Sollte man an eine Wachstumsrücknahme (Degrowth) in Verbindung mit dem Klimawandel denken, um an einer realisierbaren gewaltfreien Zivilverteidigung zu arbeiten?
Von Francois Vaillant
Worüber sprechen wir?
Donald Trump sollte uns nicht überraschen. In der Tat treibt die Bande im Oval Office, wie versprochen, nur die interne Logik des Gesellschaftsmodells voran, das auf dem vom kapitalistischen System geforderten Wachstum beruht. Es spielt keine Rolle, ob die Wissenschaftler(1) behaupten, dass das Streben nach Wachstum sich seit Jahrzehnten durch Vereinnahmung und ständig zunehmende Ausbeutung von Regionen und begrenzten Ressourcen äußert. Mit den Folgen eines völlig unbeherrschten Klimawandels, einer noch nie festgestellten Zerstörung der Artenvielfalt, einer Explosion sozialer Ungleichheiten, Migrationsbewegungen über mehrere Kontinente hinweg usw.
Was für ein Glücksfall für die Befürworter des Wachstums ist der von Putin ausgelöste Krieg gegen die Ukraine und die russischen Drohungen gegen Europa! Am 3. März 2025 kündigt Ursula von der Leyen einen Finanzrahmen über 800 Milliarden Euro an, der zur Verstärkung der europäischen Verteidigung bestimmt ist, danach am 13. März bestätigt Emmanuel Macron, dass der französische Staat bis 2030(2) 50 Milliarden Euro bereitstellen wird, um „Frankreich wieder aufzurüsten“ und „eine Kriegswirtschaft aufzubauen“. In den letzten Jahren gab es kein Geld, um das Krankenhaus, das Bildungswesen und die Justiz zu retten…, aber man findet es überall in Europa, um eine Kriegswirtschaft aufzubauen! Die kommenden Kriegswirtschaften werden das Schicksal der Ukraine nicht ändern, das sich in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden wird.
Die Flucht nach vorne in Richtung technischer Lösungen hat weder auf Putins Drohungen, noch auf die Bande im Oval Office, noch auf die Ansichten Xi Jinpings zu Taiwan gewartet, um zu entstehen. Sie ist Teil der Kontinuität: die kriegerische, koloniale, antifeministische und brutale kapitalistische Welt mit dem Streben nach immer mehr Wachstum. Nach dieser Logik zählt allein das Geld, und es ist zwecklos, diesen Kapitalismus zu moralisieren versuchen, der für den Verlust des Solidaritätsgefühls zwischen Völkern und Menschen verantwortlich ist. Man behandelt eine Krankheit nicht, indem man auf die Logik setzt, die sie verursacht hat. Niemand weiß, wann der Klimakollaps eintreten wird, begleitet von einer ernsten Finanzkrise – Börsencrash, Talfahrt des Dollars usw. In 5, 10 oder 20 Jahren?
Die Arbeiten der Wissenschaftler haben uns gewarnt, aber die meisten der verantwortlichen Politiker schauen weg(3). Die Tragödie des Zusammenbruchs wird schrittweise erfolgen und die Schwächsten in den gesamten Regionen durch Überschwemmungen, Dürren, Brandkatastrophen und systemische Hurrikane treffen. Die derzeitige Zunahme der Häufigkeit und Intensität dieser bereits erkennbaren Anzeichen sollte die Bevölkerung vor dem irreversiblen Phänomen El Nino(4) warnen. Dieser dramatische Klimakollaps wird das Ergebnis des Verhaltens einer Minderheit von Personen sein, die den unmittelbaren Profit über das Allgemeinwohl und die Zukunft gestellt haben. Er wird auch das Ergebnis einer Massenmanipulation sein, die von einem medienpolitischen System getragen wird, dessen soziale Netzwerke sich in den Händen einer ebenso korrupten wie zynischen Oligarchie befinden.
Und wie sieht es bei all dem mit der gewaltfreien Zivilverteidigung aus?
