Etwa 4.000 Menschen waren am Samstag zu einer Friedensdemonstration nach Berlin gekommen. Gemeinsam war die Sorge um eine Eskalation des Krieges in der Ukraine, die Ablehnung der angeblich alternativlosen militärischen Konfliktlösungsstrategien sowie die entschiedene Absage an all das, was uns eine Große Koalition aus Regierung und Opposition im Deutschen Bundestag als zwingende „Zeitenwende“ verkaufen möchte.

von Jochen Gester

Die Zahl der Demonstrierenden steht leider in keinem Verhältnis zur aktuellen Dynamik militärischer Aufrüstung und der damit verbundenen Friedensbedrohung, die auch eine Torpedierung des Kampfes gegen den Klimawandel ist und alle sozialen und ökologischen Aufgaben nieder zu walzen droht. Das muss einem Sorge machen. Sicher gibt es viele Gründe, auch gut nachvollziehbare, warum Menschen sich durch diese Aktion der Friedensbewegung nicht angesprochen gefühlt haben. Zumindest in Berlin waren sichtbare Demoankündigungen im öffentlichen Raum kaum vorhanden. Keine Plakate, keine Werbespots in der BVG usw. So unterblieb der übliche „Berlin-Faktor“. Süddeutschland hatte eigene Demoschwerpunkte zur gleichen Zeit.

Das Fernbleiben vieler führte auch zu einer gewissen optischen Dominanz der Demoteilnehmer:innen aus der sozialistischen Linken, insbesondere ihres kommunistisch orientierten Flügels, die über ihr wirkliches politisches Gewicht hinausgeht. Doch kann man den Organisator:innen der Demo nicht den Vorwurf machen, sie hätten die politische Breite nicht gesucht. So nahmen über die traditionellen Friedensorganisationen hinaus Vertreter:innen eines breiten politischen Spektrums teil: u.a. Völkerechtler:innen von Ialana, Ärzt:innen gegen den Atomkrieg (IPPNW), Naturwissenschaftler:innen von NatWiss, Aktivist:innen von ICAN, VVN, ATTAC, Omas gegen Rechts, Gewerkschafter der IG Metall, von GEW, ver.di und der IG IGBAU.

So hatten z.B. die Initiator:innen von „DER APPELL“ zur Demo aufgerufen. Hier hatten sich ja bekanntlich Leute an einen Tisch gesetzt und auf einen Aufruf verständigt, die z.B. in Bezug auf Fragen wie dem Anteil der NATO am Zustandekommen des Krieges, von Waffenlieferungen an die Ukraine und Wirtschaftssanktionen gegen Russland verschiedener Meinung sind. Es gab auf der Demo nicht eine Weltsicht, sondern durchaus Vielstimmigkeit, die auch unterschiedliche Weltsichten und Lösungsvorstellungen widerspiegelt. Das verrät auch ein Blick auf die eingeplanten Redner:innen [1].

Natürlich verfehlen die täglichen Bilder der von der russischen Armee angerichteten Zerstörungen nicht ihre Wirkung. Und der mediale Mainstream versucht dabei den Eindruck zu erwecken, so etwas brächten nur Autokraten vom Schlage Putins zustande, die „westlichen Werte“ und ihre Repräsentanten ließen im eigenen Machtbereich so etwas nicht zu. Zugespitzter Ausdruck des Aufeinandertreffens divergierenden Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen der vom Krieg direkt und indirekt Betroffenen war die Begegnung der Demonstration mit einer Gruppe von Ukrainer:innen Unter den Linden, die dort vor der russischen Botschaft ständige Protestkundgebungen durchführen. Sie skandierten „Schwere Waffen für die Ukraine“ und „Der Friede muss bewaffnet sein“. Aus der Demo schallte ihnen entgegen: „Frieden schaffen ohne Waffen“.

Hoffnung weckend waren die Beiträge eines Vertreters der italienischen Basisgewerkschaften (USB) und einer Sprecherin griechischer Gewerkschafter:innen beim chinesischen Hafenbetreiber COSCO, die erfolgreiche Aktionen gegen den Transport von Kriegsgütern an die Ostfront organisiert haben. Beide machten deutlich, dass hier ein imperialistischer Krieg ausgefochten wird, der es verbietet, für eine der beiden aufeinander schießenden Seiten Partei zu ergreifen. Mehr zum Thema hier:

Der Krieg ist ein ständiger Begleiter der Menschheit. Die Ergebnisse sind bekannt. Doch jede Generation muss sich diese wieder aneignen. Immer wieder erneut muss begriffen werden, dass Sicherheit vor Bedrohungen zwischen Staaten nur zu haben ist, wenn alle Seiten mitbedacht werden. Nicht nur der Versuch, Konflikte durch Krieg zu lösen ist ein Verbrechen, auch die Vorbereitung und Aufrüstung gehören dazu. Frieden geht nur über Abrüstung. Und es waren immer die Leidtragenden und nicht seine Profiteure, die Kriege beendet haben. Sie haben es in Hand. Niemand wird ihnen diese Aufgabe abnehmen. Daran erinnerte diese auf der Demo abgespielte Tonaufnahme einer Rede von Kurt Tucholsky. Sie geht unter die Haut.