Am 20. September 2025 eröffnete der Stuttgarter Kabarettist, Autor und politische Aktivist Peter Grohmann in Rottenburg am Neckar die Ausstellung „Mein Name ist Mensch“ mit einer eindrücklichen Rede. Inmitten weltweiter Krisen und wachsender Gewalt erinnerte Grohmann an die ungebrochene Kraft von Widerspruch, Aufklärung und Zivilcourage. Seine Worte sind ein leidenschaftliches Plädoyer für Demokratie, Menschenrechte und die Würde des Menschen – und ein Aufruf, sich nicht mit dem Bestehenden abzufinden.
Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Mein Name ist Mensch“ am 20. September 2025 in Rottenburg am Neckar.
Grüßt mir zuerst den Widerspruch! Grüßt mir die Zweifel! Grüßt mir die offene Stadt, die Kunst und Kultur willkommen heißt, die an die Vergangenheit erinnert, und für die Zukunft streitet. Grüßt das weltoffene Rottenburg, das sich stark macht für die Menschenrechte.
Dieser Tage werden sie mit Füßen getreten. An den Fronten der Ukraine und am Roten Platz, wo dich das offene Wort in den Gulag bringen könnt‘. Dieser Tage werden sie mit Füßen getreten im Mutterland der Demokratie, an den Innen- und Außengrenzen der Welt, am Jordan, am Nil, am Roten Fluss, am Yangtse. Die aufbegehrenden Bauernhaufen vor 500 Jahren, die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs, die 1789 bis 1799 für Freiheit, Gleichheit und Glück kämpfen, die Arbeiterinnen am 17. Juni 1953 in der DDR, die Menschen am Taksim-Platz in Ankara gestern, Immanuel Kant aus Königsberg und Voltaire und Rosseau und Hegel und Leibnitz und Locke und Eleanor Roosevelt und Hannah Arendt und Rosa Luxemburg und Edith Stein und Sophie Scholl und Anne Frank – und die Mütter in den Kibbuzen und in Gaza-Stadt und in den Booten der vielen Mittelmeere – wo immer: unterwegs mit Hoffnung und Zweifel und Widerspruch, mit Angst, Herz und Verstand und Mut für die Würde des Menschen: Für Demokratie und Menschenrechte! Die Ausstellung der AnStifter des Dresdner Zeichenstellers Jochen Stankowski würdigt sie und lädt ein zur Debatte, zum Widerspruch!
Grüßt mir das freie Wort, die frechen Druckerpressen im Internet, Kunst und Courage und Liebe und Lust an der Auseinandersetzung der freien Geister. Und haltet stand dem Rost der Zeit, haltet stand den Bilderstürmern von heute.
Erzählen wir zwischen den Tagen, zwischen den Zeilen vom Mai 1933, als die Elite des deutschen Volkes, die Studierenden und ihre Lehrenden, die Intellektuellen also, die deutsche Mitte, in den deutschen Städten tausend Bücher verbrannten und noch einmal tausend und wieder tausend: Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ hatte den Feind erkannt: jüdische, freisinnige, demokratische und linke Autorinnen und Autoren – alles also, was nicht in Reih und Glied dachte und marschierte. Euch.
Aufstehen für die Freiheit
Denken wir wieder und wieder und morgen an jene weltweit, die jetzt, heute auch, in diesen Tagen, um ihr Leben bangen, weil sie das Maul aufmachen, die in den Knästen Putins oder Trumps und Erdogans stecken, in den Dunkelhäusern der Despoten überall auf der Erde – denken wir an jene weltweit, die wieder und wieder und öffentlich zum Widerstand rufen, zum Nachdenken, zum Streiten fürs Gemeinwohl, für die Allmende, für die Republik, für Freiheit, Gleichheit, Menschenwürde.
Denken wir daher heute, 20. September 2025, rechtzeitig oder zu spät, an die Aufklärerinnen und Aufklärer und ihre Werke, an die Frauen, die das Frauenstimmrecht erkämpfen und immer noch keine gleiche Bezahlung erhalten, keine gleichen Rechte haben denke wir heute, am Weltkindertag, an die Millionen, die an diesem Tag ohne Frühstück, Mittagessen und Abendmahl bleiben, ohne eine wärmende Decke für die Nacht. Denken wir an die, die heute für die Kinder morgen auf den Straßen sind, denken wir an die im Untergrund kunstschaffenden Frauen Afghanistans, die wir den Taliban zum Fraß vorwerfen …
Aufstehen für die Würde: Grüßen wir heute die internationale Kultur, mit ihr die Menschen aus aller Frauen Länder, die unsere Länder lebenswert und bunt und menschenwürdig machen. Grüßen wir die Menschen in den Museen in den USA, die die Kunst der indigenen Völker bewahren wollen, grüßen wir alle, die aufstehen für Kunst und Wissenschaft und gegen die Zerstörung der einen Welt. Grüßen wir die Aufsässigen, Widerspenstigen, die Kämpferinnen und Träumerinnen für die Menschenrechte. Doch bedenkt: Der Boden, auf dem die deutsche Demokratie steht, ist porös. Anderswo ist es nicht besser. Also schaut her, schaut hin, schaut nicht weg. Seht und hört und begehrt auf gegen die Geister von gestern, bereitet den Aufruhr vor zu Gunsten der Republik, der Demokratie. Streitet. Streitet um jedes Bild, um jedes Wort, um jeden Satz, um jeden Artikel der Menschenrechte.
Lest ihn. Umarmt ihn. Schützt ihn. Küsst ihn. Vor allem aber: schreit ihn hinaus in die Welt.
Sorgt dafür, dass niemand, der für seine Rechte kämpft, wo auch immer, allein bleibt.Erinnern und an morgen denken. Erinnert Euch zwischen unseren großen Worten und dicken Büchern auch an das weiße Europa, das Europa der stolzen Eroberer, das Europa, das die Ewiggestrigen heute wieder feiern, das Europa, das die Völker Afrikas, Asiens, Australiens, Amerikas das Fürchten lehrte, unser Europa, das Jahrhunderte mordend und raubend die Welt betrog, Profit als Maxime und den lieben Gott im Handgepäck.
Erinnert Euch an das Europa von Auschwitz und Majdanek, Terezin, Buchenwald …
Erinnert Euch auch an das Europa von heute, das seinen Müll den Armen vor die Tore kippt und die alten Träume nicht wiederfindet. Machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach diesen Träumen, nach den Ideen von Immanuel Kant und Hannah Arendt, Herwegh und Freiligrath, Schiller und Moses Mendelssohn. Und dann, ganz zum Schluss dieses Textes, frag‘ dich, der du mich liest, siehst, hörst, frag dich, wenn du die Texte und Zeichen deutest, entschlüsselst: Was kann ich tun? Was kann ich tun, damit die Welt gerechter wird und friedlicher? Nicht morgen, heute!
Hier sein. Sich nicht unterkriegen lassen im Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, nicht fertig zu werden mit dem Kampf für ein besseres Leben, für eine andere, freundlichere Welt: Sie muss gerecht werden. Also hab‘ Geduld.
Teilt die Weisheiten. Teilt das Brot, teilt das Wasser, teilt den Himmel und unsere Utopien von einer besseren Welt: Selam. Schalom. Merhaba. Zan, Zendegi, Āzādi. Solidariteto. Śandipen. Ćaćipen!
Die Ausstellung „Mein Name ist Mensch“ kann jederzeit gebucht werden.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.