Muss eine gewaltfreie Zivilverteidigung für die kommenden 5,10 oder 20 Jahre immer auf Maßnahmen der Nichtkooperation gegen einen Angreifer ausgerichtet sein, mit dem Ziel, die Gesellschaft für ihn unangreifbar, wirtschaftlich nicht ausbeutbar und politisch unregierbar zu machen? Die Entwicklung und Umsetzung jeder Form von gewaltfreier Zivilverteidigung muss mit einer Bedrohungsanalyse beginnen.
Die Klimabedrohung
Die Dinge erscheinen nun einleuchtend, und die Debatte muss beginnen. Es erscheint zwecklos, eine zuverlässige und wirksame gewaltfreie Zivilverteidigung für einen kurzen Zeitraum von 5, 10 oder 20 Jahren, in einer Welt wie sie noch ist, in Betracht zu ziehen. Sollte man nicht unter dem Gesichtspunkt der kapitalistischen Überwindung und der gewinnorientierten Logik an eine gewaltfreie Zivilverteidigung denken? Zwei entscheidende Matrizen verdienen Berücksichtigung. Zum einen die Tatsache, dass „der Klimakollaps begonnen hat“, wie Antonio Guterres(5), Generalsekretär der Vereinten Nationen, erklärte, und zum anderen, dass aufgrund von Klimaschwankungen eine erzwungene und abrupte Wachstumswende (Degrowth) mit Pauken und Trompeten(6) bevorstehen wird. Seit 1982 hatten manche Leute die Hoffnung, dass sich nach und nach eine bewusste und freudige Wachstumswende (Degrowth) entwickeln könnte. Die Option war ebenso interessant wie vielversprechend, aber man muss wohl feststellen, dass der Verbrauch fossiler Energien (Kohle, Erdöl und Gas) ununterbrochen weltweit ansteigt, wie noch im Jahr 2024(7). Um trotz allem noch Hoffnung zu haben, sei vermerkt, dass Ökonomen in 2024 zum ersten Mal die – weitgehend positiven! – Auswirkungen einer Schrumpfung des Wachstums auf die Klimaentwicklung berechnet haben(8). Es bleibt dennoch Tatsache, dass sich die asymptotischen Kurven der Klimaveränderung mehr und mehr der Vertikalen annähern.
Weitere Bedrohungen
Kurz-und mittelfristig bestehen zwei Formen ernster Bedrohungen nebeneinander, die eine betrifft Cyberangriffe und die andere den Aufstieg der extremen Rechten in Europa, vor allem des RN in Frankreich und der AfD in Deutschland. Wie kann man über eine gewaltfreie Zivilverteidigung nachdenken, die dazu geeignet ist, die Demokratie gegenüber diesen beiden Bedrohungen zu verteidigen? Zunächst einige Erläuterungen.
Cyberangriffe zielen darauf ab, ein Unternehmen oder sogar ein Land zu unterschiedlichen Zwecken zu verunsichern: einen Handelskrieg gewinnen, Wahlen beeinflussen, eine Ideologie hervorheben etc. Privatleute bleiben nicht verschont, mehr als 90% der Cyberangriffe gegen ihre Computer beginnen mit einer einfachen boshaften E-Mail, oft mit dem Ziel, Lösegeld zu erzwingen, aber nicht nur! Kriminelle Organisationen, staatliche Akteure, Privatpersonen: jeder kann mit Cyberangriffen beginnen. Deshalb kann man Cyberkriminelle in externe oder interne Bedrohungen einordnen.
Politisch motivierte Cyberkriminelle werden oft mit Cyberkrieg, Cyberterrorismus oder Hacktivismus in Verbindung gebracht. Im Cyberkrieg nehmen staatliche Akteure oftmals Regierungsbehörden, Informationssysteme und sensible Infrastrukturen ihrer Feinde ins Visier. In Frankreich kommen Cyberangriffe auf Unternehmen und Verwaltungen hauptsächlich aus China, Russland, aber auch aus den USA. Um sich davor zu schützen, wurde in 2021 „Viginum“ gegründet, wobei es sich um den „Technischen und Operativen Service des Staates handelt, der mit der Überwachung und dem Schutz vor ausländischen digitalen Eingriffen beauftragt ist.“ Die wichtigste Aufgabe von Viginum(9) besteht darin, digitale Eingriffe aus dem Ausland, die die digitale öffentliche Debatte beeinflussen, aufzudecken und zu bestimmen. Dazu prüft die Behörde die unechten Vorfälle (verdächtige Rechnungen, boshafte Inhalte, ungewöhnliche, absurde oder koordinierte Verhaltensweisen), die auf digitalen Plattformen auftreten.
