Das Zeugnis und die Botschaft einer Israelin

Dea ist eine italienisch-israelische Staatsbürgerin, die gerade mit ihrer Familie aus Israel geflohen ist. Sie lebt seit zwanzig Jahren in Israel. Sie möchte uns ihr Zeugnis und ihre Botschaft übermitteln.

Hier einige Passagen daraus:

Mein Name ist Dea, ich bin Künstlerin und leidenschaftliche Aktivistin für Menschenrechte und Frieden.

Ich bin seit Jahren in verschiedenen Bewegungen aktiv, die den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern fördern, unter anderem in der Frauenbewegung Women Wage Peace.

In den fast zwanzig Jahren, die ich in Israel lebe, habe ich zahlreiche Kriege, Terrorismus und Brände erlebt; wir hatten alles.

Dieser jüngste Krieg ist jedoch anders als alles, was wir bisher kannten: Es scheint ein endgültiger und apokalyptischer Krieg zu sein, was Umfang, Ausmaß und Schwere betrifft.

Ich stehe immer noch unter Schock, aber ich werde versuchen, mein Zeugnis und meine Botschaft weiterzugeben.

Am Samstag, 7. Oktober, feierten wir das Fest der Freude der Tora (Simchat Tora). Da es ein Feiertag und Schabbat war, schalteten wir alle elektronischen Geräte aus, einschließlich der Handys.

Wir wachten am Morgen durch das Geräusch von Kriegssirenen und von im ganzen Land niederregnenden, explodierenden Raketen auf.

Viele Menschen beteten und tanzten den ganzen Tag über weiter, obwohl weiterhin Raketen in Hülle und Fülle fielen.

Dann, nach weniger als einer Stunde, begannen die ohrenbetäubenden Flüge der Jagdbomber über den Köpfen, bei Tag und Nacht. Wir stürzten in einen Albtraum, eine wahre Hölle.

Aber über die Beschreibung des Schreckens des Krieges hinaus möchte ich eine Botschaft senden.

Während all dieser Jahre in Israel wurde mir zum ersten Mal klar, dass es auf internationaler Ebene nicht nur kein Interesse daran gibt, den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu beenden, sondern dass es im Gegenteil viel zu vielen Eigeninteressen auf beiden Seiten dient, ihn fortdauern zu lassen.

Dieser Bruderkrieg kommt zu vielen Menschen zupass. Sonst hätte schon längst eine diplomatische Lösung gefunden werden können: Der Krieg ist ein großes schwarzes Loch, das alles und jeden verschlingt. Und die Gewalt, der ihn anheizt, ist eine Droge, die zu Leibeigenschaft (*) führt und immer höhere Dosen verlangt. (*Leibeigenschaft: Zustand der Abhängigkeit, der Freiheitsberaubung.)

Im Laufe der Jahre habe ich beobachtet, dass Palästinenser und Israelis süchtig nach der Gewalt des Krieges sind: Nach einigen Monaten, in denen sie sich nicht gegenseitig umgebracht haben, entwickeln sie auf beiden Seiten massive Entzugserscheinungen. Das wird zu einem kollektiven Muster, wie bei einem Sprung in einer Schallplatte, sodass die Menschen es fast zwanghaft wieder und wieder tun müssen, jedes Mal mit größerer Intensität. Es ist die Spirale menschlicher Gewalt und Kriege.

In diesen tragischen Stunden, in denen eine beispiellose Vernichtung von Menschenleben stattfindet, ist es wirklich ein unerträgliches und erschütterndes Schauspiel zu sehen, wie Verschwörungstheoretiker, die glauben, alles über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu wissen und die Tausende von Kilometern voneinander entfernt leben, miteinander darum konkurrieren, die irrsinnigsten antisemitischen Theorien überhaupt aufzustellen.

Genau diesen Menschen möchte ich sagen: Euer Hass auf die eine oder andere Seite gießt nur Öl ins Feuer.

Jedes Mal, wenn wir „voreingenommen“ sind, jedes Mal, wenn wir uns auf die Seite einer der beiden Fraktionen stellen, tragen wir zu dem Konflikt bei, der die eine gegen die andere in dualistischer Weise ausspielt; d.h. wir tragen so mit dazu bei, den Hass zu schüren, der diesen schrecklichen Krieg hervorgebracht hat.

