Eine Kunst- und Mahnaktion zum Internationalen Tag der Kinderrechte am Brandenburger Tor

Am 20. November, dem Internationalen Tag der Kinderrechte, verwandelten die Friedens- und Menschenrechtsaktivist:innen Ute Bella Donner und Roland Herzig den Pariser Platz in eine farbenfrohe, stille Bühne des Protests. Mit bemalten Rettungsschirmen, einem mobilen Minikino und Mitmachaktionen machten sie auf das Leid von Kindern in Kriegen aufmerksam – und auf die Verantwortung der Erwachsenen, diese Kinderrechte zu schützen.

Trotz des kalten Wetters herrschte eine warme und sehr menschliche Stimmung. Passant:innen blieben stehen, schrieben Botschaften auf weiße Bänder, betrachteten die Schirm-Installationen und fragten nach. Vor der US-Botschaft – dem einzigen UN-Mitgliedsstaat, der die UN-Kinderrechtskonvention noch immer nicht ratifiziert hat – erhielt die Aktion zusätzliche Schärfe.

Die Initiatoren nennen sich künftig „DonnerHerzig“ – eine Verbindung ihrer beiden Nachnamen und ein Statement für eine Arbeit, die künstlerisch, politisch und zutiefst menschlich zugleich ist.

Die beiden Künstler-Aktivist:innen erzählen offen und sehr persönlich, was sie antreibt und warum ihre wöchentlichen Aktionen nun in veränderter, eigener Form weitergehen.

Ute Bella Donner: Heute ist der Internationale Tag für Kinderrechte. Wir haben uns überlegt, hier am Pariser Platz eine besondere Aktion zu machen. Denn Kinder sind in jedem Krieg diejenigen, die am meisten leiden. Sie sind unschuldig, sie können nichts für die Machenschaften der Erwachsenen – egal aus welchem Land. Im Krieg trifft es sie immer am stärksten.

Kinder haben nicht nur Pflichten, sie haben auch Rechte. Und für diese Rechte stehen wir hier ein. In unserem Land ist die Lage zwar besser als in vielen anderen, doch auch bei uns gibt es Kinderarmut und sogar Straßenkinder. Für so vieles ist Geld da – aber nicht für Kinder. Für Aufrüstung ist Geld da, um „kriegstüchtig“ zu werden, heißt es. Für Kinder fehlt es.

Uns geht es um die Kinderrechte weltweit. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es zum Beispiel völlig inakzeptabel ist, dass es noch immer Kindersoldaten gibt. So etwas darf es nicht geben. Wir stehen hier, um auf Missstände hinzuweisen, die Kinder besonders betreffen: Kinderarmut, Kindersoldaten, Vernachlässigung, der Schutz vor sexuellem Missbrauch – auch durch kirchliche Institutionen. Kinder müssen besonders geschützt werden, vor allem auch geflüchtete Kinder und Kinder mit Behinderung. Es gibt so viele Artikel und so viele Rechte, auf die wir aufmerksam machen – und die wir hier ausgelegt haben.

Wir haben außerdem Kinderzeichnungen und Handabdrücke aus Kitas dabei – sogar aus einer Kita in Bayern, „Kleine Hände, große Taten“. Auch aus Friedrichshain haben sich zwei Kitas beteiligt. Für Mitmachaktionen gibt es weiße Bänder, auf die Friedenswünsche oder Botschaften für Kinderrechte geschrieben werden können. Und wir haben viele, viele Rettungsschirme für Kinder.

Es mangelt an Geld für Kinder, es mangelt überhaupt an Geld für Soziales, Krankenhäuser. Der Mensch spielt oft keine Rolle mehr, es geht ums Geld. Geld steht im Mittelpunkt. Aber wir sagen: Es geht um mehr. Das steht auch auf einem der Schirme: „Es geht um mehr als um dieses bekloppte Geld.“ Es geht um die Menschheit. Es geht um die Zukunft der Kinder. Wir Älteren haben unser Leben gelebt. Ich hatte eine schöne Kindheit – und ich möchte, dass meine Kinder und Enkelkinder das auch haben. Und nicht nur meine. Dafür stehen wir hier.

Roland Herzig: Wir waren das ganze Jahr mit unseren Bollerwagen unterwegs – sie sind inzwischen unser Markenzeichen. Als einmal jemand einen Beamer dabeihatte, schlug ich vor, eine Teichfolie als Tunnel zu nutzen und die Bilder hinein zu projizieren. So brauchen wir keine Dunkelheit mehr und sind nicht auf den Winter angewiesen. Mit etwas Abdunklung und einer Plane wurde daraus ein kleines Minikino. Ute hat außen unter anderem Mutter Teresa und Bertolt Brecht aufgemalt – wobei wir später merkten, dass das Bild eigentlich Mutter Courage zeigt. So ergab sich plötzlich eine Verbindung zu Brecht. Die Innenausstattung hat uns eine liebe Freundin gebastelt.

Meine „Waffe“ ist die Gewaltfreiheit. Wenn ich sehe, was Kindern weltweit angetan wird – wie sie missbraucht werden und wie manche Politiker daraus noch politisches Kapital schlagen –, dann kocht in mir die Wut. Doch gerade deshalb bleibe ich bei meiner Haltung: Gewaltfreiheit ist und bleibt mein Weg.

Wir haben hier viele Persönlichkeiten auf dem Wagen: Mutter Teresa, Bertolt Brecht und auch Berthold Jacob. Jacob wurde zweimal von NS-Agenten entführt – zuerst 1935 aus der Schweiz, dann während seines Exils in Lissabon. Danach wurde er nach Deutschland verschleppt, in Gestapo-Haft gefoltert und starb am 26. Februar 1944 im Jüdischen Krankenhaus Berlin.

