In den Mainstream-Medien wächst die Erwartung eines Zusammentreffens zwischen Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum und dem früheren US-Präsidenten Donald Trump. Beide Figuren verkörpern völlig unterschiedliche Visionen der Gegenwart. Sheinbaum, die erste weibliche Präsidentin Mexikos und selbsternannte Humanistin, genießt eine Zustimmungsrate von etwa 70 % und steht in ständiger Spannung zu ihrem nördlichen Nachbarn. Trump hingegen hat eine rechte, machohafte und diskriminierende Haltung eingenommen – ein Versuch, der Welt durch Angst und Schikane seine Vorherrschaft aufzuzwingen.

Sheinbaums Wahl stellt einen bedeutenden Fortschritt für Frauen dar, insbesondere in einem Land, das traditionell vom Machismo geprägt ist. Wer hätte sich noch vor wenigen Jahrzehnten vorstellen können, dass Mexiko – eine zutiefst patriarchalische Gesellschaft – eine Frau in das höchstes Amt des Landes wählen würde?

Ihre Präsidentschaft hat nicht nur symbolischen Charakter, sondern ist eine Erklärung neuer Werte. Am 31. Januar 2025 wurde Präsidentin Sheinbaum bei einer Pressekonferenz in Mexiko-Stadt zur historischen Bedeutung der Entscheidung befragt, das Jahr 2025 den indigenen Frauen zu widmen.

Ihre Antwort war atemberaubend in ihrer Klarheit und Eindringlichkeit. Sie brach in aller Ruhe mit der üblichen politischen Rhetorik und begann mit der Frage „Warum nicht?“. Dann fuhr sie fort:

„Indigene Frauen stehen für eine Wiedergutmachung; sie sind der Ursprung Mexikos, und wir haben sie noch nie auf die Weise anerkannt, wie wir es jetzt tun. Die Frage ist: Warum erscheint uns das ungewöhnlich?“

Auf die Frage des Reporters, ob es einen anderen Grund für die Benennung gebe, antwortete sie:

„Natürlich gibt es einen historischen Grund, einen Grund der sozialen Gerechtigkeit. Indigene Frauen wurden in der Vergangenheit am meisten diskriminiert und am wenigsten anerkannt. Und jetzt fordern wir Gerechtigkeit für alle Frauen, und wen müssen wir von Anfang an als erstes anerkennen? Indigene Frauen, die jahrelang in unserer Geschichte vergessen wurden. Das ist der Grund. Die eigentliche Frage ist also vielleicht: Warum erscheint es seltsam, dass wir das Jahr 2025 als Jahr der indigenen Frauen begehen? Es gibt keinen anderen Grund – das ist genug.“

Sheinbaums Antwort bringt das Wesentliche der laufenden Revolution in der Rolle der Frau auf den Punkt: Es geht nicht nur darum, gläserne Decken zu durchbrechen, sondern auch darum, diejenigen zu ehren, deren Stimmen seit Generationen zum Schweigen gebracht wurden. Es geht nicht nur um Macht, es geht um Anerkennung, Heilung und Gerechtigkeit.

Noch vor hundert Jahren waren Frauen auf der ganzen Welt weitgehend auf die häusliche Sphäre beschränkt und verbrachten oft Jahrzehnte ihres Lebens damit, Kinder zu gebären und aufzuziehen, und in vielen Fällen starben sie kurz nach der Menopause. In den frühen 1900er Jahren lag die Lebenserwartung von Frauen in den USA bei 48,3 Jahren (im Vergleich zu 46,3 Jahren für Männer). Bis 1950 war sie auf etwa 71 Jahre und bis 2000 auf fast 80 Jahre gestiegen. Diese Zahlen spiegeln nicht nur die Fortschritte im Gesundheitswesen wider, sondern auch eine radikale Veränderung der Lebensqualität und der Autonomie der Frauen.

Die wirkliche Revolution fand jedoch nicht in der Statistik, sondern im Alltag statt. Die Frauen begannen, das Haus zu verlassen und in das öffentliche Leben einzutreten – nicht als koordinierte Bewegung, sondern durch Millionen individueller Akte des Mutes und der Entschlossenheit. Tag für Tag taten sie Dinge, die sie am Tag zuvor noch nicht getan hatten. Sie überschritten ihre Grenzen – sie strebten nach Bildung, finanzieller Unabhängigkeit und Sichtbarkeit in allen Bereichen: im Sport, in der Unterhaltung, im akademischen Bereich, in der Wissenschaft und in der Politik. Sie öffneten Türen, die lange verschlossen waren, und weigerten sich, umzukehren.

