Kontext für internationale Leser:innen: Tomás Hirsch kandidiert derzeit für seine Wiederwahl als Abgeordneter für den Wahlkreis 11 bei den chilenischen Parlamentswahlen, die für den 16. November 2025 angesetzt sind. Dieser Wahlkreis umfasst die Gemeinden (comunas) Las Condes, Lo Barnechea, La Reina, Peñalolén und Vitacura und verfügt insgesamt über sechs Sitze. Hirsch ist der einzige Vertreter der Linken in einem Wahlkreis, der traditionell von den Rechten dominiert wird. Dies ist bereits seine dritte Kandidatur für dieses Amt.

Wir sprachen mit Tomás Hirsch mitten in seinem intensiven Wahlkampf um die Wiederwahl als Abgeordneter für den Wahlkreis 11 im kommenden November

Pressenza: Könntest du die wichtigsten Projekte zusammenfassen, die du in deiner ersten Amtszeit vorangetrieben hast? Und welche waren die bedeutendsten in deiner zweiten Amtszeit?

Tomás Hirsch: Es fällt mir derzeit schwer, klar zwischen der ersten und der zweiten Amtszeit, die wir gerade abschließen, zu unterscheiden. Es gab sicherlich Unterschiede. In der ersten Amtszeit haben wir uns mit der parlamentarischen Arbeit vertraut gemacht, uns im Wahlkreis etabliert, Kontakte zu sozialen Organisationen, Umweltgruppen, Wohninitiativen, Senior:innen, Jugendlichen, Lehrer:innen usw. aufgebaut. Es war eine Zeit, in der wir diese Verbindungen knüpften und einen gemeinsamen Arbeitsplan entwickelten. Aber schon damals haben wir Projekte eingebracht, die vielleicht zum Wesenskern von Humanismus gehören: Projekte zur Vertiefung der Demokratie, zur Schaffung von mehr Raum für Bürgerbeteiligung, zur Wiederherstellung sozialer Grundrechte oder zu ihrer Stärkung dort, wo sie bereits vorhanden, aber noch schwach ausgebildet sind. Wir haben Projekte vorgelegt, um kommunale Volksabstimmungen zu fördern und zu erleichtern. In diesem Zeitraum begannen wir auch, schwerwiegende Vorfälle in unserem Wahlkreis zu untersuchen – Korruptionsfälle, in die der damalige Bürgermeister von Vitacura und der ehemalige Bürgermeister von Lo Barnechea verwickelt waren, und später auch Fälle, von denen wir in Las Condes erfuhren.

Andererseits, und das ist vielleicht das Wichtigste, war diese erste Amtszeit stark geprägt vom estallido social ( an dem wir sehr aktiv mitwirkten. Wir waren Protagonist:innen, die gemeinsam mit anderen Organisationen und Aktivist:innen unserer Bevölkerung daran teilgenommen haben. Später spielten wir eine sehr aktive Rolle bei der Anprangerung von Menschenrechtsverletzungen und waren deshalb treibende Kraft hinter der Verfassungsklage gegen den ehemaligen Präsidenten Piñera, seinen damaligen Innenminister Andrés Chadwick und andere Verantwortliche, die eindeutig an der Unterdrückung der Proteste und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren.

Eine weitere wichtige Maßnahme in dieser ersten Amtszeit war die Einsetzung und Leitung einer Sonderuntersuchungskommission zur San-Ramón-Verwerfung. Dieses Thema wird in Santiago wenig diskutiert, obwohl es im Falle eines Erdbebens eine enorme latente Bedrohung darstellt, insbesondere in den vorandinen Gebirgsausläufern und im Osten Santiagos. Dieser Graben durchzieht die gesamte Stadt von Norden nach Süden und gefährdet das Leben von rund 200.000 bis 300.000 Menschen in seiner Nähe.

