In einem Jahr Belagerung hat die israelische Armee drei Viertel des Agrarlands in Gaza zerstört, Salzwasser in den Boden gepumpt, was das Grundwasser verschmutzt und die Felder unfruchtbar macht, tausende Olivenbäume gerodet. Auch so wird die Identität eines Volkes ausgelöscht: mit dem Angriff auf seine Landwirtschaft. Land enteignen, Saatgut zerstören, Felder kolonisieren. Mit ihrer Verteidigung dagegen schützt man das Existenzrecht.
In der Flut von erschütternden Bildern aus Gaza und den besetzten palästinensischen Gebieten sind einige fast unbemerkt geblieben. Ein Video zeigt, wie einige Scharfschützen der israelischen Armee nacheinander drei Schafe erschießen, die eine Straße in Khan Younis überqueren. Ein anderes Foto zeigt die Bombardierung einer Saatgutbank. Und dann die Bilder von über zehntausend Olivenbäumen, die im Dorf al-Mughayyir im Westjordanland während einer dreitägigen Belagerung von israelischen Bulldozern entwurzelt wurden.
Warum erschießt man Schafe? Warum zerstört man Saatgut, Olivenbäume, bestellte Felder?
Die Bildersequenz erzählt mehr als viele Worte. Es ist die visuelle Darstellung der Ökologie des Krieges.
Jede Form von Leben, die den Einheimischen gehört – ob menschlich oder nicht –, wird zu einem potenziellen Feind. Eine Ressource, die weggenommen, ein Ort, der ausgebeutet, eine Erinnerung, die ausgelöscht werden soll. Die nicht menschlichen Lebensformen – die Umwelt, das Land – werden zu Mitteln für den Kolonisierungsplan in Palästina. Die Kolonisierung, der Krieg und der Widerstand in Palästina sind auch – und vor allem – ein ökologischer Konflikt.
Dieser Konflikt konkretisiert sich in der Enteignung von Land, Wasser, natürlichen Ressourcen.
Am 31. Juli 2025 griff die israelische Armee die Station für die Saatgutvermehrung des Verbands der landwirtschaftlichen Ausschüsse (UAWC, Union of Agricultural Work Committees) in Hebron an. Mit Bulldozern und schwerem Gerät zerstörte sie Lager und Infrastrukturen, in denen autochthones Saatgut, Instrumente, landwirtschaftliches Material aufbewahrt wurden.
Dieser Angriff scheint im Vergleich zu anderen weniger relevant zu sein, hat aber enorme symbolische Bedeutung: Es ist ein Angriff auf die Möglichkeit, Leben zu reproduzieren, zu regenerieren. Und er ist kein Einzelfall.
In einem Jahr Belagerung hat die israelische Armee drei Viertel des Agrarlands in Gaza zerstört. Sie hat Salzwasser in den Boden gepumpt, so dass Grundwasser verschmutzt und die Felder unfruchtbar wurden. Und sie hat tausende Olivenbäume entwurzelt, uralte Bäume, die für die Palästinenser nicht nur Einkommensquelle, sondern auch Symbol für Identität, Wurzeln und Widerstand sind – ihre Lebensgrundlage. Die Zerstörung der Olivenbäume zerstört das kollektive Gedächtnis, die Kontinuität der Generationen.
Die Auslöschung der Identität eines Volkes beginnt auch hier: mit dem Angriff auf seine Landwirtschaft. Land enteignen, Saatgut zerstören, Felder kolonisieren. Ihre Verteidigung dagegen bewahrt das Existenzrecht.
Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht
Im Jahr 2003, nach der amerikanischen Invasion im Irak, wurde die Nationale Saatgutbank in Abu Ghraib – eine weltweit einzigartige genetische Sammlung – geplündert und zerstört. Mehr als 1.400 Saatgutsorten, die sich in den Jahrtausenden an Hitze und Dürre angepasst hatten, gingen verloren. Nur wenigen irakischen Wissenschaftlern gelang es, einige zu retten, die sie Jahre zuvor an das internationale Agrarforschungszentrum ICARDA in Aleppo geschickt hatten.
Aber die materielle Zerstörung genügte nicht. Die Provisorische Koalitionsbehörde unter Leitung von Paul Bremer verkündete die „Verordnung 81“: Sie verbot den Landwirtinnen und Landwirten, ihr eigenes Saatgut zu reproduzieren, und öffnete so den Markt für die multinationalen Großkonzerne.
Mit dem Wiederaufbau der irakischen Landwirtschaft wurde Dan Amstutz beauftragt, eine ehemalige Führungskraft von Cargill, dem größten Getreideexporteur der Welt – ernannt von der Regierung Bush.
Heute beherrschen weltweit vier multinationale Unternehmen – Bayer-Monsanto, Corteva, ChemChina-Syngenta und BASF – 60 % des Saatgutmarktes und 75 % der Pestizide. Und weitere vier, die als ABCD-Gruppe bekannt sind – Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus –, kontrollieren bis zu 90 % des weltweiten Getreidehandels.
Hinter der Zerstörung von palästinensischem Saatgut, Olivenbäumen und Schafen steht also eine umfassendere Logik: die der wirtschaftlichen Beherrschung mit Abbau und Akkumulation. Die gleiche Logik, die Gaza an den Irak bindet und die Landwirtschaft an die Macht der Multis.
„Unsere Lebensmittel selbst zu machen, ist eine Form der Befreiung“. Das hat mir Lina vom Agrarökologischen Forum in Ramallah gesagt. Dieser schlichte Satz enthält alles: den Widerstand, die Sorgfalt, die Möglichkeit, sich eine Zukunft in Gerechtigkeit und Freiheit vorzustellen.
Denn das Bewahren von Saatgut ist – heute in Palästina wie anderswo – nicht nur ein landwirtschaftlicher Akt. Es ist ein politischer Akt. Ein Akt der Freiheit.
Sara Manisera ist freiberufliche Journalistin. Sie hat Reportagen für italienische und internationale Medien über Frauen, Konflikte und die Zivilgesellschaft im Nahen Osten verfasst. Hier kannst du Sara Manisera auf ihrem Blog folgen.
Mit der Kampagne AcquaPerGaza (Wasser für Gaza) kannst du nicht nur die lokale, palästinensische Reaktion auf die aktuelle Notlage unterstützen, sondern auch die außergewöhnliche Arbeit der UAWC (Union of Agricultural Work Committees), um mit ihr weiter einheimisches palästinensisches Saatgut zu schützen.
Übersetzung aus dem Italienischen von Annette Seimer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!