Dieser Wandel äußert sich in den verschiedenen Kulturen unterschiedlich, folgt aber ähnlichen Mustern. Im wirtschaftlichen Bereich rühmt sich Chinas Tech-Industrie beispielsweise damit, dass 41 % der Unternehmen mindestens eine weibliche Gründerin haben – das übertrifft den Anteil in vielen westlichen Ländern. Was die Familienstrukturen anbelangt, so waren im Jahr 2023 etwa 21 % der Mütter in den Vereinigten Staaten alleinerziehendn, was die zunehmende Fähigkeit von Frauen widerspiegelt, Familien nach ihren eigenen Vorstellungen zu gründen. Im Bereich der Regierungsführung schreibt die Europäische Union nun eine paritätische Vertretung der Geschlechter in ihren Führungsgremien vor und institutionalisiert damit, was als politisches Bestreben einzelner Frauen begann.

Am aufschlussreichsten sind vielleicht die Migrationsmuster, die zeigen, dass Frauen mit den Füßen abstimmen. Wie viele Frauen sind zum Beispiel allein aus Südamerika in Städte wie New York gezogen, auf der Flucht vor dem Machismo und auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Kinder? Diese persönlichen Reisen stehen für Millionen von individuellen Bewusstseinsrevolutionen – Frauen, die beschlossen haben, dass sie mehr verdienen, als ihnen die traditionellen Strukturen bieten.

Während diese stille Revolution viele Institutionen verändert hat, sind andere weiterhin resistent gegen Veränderungen. Insbesondere religiöse Organisationen gehören oft zu den letzten Bastionen der männlichen Dominanz. Eine der größten Herausforderungen, die den neuen Papst erwarten, ist der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt und von Führungspositionen in der katholischen Kirche. Wie lässt sich im Jahr 2025 noch rechtfertigen, dass Frauen weiterhin von der vollen Teilhabe an einer der einflussreichsten religiösen Institutionen ausgeschlossen bleiben?

Wie kam es also zu diesem Wandel, zu dieser unaufhaltsamen Bewegung in Richtung Gleichberechtigung? Wichtig ist, dass sie nicht von den politischen Parteien ausging. Sowohl die Linke als auch die Rechte hinkten hinterher, wenn es um die Rechte der Frauen ging; lange Zeit versäumten es sogar die sogenannten fortschrittlichen Bewegungen, den Frauen den Respekt entgegenzubringen, den sie verdienten. Und heute arbeiten politische und religiöse Kräfte in vielen Ländern aktiv daran, diesen Fortschritt rückgängig zu machen, wie der Abbau der Abtreibungsrechte in Teilen der Vereinigten Staaten zeigt.

Was diese Revolution so außergewöhnlich macht, ist, dass sie sich von den gewaltsamen politischen Revolutionen der Vergangenheit unterscheidet. Es gab keine Erschießungskommandos, keine Gulags, keine Massenvertreibung von Gegnern. Frauen veränderten die Gesellschaft, indem sie sich selbst und ihre unmittelbare Umgebung veränderten – Schritt für Schritt, Generation für Generation – und so neue Möglichkeiten für Leben, Arbeit und Gemeinschaft schufen. Und sie taten dies ohne Panzer, ohne atomare Bedrohung, ohne Konzentrationslager, ohne Rache.

Dies ist eine Revolution des Bewusstseins – ein tiefgreifender Wandel in der Art und Weise, wie die Hälfte der Menschheit sich selbst und ihre Möglichkeiten wahrnimmt. Sie hat sich durch Präsenz, Kreativität und Beharrlichkeit und nicht durch Beherrschung entfaltet. In Führungspersönlichkeiten wie Sheinbaum sehen wir nicht nur die Früchte dieser Revolution, sondern auch ihre Fortsetzung – eine Vision von Macht, die nicht auf Angst, sondern auf Anerkennung, nicht auf Beherrschung, sondern auf Gerechtigkeit beruht. Sie gestaltet eine Zukunft – nicht nur für Frauen, sondern für die gesamte Menschheit.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anja Schlegel vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!