France 24 über das LPT). Und daran ändern auch eigens aufgelegte Kampagnen der Regierung wie „Tierversuche verstehen“ nichts. Sie sind nichts anderes, als großzügige steuerfinanzierte Unterstützung für die Tierversuchsindustrie mit der Absicht, die mehrheitliche Meinung der Bürger, die sich ein Ende von sinnlosen Tierversuchen wünscht, zu manipulieren. Genauso wie die INSM-Kampagne den Klimaschutz ausbremsen soll, während das ganze Land nach Klimaschutz schreit. Ist das etwas Demokratie?

Die nächsten großen Demonstrationen und Petitionen zum Mitzeichnen

Von den Mainstream-Medien meist unbeachtet finden seit vielen Jahren unzählige kleine Demos und Mahnwachen vor all diesen Orten des Grauens statt. Zumindest heutzutage organisieren sich die meisten dafür auf Facebook oder ähnlichen Plattformen, eine der wenigen positiven Seiten der sozialen Medien. Wie bereits oben am Beispiel Hamburg aufgeführt, gibt es eine Fülle von engagierten, kleinen Tierschutzvereinen und Gruppen, die sich überall auf lokaler und regionaler Ebene gegen diesen Missbrauch von Tieren wehren, und denen die größtmögliche Unterstützung gebührt. Die nächsten großen Demonstrationen in Deutschland finden bereits im November statt:

2. Großdemo gegen das LPT-Labor beim Hamburg
Am 16. November 2019, von 14 bis 18 Uhr, Heidi Kabel Platz (HBF), Hamburg – Weitere Infos auf Facebook

Demo gegen das Covance-Labor in Münster 
Am 23. November 2019, von 12 bis 15 Uhr, Stubengasse, 48143 Münster – Weitere Infos auf Facebook

Wer nicht teilnehmen kann, hat die Möglichkeit, folgende aktuelle Petitionen mitzuzeichnen:

STOPPT TIERVERSUCHE – Schließt das LPT “Laboratory of Pharmacology and Toxicology Hamburg“ auf Change.org (bereits über 600.000 Unterschriften)

Covance Münster: Einstellen der Tierversuche“ auf Avaaz.org BürgerPetitionen

Für einen Masterplan für den Ausstieg aus dem Tierversuch“ auf Change.org

Fazit: Weitermachen, der Druck wächst!

Auch beim LPT in Hamburg handelt es sich um keinen Einzelfall, sondern um einen Teil eines fehlgeleiteten, eigennützigen, grausamen und überholten Systems. Die Devise lautet deshalb: Weitermachen! Der Druck wächst und das erste Anzeichen dafür ist, dass nach Veröffentlichung der schrecklichen Bilder anscheinend bereits Hunde und Affen und unter Umständen auch weitere Tiere sang- und klanglos aus dem LPT abtransportiert wurden. Ohne Ankündigung oder Erklärung. Sollte da jemand langsam kalte Füße bekommen?