Und dann gibt es Frauen wie die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee. Sie führte während des Bürgerkriegs eine gewaltfreie Frauenbewegung an und drohte bei stockenden Friedensverhandlungen, sich öffentlich auszuziehen – ein Tabubruch, der in ihrer Kultur als eine der stärksten Formen des Protests gilt. Menschen wie sie, die mit so viel Mut für Gewaltfreiheit eintreten, geben mir unglaublich viel.

Heute ist der Internationale Tag der Kinderrechte – nicht zu verwechseln mit dem Weltkindertag, der hier groß gefeiert wurde. Wir haben große Organisationen angeschrieben, auch das Kinderhilfswerk. Ich habe sogar mit ihnen telefoniert wegen Flyern. Am Telefon gab es Applaus und nette Worte – eingeladen haben sie uns jedoch nicht.

In den letzten Tagen standen wir in Kontakt mit KARUNA, einem Berliner Verein, der sich für Straßenkinder und sozial benachteiligte junge Menschen engagiert. Außerdem weisen wir heute auf die Neven-Subotić-Stiftung – inzwischen well:fair Foundation – hin, die in Ostafrika Wasser- und Sanitärprojekte realisiert.

Und heute stehen wir vor der US-Botschaft. Die UN-Kinderrechtskonvention wurde von 196 Staaten ratifiziert – alle bis auf die Vereinigten Staaten. In den USA können Minderjährige in Einzelfällen zu lebenslangen Haftstrafen ohne Chance auf Entlassung verurteilt werden – eine Praxis, die international stark kritisiert wird. Diese Tatsachen belasten mich sehr.

Jetzt, wo Weihnachten vor der Tür steht, spenden viele Menschen. Manche tun es vielleicht aus schlechtem Gewissen, andere wissen einfach nicht, was sie sonst tun können. Ich würde den Menschen sagen: Tut etwas! Geht raus, seid sichtbar. Das war unser Anspruch: Menschen zu motivieren, selbst aktiv zu werden, im kleinsten Dorf auf die Straße zu gehen und für Gewaltfreiheit, Frieden und Menschenrechte einzustehen. Das ist mein Wunsch: dass überall Menschen aufstehen, weil Kinderrechte und Menschenrechte nicht einfach untergehen dürfen.

So viele Kinder in Gaza: „I need food.“ Aber es geht nicht nur ums Essen. Es geht darum, dass Schulen zerstört werden, dass alles zerstört wird. Es ist ein schrecklicher Kreislauf, und die Schwächsten leiden darunter.

Utte Bella Donner und Roland Herzig (Bild von Reto Thumiger für Pressenza)

Utte Bella Donner und Roland Herzig (Bild von Reto Thumiger für Pressenza)

Ute Bella Donner: Ich bin Friedensaktivistin und Künstlerin. Ich mache Menschenrettungsschirme. Die Idee entstand 2011, als die Acampada-Bewegung aus Spanien nach Berlin kam. Wir haben das auf dem Alexanderplatz aufgegriffen – daraus wurde die Berliner Occupy-Bewegung. Heute spricht jeder von Occupy Wall Street, aber der Ursprung war Acampada in Spanien. Viele Spanier kamen damals nach Berlin und haben ihre Erfahrungen geteilt.

Als die Zelte auf dem Alexanderplatz geräumt wurden, dachte ich: Wenn die Zelte weg sind, nehmen wir eben Schirme. Ein Schirm ist ja ähnlich wie ein Zelt – er schützt. Auf den ersten Schirm habe ich „Yes, we camp“ geschrieben. Dann wurden es immer mehr Schirme. Und wir sagten: Wir brauchen keine Bankenrettungsschirme – wir brauchen Menschenrettungsschirme.

Dann stand ich vor dem Roten Rathaus mit Aktivisten der Occupy-Bewegung. Mit Passanten haben wir Schirme bemalt, daraus Türme gebaut, große Peace-Zeichen als Installationen geschaffen. Die ersten Schirme waren für Geflüchtete. Dann kamen Geflüchtete aus Bayern nach Berlin, hier ans Brandenburger Tor in den Hungerstreik – genau hier, wo wir jetzt stehen. Ich habe ihnen Schirme gebracht; sie haben darunter gelegen. Nicht nur als Kunstinstallation, sondern als echter Schutz vor Wind, Wetter und den Blicken der Passanten.

Seit 2011 mache ich das. Eine Zeit lang war ich immer vor dem Roten Rathaus. Im letzten Jahr gab es eine Menschenkette zwischen der russischen und der amerikanischen Botschaft – als „Botschafter für Frieden“. Dort habe ich Schirme aufgestellt und Roland Herzig kennengelernt. Seitdem arbeiten wir gemeinsam weiter – als „Freunde für Frieden“. Jeden Freitag gestalten wir hier am Pariser Platz Kunstaktionen für Menschenrechte, Gewaltlosigkeit und Frieden.

Roland hat die Sache weiterentwickelt: Er hat Halterungen gebaut, mit denen zwei Schirme verbunden werden können, sodass sie sich im Wind drehen – viel stabiler als vorher. Wir kannten uns übrigens schon aus der Free-Assange-Bewegung, damals noch ohne direkten Kontakt, aber für dieselbe Sache.

Und jetzt – ich verrate es einfach schon – machen wir nicht mehr unter „Freunde für Frieden“ weiter. Die Bewegung, die wir hier aufgebaut haben, hat sich verändert. Künftig werden wir nicht mehr jeden Freitag Aktionen machen, sondern als „DonnerHerzig“ an verschiedenen Orten. Es wird eine neue Künstlerseite geben, und man wird von uns hören. Auf jeden Fall: Wir machen weiter.