Die internationale Transition-Bewegung unterstützt Kommunen in ihrem Bemühen, Abhängigkeiten zu verringern und ökologisch und ökonomisch auf eigenen Beinen zu stehen.

Von Bobby Langer

Eine Grundannahme von Freiheit besteht darin, unnötige Abhängigkeiten durch autonomes Handeln zu ersetzen. Eine grundlegende Wahrnehmung von Jugendlichen ist ihre Abhängigkeit vom Elternhaus. Also streben sie nach Selbstbestimmung, einer selbst gesuchten Partnerschaft und nach finanzieller Unabhängigkeit.

Die meisten Kommunen sind mit Jugendlichen vergleichbar. Allerdings erschöpft sich ihre Abhängigkeit nicht mit einem Elternhaus; die Abhängigkeiten (siehe unten) sind zahlreich. Die Transition-Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen in Städten und Gemeinden diese Abhängigkeiten aufzuzeigen und diese Menschen dazu anzuregen, gemeinsam in ihrem Umfeld aktiv zu werden, um durch aktive Gruppenprojekte im Laufe der Zeit so weit wie möglich stärker autonom zu werden. Man kann sie deshalb auch als regionale Unabhängigkeitsbewegung charakterisieren. Auslöser war im Jahr 2007 die Erkenntnis, dass der Großteil der kommunalen Energieversorgung auf fossilen Rohstoffquellen beruhte – was die Kommunen energetisch ausgesprochen abhängig, also auch verwundbar machte.

Kommunale Abhängigkeiten

Importabhängigkeit: Kommunen beziehen viele Güter des täglichen Bedarfs – von Lebensmitteln über Medikamente bis zu Elektronik – aus globalen Lieferketten, auf die sie keinen Einfluss haben.

Verwundbarkeit: Unterbrechungen (z. B. durch Pandemien, Kriege, Hafenstreiks) führen schnell zu bedrohlichen Engpässen bei Supermärkten, Apotheken oder im Bauwesen.

Preisabhängigkeit: Globale Märkte bestimmen die Kosten lokaler Versorgung, z. B. durch Schwankungen bei Getreide- oder Stahlpreisen.

Energieabhängigkeit: Öl, Gas und Kohle stammen oft aus weit entfernten Regionen; Windräder, Solarmodule oder Batteriespeicher benötigen Rohstoffe aus dem weltweiten Handel. Und die lokalen Strom- und Heizkosten hängen unmittelbar an internationalen Börsenkursen.

Rohstoffabhängigkeit: Spezialstoffe wie Kupfer, Aluminium, Stahl, Glasfasern sowie Halbleiter oder Netzwerktechnik stammen aus global vernetzten Unternehmen mit ihren Produktions- und Lieferketten.

Nahrungsmittelabhängigkeit: Änderungen und Krisen bei Lieferketten und schwankende Weltmarktpreise für Nahrungsmittel wie Getreide, Reis, Kaffee, Obst oder Futtermittel schlagen bis auf die kommunalen Märkte durch.

Medizinische Abhängigkeit: Kommunale Kliniken und Apotheken sind von der Versorgung durch die internationale Pharmaindustrie und die Medizintechnik stark abhängig.

Dass diese Abhängigkeiten nicht schnell und schon gar nicht umfassend auf lokaler oder regionaler Ebene zu entschärfen sind, versteht sich auch für eine Transition Town von selbst. Vielmehr geht es zunächst darum, das Bewusstsein für diese „kommunale Abhängigkeitssituation“ zu schärfen und gemeinsam zu überlegen, welche Möglichkeiten sich in der eigenen Kommune mit welchen Interessenten unter den gegebenen Umständen Schritt für Schritt umsetzen lassen. Letztlich geht es um die Frage: Wie lassen sich in konstruktiven, positiven Prozessen neue Wege hin zu einer zukunftsfähigen Lebensweise finden und verfolgen?

Bisher Erreichtes

Da sich Menschen, Themenschwerpunkte und Möglichkeiten von Kommune zu Kommune (und auch die gegenseitige Kommunikation) stark unterscheiden, entspricht kaum eine Transition-Town-Gruppe der anderen. Auch die selbst gefundenen Namen sind sehr unterschiedlich. Deshalb gibt es nur Schätzungen über die Zahl der „Transition-Towns“-Initiativen im deutschsprachigen Raum. Für Deutschland[1] liegen die Schätzungen zwischen 80 und 150, für Österreich[2] gibt es unter anderem Transition Tirol – Innsbruck im Wandel, Transition Vöcklabruck, Transition Town Friesach – Friesach im Wandel, Transition Oststeiermark, Transition Graz, Wandeltreppe Vorarlberg, Vienna Transition Base sowie Verantwortung Erde, Kärnten. Für die Schweiz waren keine Zahlen zu finden.

