Am 24. November 2024 lud die Initiative „Nie wieder Krieg – die Waffen nieder“ zu einer Aktionsberatung ein, die auf großes Interesse in der Friedensbewegung stieß. Rund 230 Aktivist:innen und Interessierte aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen kamen zusammen, um Strategien gegen die geplante Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen in Deutschland zu diskutieren. Reiner Braun, langjähriger Friedensaktivist, eröffnete die Beratung mit einem eindringlichen Beitrag, der die Dringlichkeit des Widerstands gegen die aktuelle Militarisierungspolitik unterstrich.

In seinem Einführungsbeitrag thematisierte Braun nicht nur die alarmierenden geopolitischen Entwicklungen, sondern auch die gefährlichen Folgen der geplanten Aufrüstung für Deutschland und Europa. Er appellierte an die Friedensbewegung, entschlossen und kreativ gegen die Eskalation vorzugehen und dabei neue gesellschaftliche Allianzen zu bilden. Mit klaren Vorschlägen für zukünftige Aktionen und einem Aufruf zur breiten Mobilisierung verdeutlichte er die Notwendigkeit eines starken zivilgesellschaftlichen Engagements.

Im Folgenden dokumentieren wir den vollständigen Einführungsbeitrag von Reiner Braun, der einen wichtigen Impuls für die weitere Arbeit der Friedensbewegung darstellt.

Einführungsbeitrag von Reiner Braun auf der Aktionsberatung eingeladen von der Initiative „Nie wieder Krieg – die Waffen nieder am 24.11.

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Dramatik der Situation wird uns jeden Tag erneut vor Augen geführt und die Sorgen, ja Angst steigen. Eine erneute dramatische und angstmachende Zuspitzung erfährt die Situation durch Bidens Erlaubnis gemeinsam mit der von Großbritannien, begleitet auch Frankreich an die Ukraine weitreichende Waffen einzusetzen. Die russische Reaktion mit einer neuartigen Hyperschallwaffen (im Test) unterstreicht die Dramatik und die Gefahren weiterer Eskalation.

Die Bundesregierung hat in treuem Gehorsam gegenüber den USA zugelassen und durch den Bundeskanzler ohne Kenntnis der Öffentlichkeit und des Parlaments aktiv gefördert, dass in Deutschland – und nur in Deutschland – neue Mittelstreckenwaffen stationiert werden sollen. Diese können und sollen die politischen und militärischen Zentren Russlands zerstören.

Es sind Waffen (Raketen, Hyperschallwaffen), die auch atomar bestückt werden können und unser Land zu einem vorrangigen Angriffsziel machen. Wir sagen: Die Dummheit der Geschichte darf sich nicht wiederholen! Die Ablehnung der Erstschlagwaffen muss Fahrt aufnehmen. Die bundesweite Demonstration am 3. Oktober war dafür ein gelungener und bewegender Auftakt.

Der „Berliner Appell“ gegen die Stationierung der Mittelstreckenwaffen will den Protest in die Breite der Gesellschaft tragen. Wir haben zurzeit 12.600 UnterzeichnerInnen und Unterzeichner und zunehmend interessante auch Unterstützung von Organisationen wie vom DGB Kreis Frankfurt oder der „Kooperation für den Frieden“ – lange nicht ausreichend. Die Ablehnung soll per Unterschrift online und offline verdeutlicht und manifestiert werden. Die massenhafte Unterstützung wird allein sicher nicht ausreichen, die Stationierung zu verhindern, aber sie kann ein wichtiger Beitrag sein, der Ablehnung eine starke Stimme zu verleihen. Sie kann gesellschaftliche Kräftekonstellationen zugunsten des Friedens verändern und den Friedenswillen der Bevölkerung zum Ausdruck bringen.