Ebenfalls bereits in der ersten Amtszeit, wenn auch noch deutlicher in der zweiten, rückte der Kampf für Wohnraum in den Mittelpunkt meiner Arbeit. Ich würde sagen, diese Frage ist heute zum zentralen Thema meines Abgeordnetenbüros geworden. Wir traten der Wohnungskommission bei, priorisierten eine Vielzahl von Projekten zum Komplex Wohnen, leiteten die Kommission fast zwei Jahre lang, arbeiteten im Beirat des Notfallplans für Wohnraum und stehen in ständigem Kontakt mit Dutzenden von Wohnkomitees in unserem Wahlkreis. Insbesondere Peñalolén ist eine der Gemeinden mit den meisten organisierten Wohnkomitees in der Metropolregion und vermutlich auch im ganzen Land. Wir haben unzählige Gesetzesinitiativen eingebracht, die das Recht auf würdigen Wohnraum sichern sollen, und dabei auch verstanden, dass es hier um die Entwicklung einer menschlicheren Stadt geht. Deshalb haben wir auch Projekte im Bereich Umwelt, Verkehr und Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen gefördert – kurzum: wir haben eine große Zahl an Initiativen vorangetrieben.

Abschließend möchte ich betonen, dass wir die parlamentarische Arbeit als Aufgabe verstehen, die sich auf drei Bereichen erstreckt: Gesetzgebung – wir haben bisher rund 150 Gesetzentwürfe eingebracht; Repräsentation – wir arbeiten aktiv mit Dutzenden, vielleicht Hunderten von Organisationen im Wahlkreis zusammen; und Kontrolle – wir überwachen den Einsatz öffentlicher Mittel, insbesondere durch Gemeinden, Bürgermeister, aber auch durch verschiedene Regierungsinstitutionen und -instanzen.

Wenn du wiedergewählt wirst und nun auf deine umfassende Erfahrung zurückgreifen kannst – welche Maßnahmen möchtest du im Kongress mit stärkerem Nachdruck vorantreiben?

Ich kandidiere erneut, weil wir glauben, dass es wichtig ist, die Arbeit im Wahlkreis fortzusetzen und die Verbindungen zu den zahlreichen sozialen Organisationen, zu Frauen-, Jugend- und Seniorenverbänden, zu Umweltinitiativen und besonders zur Wohnungsbewegung zu festigen. Aus diesem Grund möchte ich in einer dritten Amtszeit die Organisation der Wohnkomitees stärken und dies darüber hinaus mit Gesetzesinitiativen begleiten, die den Wohnungsbauprogrammen Kontinuität und Tiefe verleihen, dem sozialen Wohnbau neue Optionen eröffnen sowie auch Projekte der sozialen Integration fördern.

Zweitens liegt uns in dieser dritten Amtszeit der Ausbau des U-Bahn-Netzes sehr am Herzen, insbesondere in Richtung Villa La Reina. Wir hoffen, eine Station an der Ecke zur Calle Laura Rodríguez (benannt nach der ersten humanistischen Abgeordneten weltweit) zu errichten und das U-Bahn-Netz dann in Richtung Peñalolén – ins Zentrum von Peñalolén – bis hin zur Consistorial mit der Avenida Grecia zu verlängern. Gleichzeitig mit dem Ausbau der Linie 3 wollen wir die Linie 7, die neue U-Bahn-Linie, so ausbauen, dass sie das Herz von Lo Barnechea, die Stadt Lo Barnechea selbst, erreicht. Damit reagieren wir auf nachdrückliche Forderungen dieser beiden Bezirke – die einzigen Gemeinden Santiagos, die derzeit nicht ans U-Bahnnetz angeschlossen sind.

Darüber hinaus wollen wir an einem Gesetzentwurf arbeiten, der eine bessere Anbindung der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in der östlichen Zone – unserem Bezirk – an die Voranden und Anden ermöglicht. Wir sind davon überzeugt, dass das Recht der Bürger:innen verstärkt werden muss, die Anden und die Natur genießen zu können. Und dies wiederum bedeutet auch einen besseren Schutz der Flora und Fauna in der Metropolregion.

In dieser dritten Amtszeit hoffen wir, intensiv daran arbeiten zu können, den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung für Menschen in prekären Verhältnissen in unserem Bezirk zu verbessern. Dazu soll ein Gesetzentwurf verabschiedet werden, der die vielen hier ansässigen Privatkliniken – vielleicht die besten des Landes – dazu verpflichtet, einen Prozentsatz von Patient:innen aus dem Distrikt kostenlos aufzunehmen. Dasselbe gilt für die Universitäten in unserem Distrikt. Wir halten es für sehr wichtig, sie auf angemessene Weise zu vernetzen und den Familien im Distrikt das Recht auf eine bessere Gesundheitsversorgung und Bildung zu bieten.

