Was oft behauptet wird, wird nicht wahrer: Sojakonsum zur Ernährung in Europa hat mit Brandrodung nichts zu tun.

Daniela Gschweng für die Online-Zeitung INFOsperber

Viele Vegetarier, Veganer und auch einige informierte Zeitgenossen verdrehen die Augen, wenn es heisst: «Aber für deine Sojamilch wird doch Regenwald verbrannt!». Der Mythos hält sich hartnäckig. Wer Tofu isst und Sojamilch trinkt, ist demnach am Abholzen des Regenwaldes mitschuldig. Das ist falsch.

Die Behauptung, die immer wieder irgendwo auftaucht, ist ein Fehlschluss aus zwei bekannten Tatsachen. Die eine: In tropischen Ländern wird viel Regenwald abgeholzt, um auf dem gerodeten Land Sojabohnen anbauen zu können. Die andere: Tofu und Sojamilch werden aus Sojabohnen hergestellt. Beides ist richtig, aber die Schlussfolgerung nicht. Das liegt an zwei Dingen: den Mengenverhältnissen und der Qualität.

Menge: Soja aus Brasilien geht hauptsächlich in die Tiermast

Vor allem in Südamerika werden riesige Urwaldgebiete gerodet, um darauf Sojaplantagen anzulegen. Das stimmt. Sojamehl oder -schrot werden dann hauptsächlich nach Europa und in die USA exportiert. Der allergrösste Teil davon wird als Proteinfutter für Tiere gebraucht. Ein kleiner Teil der Ernte wird zu Sojaöl verarbeitet, das in Nahrungsmitteln und Kosmetika wieder auftauchen kann. Die Mengen- und Marktverhältnisse hat Infosperber im Artikel «So viel verbrannter Regenwald steckt im Steak» dargelegt.

Nur ein bis zwei Prozent der weltweiten Sojaproduktion wird von Menschen direkt verzehrt, kaum etwas davon stammt aus Südamerika. Das liegt neben dem viel grösseren Bedarf der Nutztierhaltung auch an der Pflanze selbst. Soja ist empfindlich, vor allem gegen Schädlingsbefall. Ein Problem, das sich in grossen Monokulturen noch verstärkt. Sojapflanzungen werden deshalb oft mit Pestiziden behandelt und es macht die Pflanze interessant für gentechnische Manipulationen.

Qualität: in Europa vorzugsweise «bio»

Konsumenten und Konsumentinnen in Europa möchten nur ungern Gentechnik auf dem Teller haben. Soja-Lebensmittel haben deshalb in der Regel ein Bio-Siegel. Aus Argentinien, Brasilien und Paraguay, die grosse Mengen produzieren, kommt aber kaum Soja in Bio-Qualität. Deshalb verwenden europäische Hersteller vor allem einheimische Ware.

Das deutsche Nachhaltigkeitsportal «Utopia» hat im Januar Hersteller und Händler von Tofu und Sojamilchgetränken von «Aldi» bis «Tukan» nach der Herkunft ihrer Sojabohnen gefragt. Keine einzige der Handelsketten «Aldi», «Lidl», «Edeka», «dm», «Kaufland», «Rewe» und «Rossmann» verwendet demnach Sojabohnen, die ausserhalb Europas gewachsen sind. Von den gängigen Marken gibt nur «Alpro» an, auch Sojabohnen aus Kanada zu verwenden. «Provamel» wollte zur Kennzeichnung «EU/Nicht-EU-Landwirtschaft» auf dem «Sojadrink ohne Zucker» keine Angaben machen.

Herkunft: Aus der Schweiz und Europa

«Swissveg», das 2015 Schweizer Händler und Produzenten befragt hat, kommt zum gleichen Schluss. Die Grossverteiler Coop und Migros verwenden hauptsächlich Speisesoja aus der noch kleinen Schweizer Sojaproduktion oder sonst aus Europa. In einigen Produkten der Migros steckte auch Bio-Soja aus China, was sich mittlerweile geändert hat. «Soyana» und «Engel» bezogen die Bohnen hauptsächlich aus Italien.

Der Regenwald leidet trotzdem

Was aber stimmt: Konsumentinnen und Konsumenten in europäischen Ländern vernichten durch ihren Konsum ständig Wälder in anderen Ländern, vor allem durch den Verbrauch von Holz, Kaffee und Palmöl. Nach einer Studie, die im März in «Nature Ecology & Evolution» erschienen ist, vernichtete so jeder Einwohner eines G7-Landes zwischen 2001 und 2015 in jedem Jahr vier Bäume.