Auf der anderen Seite ist Krieg die letzte Stufe des menschlichen Hasses, aber er beginnt viel früher.

Die Kriegsdrohung beginnt in der Familie, in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen: Mit jedem zwischenmenschlichem Streit, mit jeder Spaltung, mit jedem inneren Kampf, jedem persönliche Hass, jedem Hass auf eine Gruppe, auf eine menschliche Gattung beginnt der Krieg.

Wenn der Krieg dann ausbricht, ist es zu spät.

Die Flamme des Hasses muss vorher gelöscht werden, sobald sie sich das erste Mal zeigt. Hier ist mein Aufruf:

Wenn wir denn etwas tun wollen, um sie auszulöschen, genügt es nicht zu beten: jeder von uns gehe heute hin und schließe Frieden mit dem Mitglied seiner Familie, mit dem er im Streit steht, mit dem Freund, mit dem er nicht mehr spricht, mit dem Nachbarn, gegen den er jahrelang gekämpft hat.

Nur diese Art zu Handeln kann das häufige Vorhandensein von Hass abwenden.

Nur wenn wir harmonische Beziehungen pflegen, können wir verhindern, dass der Hass, der den Krieg schürt, noch verstärkt wird.

Wenn mich die Leute fragen: Auf wessen Seite stehst du? Auf der Seite Israels oder Palästinas?

Antworte ich, dass ich auf der Seite des Friedens stehe, das heißt auf der Seite der Juden und der Muslime, die alle Kinder des Patriarchen Abraham sind. Ich bin auf der Seite des Lebens und der Harmonie zwischen den Menschen.

Krieg ist ein unendlicher Horror für alle. Es gibt keine Gewinner in einem Krieg, es gibt nur Verlierer und dies auf verschiedenen Ebenen.

Wir sind alle besiegt, die ganze Menschheit ist besiegt.

Abschließend möchte ich die schöne Botschaft einer sehr lieben palästinensischen Freundin mit Ihnen teilen, die ich heute erhalten habe.

Vielleicht gibt sie Ihnen eine Vorstellung von den tiefen Banden, die im Laufe der Jahre zwischen so vielen israelischen und palästinensischen Frauen wie uns geknüpft wurden.

Botschaft einer palästinensischen „Schwester“

„Danke, Schwester, danke, ich bin auch untröstlich. So viel Weinen, so viel Schmerz auf beiden Seiten. Wir hätten uns nicht vorstellen können, was am Samstag passiert ist, aber wir wissen auch nicht, wo wir enden werden… Menschen getötet, Babys, trauernde Familien, mein Herz ist gebrochen… Ich kann nicht aufhören zu weinen. Ich hatte Träume, so viele Träume von Frieden und Nähe… wo ist die Menschlichkeit geblieben? Was ist aus der Menschheit geworden? Ich habe keine Worte, es gibt keine Worte. Du bist meine liebe Schwester, sehr teuer in meinem Herzen, Dea, ich liebe dich sehr, habibi [Anmerkung des Übersetzers: Habibi ist ein arabisches Wort, das mit „mein Liebling“ übersetzt werden kann], ich liebe dich sehr. “

Dea

Temporäres Plakat für den Film Gli strati del muro. Bildnachweis: Dea

Dea arbeitet auch als Künstlerin und in unterschiedlichen Ausdrucksformen, einschließlich des experimentellen Kinos, als Regisseurin und Drehbuchautorin.

Gli strati del muro (übersetzt: Die Schichten in der Wand) ist eines ihrer aktuellen Projekte. Ein Film über den israelisch-palästinensischen Konflikt, für den sich Dea um eine Finanzierung bemüht.

In diesem Filmprojekt verwendet Dea eine neue filmische Sprache, die sie als Quantenkino theoretisch ausgearbeitet und definiert hat, welches die Ereignisse in einer vereinheitlichten Sichtweise zeigt, die unsere übliche lineare und einfach gerichtete Wahrnehmung von Zeit bricht und ersetzt.

Auf diese Weise hofft die Künstlerin, dem Betrachter die Ursachen bewusst machen zu können, die dem israelisch-palästinensischen Konflikt und seinem bis in die heutige Zeit Andauern zu Grunde liegen.

Der vollständige Artikel: https://www.deaofficial.com/2023/10/15/in-guerra-non-ci-sono-vincitori
Offizielle Website von DEA: https://www.deaofficial.com

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!