Dies ist nur ein Ausschnitt aus den vielen Projekten, die wir in dieser dritten Amtszeit fördern wollen. Ein weiterer Schwerpunkt bleibt der unerbittliche Kampf gegen Korruption. Es ist bedauerlich, dass es in unserem Bezirk eine alarmierend hohe Zahl an Korruptionsfällen unter Beteiligung rechtsgerichteter Bürgermeister gibt, und wir verpflichten uns, sie weiterhin zur Rechenschaft zu ziehen.

Und schließlich, über den Wahlkreis hinausblickend: Sollte – wie wir hoffen – Jeannette Jara die nächste Regierung anführen, werden wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass diese Regierung soziale Rechte stärkt und den Strukturwandel hin zu einer gerechteren, menschlicheren Gesellschaft vorantreiben wird.

Und sollte im Gegensatz die nächste Regierung von der extremen Rechten geführt werden, werden wir an der Seite der Bevölkerung stehen und diese Rechte verteidigen, damit verhindert wird, dass bereits erkämpfte Rechte wieder zurückgenommen werden.

Für den Humanismus war es sehr wichtig, dich als Referenz im chilenischen Parlament zu haben. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf deine Funktion als Abgeordneter, sondern auch auf deine Rolle als Sprecher des Humanismus – sowohl im nationalen Rahmen als auch als internationale Leitfigur über die Landesgrenzen hinaus. Inwiefern hat Dich der Humanismus in seinen verschiedenen Ausprägungen auf den verschiedenen Kontinenten in diesen Jahren inspiriert? Inwiefern hat er zu deiner Arbeit beigetragen?

Alles, was wir im Kongress tun, die gesamte Arbeit, die wir in unserem Team leisten, ist vom Humanismus inspiriert. Silo ist für uns alle in diesem Team ein Wegweiser, ein Lehrer, jemand, der uns mit seinem Leben, seiner Arbeit, seinem Beispiel, seinem Lebensstil tagtäglich inspiriert. Und das drückt sich auch in unserer Wertschätzung für das aus, was Humanist:innen weltweit voranbringen. Das Engagement von Humanist:innen für Frieden, für eine aktive Gewaltfreiheit, für die Ablehnung von Krieg, für die Verbundenheit mit ihren Gemeinschaften, für die Aufnahme derjenigen, die am meisten leiden, für Einwanderer:innen und Vertriebene ist für uns eine enorme Inspiration – und nicht nur Inspiration: Dieses Engagement gibt uns auch die Kraft zum Handeln und verstärkt unsere Anstrengung. Deshalb fühlen wir uns den Humanist:innen weltweit zutiefst verbunden und hoffen auch, zu den vielen Aktivitäten beitragen zu können, die in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten durchgeführt werden.

Gibt es noch etwas, was Humanist:innen im Einklang und in Korrespondenz mit deiner Abgeordnetentätigkeit bewirken könnten?

In einer zutiefst entmenschlichten Welt, einer Welt der Gewalt, einer Welt, in der Individualismus gefördert wird, ist das, was jeder Einzelne in Verbundenheit mit anderen tut, von großer Bedeutung. Daher ist alles, was Humanist:innen in unterschiedlichen Ländern tun, Unterstützung, Hilfe und Inspiration für uns. Dies gilt insbesondere auch, wenn konkrete Vorschläge an uns herangetragen werden, wenn wir an andere Orte eingeladen werden, um in Dialog zu treten und uns mit anderen Perspektiven auszutauschen. Und natürlich auch, wenn Menschen nach Chile kommen und uns begleiten, um zu erfahren, was wir tun, und dann die Vision dessen, was sie hier in Chile sehen, mit nach Hause nehmen. All dies bereichert das gemeinsame Projekt und stärkt die gemeinsame Arbeit. Ich war und bin auch heute fest davon überzeugt, dass unsere Arbeit gemeinschaftlich geschieht und dass sie durch ein Handeln in gegenseitiger Anerkennung beflügelt wird. Und dies scheint mir, ist die Richtung, die wir auch weiterhin einschlagen müssen.

Wir wünschen dir viel Erfolg und hoffen, dass wir wieder auf dich im Kongress zählen können! Vielen Dank!

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!