Der Berliner Appell ist aktive Überzeugungsarbeit, die immer mehr verbreitet werden muss. Neue Partnerinnen und Partner können gewonnen, alte Bündnisse wiederbelebt werden. Aufeinander zugehen, auch über traditionelle Grenzen hinweg, das ist die Herausforderung, um das Nein zur Stationierung zum Mehrheitswillen zu machen. Dies gilt besonders für die Gewerkschaften, die verschiedenen Religionsgemeinschaften und die Umweltverbände. Es geht aber auch um diejenigen, die sich in der Corona-Zeit für die Grundrechte eingesetzt haben, und jetzt zahlreich für den Frieden auftreten. Koalitionsvereinbarungen wie die von Thüringen und Brandenburg verbessern die Rahmenbedingungen unserer Aktivitäten.

Dafür brauchen wir sicher auch weitere Demonstrationen, mit dem Ziel die bisherigen quantitativ und auch qualitativ zu überbieten und auch – wie in den 1980er Jahren in Mutlangen – Aktionen des zivilen Ungehorsams.

Alles, was dazu beiträgt, die Stationierung bis 2026 zu verhindern, ist sinnvoll und willkommen – sei es durch Informationsstände, eine gezielte Nutzung sozialer Medien, Onlineaktivitäten, Straßenaktionen, kreative Umzüge, Sit-ins oder Die-ins, Plakatkampagnen, Ausstellungen oder Diskussionen mit Politiker:innen. Der Fantasie und Kreativität sind dabei nahezu keine Grenzen gesetzt.

Wir müssen verstärkt auf die Menschen zugehen, insbesondere auf junge Menschen, die – wie die Shell Jugendstudie zeigt – Angst vor Krieg haben. Es gilt, sie dort abzuholen, wo sie gedanklich stehen, ihre Vorbehalte offen anzusprechen und gemeinsam Wege zu finden, diese zu überwinden. Dabei sollten wir keine Scheu haben, auch mit Widersprüchen zu leben.

Dabei werden wir neue positive Erfahrungen mit vielen ähnlich denkenden Menschen machen, aber auch auf deutliche Widerstände stoßen bei denen, die die Propaganda der Regierenden und der Medien wiedergeben werden. Mit diesen konfrontiert ist argumentative Stärke aber auch Empathie gefordert, auch gegenüber Menschen, die zwar die Waffen ablehnen, aber gleichzeitig rechtsradikale Partei(en) wählen. Es geht nicht um die Frage, wie wir möglichst alle dasselbe Weltbild annehmen, sondern darum, wir „Gegenmacht“ gewinnen, es geht um die berühmte „kulturelle Hegemonie“ von Gramsci.

Gemeinsam und solidarisch werden wir das „Nein zu Mittelstreckenraketen“ angehen. Im Kontakt und Austausch können wir lernen, noch besser und aktiver zu werden und unsere Begriffsbildung weiter zu vertiefen. Die Begründung ist eindeutig: Diese Waffen taugen atomar oder konventionell zum Erstschlag, sie provozieren (auch präventiv) Gegenmaßnahmen. Wir dürfen die Gefahr nicht vergessen: (atomare) Raketen sind Magneten – Mitteleuropa würde einen Atomkrieg nicht überleben.

Wir haben die Bedeutung der Friedens- und Entspannungspolitik nicht vergessen. Wir wissen, diese Art von Waffen sollen mithelfen, die ins Wanken geratene westliche Dominanz selbst unter Inkaufnahme der Vernichtung Europas zu sichern, sie richten sich direkt gegen Russland aber in der Systemauseinandersetzung auch gegenüber China. Gerade weil die Situation in der Welt so gefährlich ist, muss jede neue Stufe der Eskalation verhindert werden und kann auch durch das aktive Handeln der Menschen verhindert werden.

