Ein tausend Jahre altes Postulat beschreibt die Souveränität als eine uneingeschränkte Herrschaftsausübung nach innen und außen (s. Handlexikon der Politikwissenschaft, Rowohlt, 1977, und Diderots Enzyklopädie, 1769/ Reclam jun. Leipzig,1972).

Die USA negieren die Ansprüche der Pekinger Regierung. Als Argumente werden Vereinbarungen der Inselverwaltung der USA mit dem früheren Diktator Tschiang Kai-Schek und dessen Nachfolger angeführt. Es sind Abkommen zur Militärhilfe, Beistandsabkommen und Verträge wirtschaftlicher Art. Die USA sind historischer Waffenlieferant an konservative Kräfte in China im Bürgerkrieg im 20. Jahrhundert, auch über die Gründung der Volksrepublik 1949 hinaus. Der gegenwärtige Dissens steht auch im Widerspruch zur Position der Weltgemeinschaft der UNO, die mit wenigen Ausnahmen ihre Botschaften in Peking unterhält und dafür votierte, dass die Volksrepublik ein ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrates mit Vetorecht ist (Resolution Nr. 2758). Ein positives Votum gaben auch die USA zur Rolle Pekings ab.

Seit der öffentlichen Verkündung durch Präsident Biden, dass die Volksrepublik China ein weiterer Hauptfeind der USA sei, häufen sich Besuche von Mitgliedern der US-Regierung und von befreundeten Regierungen der EU in provozierender Absicht. Das widerspricht den Regeln der Diplomatie. Solche Reisen sind mit der Zentralregierung vorher abzustimmen. Hinzu kommt, dass Flugzeugträger der USA in den Gewässern um Taiwan kreuzen.

Um die Verhältnismäßigkeit zur Gefahr eines 3. Weltkrieges abzuschätzen, ist es gut zu wissen, dass Taiwan flächenmäßig mit 36.000 Quadratkilometern nur halb so groß wie Bayern ist. Auf der Insel leben keine nationalen Minderheiten mit Autonomierechten. Sie war Fluchtort von Tschiang Kai-Schek am Ende des chinesischen Bürgerkrieges 1949. Erst 1989 durfte die Inselbevölkerung in einer demokratischen Wahl die Inselverwaltung bestimmen (Harenberg Lexikon-Verlag, 1991).

Geprägt wurde die Insel durch die lange Kolonialepoche unter Portugal (Formosa, die Schöne). Japan besetzte die Insel in kolonialer Manier von 1895 bis 1945. Nach der bedingungslosen Kapitulation des japanischen Kaiserreiches am 25.10.1945 kam Taiwan wieder unter die chinesische Souveränität und am Ende des Bürgerkrieges 1949 unter den Schutz der Verfassung der Zentralregierung von Mao Zedong. Im Interesse des Friedens suchte die Zentralregierung keine militärische Lösung für das Inselregime. Das Konzept Pekings „Ein Land, zwei Systeme“ brachte eine Kompromisslösung, ohne Festlegung von Fristen. Das wurde auch von der Schutzmacht Taiwans, den USA, akzeptiert.

Die Frage lautet, wie geht es in der Zukunft weiter?

Die Abgeordneten des chinesischen Volkskongresses (Parlament) mit seinen 8 Parteien und die Delegierten des XX. Parteitages der KP-Chinas boten den USA trotz Erklärungen der Feindschaft die außenpolitische Doktrin der „Friedlichen Koexistenz zum gegenseitigen Nutzen und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“ an.

Die Weltgemeinschaft hofft, dass Geist und Politik der Vernunft und Toleranz die weitere Zusammenarbeit bestimmen wird. Die Zentralregierung hat mit Taiwan keinen Zeitdruck. Das humane Gewissen hat schon vielfach die Welt aus kritischen Lagen geführt, beispielsweise:

  • die Anti-Hitler-Koalition zwischen den USA, der UdSSR und England beendete die Katastrophe des Holocaust und des 2. Weltkrieges
  • die UNO wurde gegründet und die Charta der universellen Menschenrechte unterzeichnet
  • die Tragödien der Kolonialzeit traten in ihre Endphasen
  • die Berlin- und Kubakrisen in den 60-ziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden friedlich beendet
  • das Abkommen für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) brachte zunächst Jahre der Entspannung
  • mehrere Abrüstungsvereinbarungen und Verbotsabkommen wurden auf diplomatischen Wegen zwischen Konfliktparteien unterzeichnet

In Richtung Taiwan besteht die Regierung in Peking auf ihr Recht der Souveränität, signalisiert aber keinen zeitlichen Druck. Anders der anhaltende ideologische Druck der G7 in Asien, Afrika und Lateinamerika, der an die Politiker die ständige Anforderung stellt, den humanen Geist der Gewaltlosigkeit aufrecht zu erhalten.

Alle Staaten der Welt haben neben der Aufrechterhaltung ihrer Souveränität die übergreifende Aufgabe, die Probleme durch die Klimaänderung zu lösen. Die diesjährige Klimakonferenz COP27 hat keine nachhaltigen Schritte gebracht. Sie erfordern tiefe Eingriffe in die Energieerzeugung, die Mobilität, die Ernährungssicherheit, den Ressourcenverbrauch, die Wasserbereitstellung – obgleich die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Welt noch nicht hergestellt ist und partielles Wachstum notwendig ist.

Die Unruhe ist tief. Wie zuletzt in Berlin fordern Millionen Menschen in verschiedenen Staaten, Wissenschaftler, Gewerkschaftler, ehemalige und aktive Politiker, Geistesschaffende und das ganze Spektrum der Bewohner ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen um die Ukraine. Menschen werden geopfert und die Naturressourcen unsinnig beschädigt. (Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, 1. und 3.4.2023).

Lektoriert von Thomas Adolphi vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!