Transition-Projekt in Fürth/Bayern: Bürger*innen gestalten mit magnetischen Elementen ihre Straße vor Ort und kommen ins Gespräch. (Bild: Kerstin Seeger)

Ein Kernelement der Transition-Bewegung sind die sogenannten Transition Towns, deren Zahl momentan auf über 450 Gemeinden und Städte weltweit geschätzt wird. Die Idee der „Transition Town“ – einer Stadt also, die ein Bewusstsein für kommunale Resilienz aufbaut und ihre Strukturen entsprechend anpasst – kam vom englischen Permakulturisten Rob Hopkins. Zusammen mit Studierenden aus Kinsale, Irland, entwarf er einen Maßnahmenplan für die Reduzierung des Energieverbrauchs von Kinsale. Zurück in England führte die Weiterentwicklung 2006 in der Stadt Totnes zur ersten „Transition Town“.

Unabhängig vom Resilienz-Zustand einer Kommune können sich überall Transition-Town-Initiativen gründen. Diese Initiativen sind inspiriert von einem Leitspruch: „Einfach. Jetzt. Machen.“ Die Transition-Bewegung hat dafür im Laufe der Jahre zahlreiche Methoden und Hilfsmittel entwickelt, die sich auf den jeweiligen Transition-Seiten finden. Weitere Anregungen finden sich beim britischen Transition Research Network.[3]

Wandel mit Kopf, Herz und Hand

Doch mit der Betrachtung der äußeren Wirklichkeit ist es nicht getan. Ein zentrales Element der Transition-Bewegung ist der innere Wandel, da ohne ein Umdenken und eine Bewusstseinsänderung bei den Menschen auch kein erfolgreicher äußerer, nachhaltiger und gerechter Kulturwandel zu einer lebensbejahenden Gesellschaft vorstellbar ist. Den eigenen ganzheitlichen Veränderungsansatz beschreibt Transition mit dem Bild „Kopf, Herz und Hand“. In ihm verbinden sich kognitives Wissen (Kopf), emotionale Beteiligung (Herz) und praktisches Handeln (Hand), um einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und einem besseren Umgang mit Mensch und Erde zu erreichen.

Frank Braun, im Vorstand von Transition-Initiativen.org, einem Netzwerk, das die Transition Towns in Deutschland begleitet, fasst die Vorgehensweise von Transition in wenigen Worten zusammen.

Es gilt, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam konkrete Lösungen zu gestalten, positiv und mit guten Beispielen. Wir sind überzeugt: Wohlstand für alle ist möglich. Aber eben anders:

  • mit Kooperation statt mit Konkurrenz
  • mit global lernenden Netzwerken
  • statt besitzen zu wollen, gemeinsam nutzen

Wir sind inklusiv und freuen uns über alle, die mitmachen. Wir sind nicht gegen etwas, sondern für etwas. Unser Motto: „Einfach jetzt machen.“

Zum Weiterlesen

Tiefere Hintergründe zum Verständnis der Transition-Bewegung liefern das Buch von Rob Hopkins:

  • Jetzt. Machen! Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen (ISBN: 978-3-86581-458-6)

und unter anderem folgende drei (kostenlose) Schriften:

  • Auf Kosten anderer? Wie die imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert[4]
  • Zukunft für alle. Eine Vision für 2048: gerecht. ökologisch. machbar.[5]
  • Transition Towns in Österreich. Untersuchung über die Umsetzung des Konzepts, Erfolge und Schwierigkeiten (Masterarbeit)[6]

Transition international: www.transitionnetwork.org/de

Die genannten Fakten wurden mit dem Koordinierungskreis von Transition-initiativen.org inhaltlich abgestimmt.


[1] www.transition-initiativen.org
[2] www.transition.at
[3] www.transitionsnetwork.org
[4] www.oekom.de/9783960060253
[5] www.zukunftfueralle.jetzt/wp-content/uploads/2020/11/ZFA_Buch_digital_v2.pdf
[6] https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/2581390