Politisierung der Diskussion durch Webinare u.a. zur Geostrategie und zum Militarismus national und international, Verschiebung internationaler Kräftekonstellationen. Vielleicht nicht allein durch die Aktivitäten der deutschen Friedensbewegung, wohl aber durch eine neue weltweite Koalition der Vernunft und der Abrüstung, die die Friedenskräfte des globalen Südens ebenso wie deren Regierungen genauso einschließt, wie die internationalen sozialen Bewegungen des kapitalistischen Westens, die inklusiv agiert und Ausgrenzungen meidet. Dieser Koalition der Vernunft und der Abrüstung zum Durchbruch zu verhelfen, dazu leisten wir bei uns einen unverzichtbaren aber auch notwenigen Beitrag, indem wir eine breite soziale Bewegung gegen die neuen Mittelstreckenwaffen auf die Beine bringen. Auch hier gilt, Ausgrenzung ist schädlich. Integration der verschiedenen TeilnehmerInnen auf einer klar definierten Grundlage von wenigen Kernpunkten hingegen kann auf eine Basis für eine neue gesellschaftlich getragene Struktur hinauslaufen.

Dies schließt wertkonservative Kräfte ein, die willkommen sind, wenn sie nein zu neuen Waffen sagen. Es bleibt dabei: Faschismus ist keine Meinung, sondern immer ein Verbrechen ist, auch ein kriegerisches.

Durch uns, mit allen, die besorgt sind, und mit den vielen, die wir gewinnen werden, Nein zu sagen, können wir es schaffen, bis 2026, dem Beginn der Stationierung, diese politisch unmöglich zu machen.

In einem Satz zusammengefasst: Mittelstreckenwaffen als Glied in der Kette der Kriegsvorbereitungspolitik, aber nicht nur; Hochrüstung und Militarisierung im Visier.

Was schlagen wir vor:

  • Wir schlagen vor in zwei bundesweiten Aktionstagen für den Berliner Appell am 7. Dezember und 15. Februar 2025 (Siko) vormassiv und massenhaft für die Unterzeichnung zu werben. Was wir bisher erreicht haben, ca. 12.000 Unterschriften ist lange nicht genug, eher ein wenig zu wenig.
  • Mit dem Appell eingreifen in die Bundestagswahlen, vor Ort, Veranstaltungen mit und Kontroversen mit den Parteien und Politikern. Politisierung des Wahlkampfes, Frieden zum Thema.
  • Eine regionale Demonstration Ende März am Standort der geplanten Einsatzkommandos in Mainz-Kastell/Wiesbaden, alles große ausstrahlungskräftige Aktion und erste große am Standort
  • Bildung von örtlichen Komitees und Initiativen zur Unterstützung
  • Professionalisierung der Sammlung online und offline, Personal und Ausstattung
  • Medien und Öffentlichkeitsarbeit, Materialien und Soziale Medien, Bedeutung der Zeitung gegen den Krieg. Ein erste Materialliste findet ihr ab Ende der nächsten Woche auf der Webseite und diese Materialien werden von uns hoffentlich bald bereitgestellt werden können.
  • Entwicklung Soziale Medien und Aufbau eigener Materialien (Zeitung gegen den Krieg, Broschüre mit Fakten) Ausbau, Plakate, Banner
  • Webseite inspirierende Beispiele
  • Überall sammeln in Verbindung mit örtlichen antimilitaristischen Aktivitäten, Raketen oder Bildung! überall in die Ostermärsche und auch (Freundschaft mit Russland) 8. Mai 2025
  • Eine Bemerkung zur Kampagne: „Friedensfähig statt erstschlagfähig: Für ein Europa ohne Atomwaffen!“ Wir fühlen uns dieser solidarisch und partnerschaftlich verbunden, es gibt Absprachen und Koordinierung und nur eine Unterschriftensammlung unter den Berliner Appell: gemeinsam wollen wir die neuen Waffen verhindern.
  • Zum Nachdenken etwas visionäres Persönliches zum Schluss: Menschenkette der Verbindung; verbinden der Militärstützpunkte und Kriegsführungszentren (Ramstein, Grafenwöhr, Mainzer Kastell)

Wir können es schaffen: Durchbruch auch zu mehr: Einigkeit, Solidarität, Diskurs und offen auf die Menschen zugehen. Gerade jetzt: Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.