In 2009 hat unser Land außerdem die Nationale Agentur für die Sicherheit von Informationssystemen (ANSSI) gegründet(10). Diese Agentur ist „die nationale Behörde hinsichtlich Cybersicherheit und Cyberabwehr in Frankreich“. Die Existenz der ANSSI besteht darin, auf interministerieller Ebene den Schutz der Nation vor Cyberangriffen aufzubauen und zu arrangieren und zur Stabilität des Cyberspace beizutragen. Ihr Einsatz steht in Verbindung mit dem Rahmenplan der hoheitlichen Aufgaben des Staates im Dienste eines allgemeinen Ziels der öffentlichen Politik hinsichtlich Sicherheit und Widerstandsfähigkeit der Verwaltungen, der Wirtschaft und der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Ihre Tätigkeit spiegelt sich in fünf großen Aufgabenbereichen wider: verteidigen, erkennen, teilen, begleiten, kontrollieren(11).
Viginum und ANSSI waren erfolgreich tätig, um die zahlreichen Angriffe vor und während der Olympischen Spiele in Paris 2024 zu vereiteln. Eine der Fragen, die sich stellt, ist, ob diese beiden Institutionen in der Lage wären, auch im Rahmen einer gewaltfreien Zivilverteidigung tätig sein könnten? Wäre ihre Bindung an den Staat in der Lage, die Bevölkerung zu dezentralisieren, um lokale Cyberangriffe des Angreifers im Falle einer militärischen Besetzung des Landes durch diesen Angreifer zu vereiteln?
Die Zunahme der extremen Rechten in Europa, insbesondere in Frankreich und in Deutschland, kann das Projekt einer gewaltfreien Zivilverteidigung nicht unbeteiligt lassen. Wir haben gesehen, wie das soziale Netzwerk X von Elon Musk mit Hilfe von Fake News zu Werke ging, um die AfD bei der Bundestagswahl in Deutschland im Februar 2025 zu unterstützen. Wie kann man neben einer unerlässlichen Unterweisung über die sozialen Netzwerke(12) eine gewaltfreie Zivilverteidigung vorsehen, die insbesondere durch verschlüsselte soziale Netzwerke funktioniert, unabhängig von jeglicher ausländischer Macht, im Gegensatz zu Netzwerken X, Facebook, TikTok usw.?
Ist nicht Obskurantismus einer der schlimmsten Feinde bei der Vorbereitung einer gewaltfreien Zivilverteidigung? Obskurantismus ist diese Haltung der Wissensverleugnung. Er lehnt es ab, nachgewiesene Tatsachen als wahr anzuerkennen. Um ihre Sichtweise aufzudrängen, verbreiten die Obskurantisten Unwahrheiten und bekämpfen die Pressefreiheit. Die Geschichte erinnert uns daran, dass dieser Ansatz nicht neu ist, er ist das Privileg rechtsextremer Regime, die den Ausdruck kritischen Denkens unterbinden und die Autonomie wissenschaftlicher und intellektueller Gemeinschaften (Journalismus, Bildungswesen, Kunst, Aktivismus, Gewerkschaftswesen usw.) einengen.
In den USA hat die Bande im Oval Office bereits ihre Entschlossenheit gezeigt, ganze Wissensbereiche verschwinden zu lassen, einige wissenschaftliche Fachgebiete mundtot zu machen und Fakten so zu verdrehen, bis sie umgeschrieben werden. Leider gelingt es dem obskurantistischen Narrativ der extremen Rechten(13) heutzutage, große Teile der Bevölkerung mit einem widerlichen Rezept zu begeistern, das sich in der Geschichte bereits bewährt hat: 1. Aufwertung der Unterwerfung unter eine autoritäre Macht. 2. Diskriminierung von Minderheiten und Zurückweisung aller Bewegungen für gegenseitige Hilfe, Solidarität und Inklusion. 3. Leugnung des Holocausts aus wissenschaftlicher Sicht und Kriminalisierung von Whistleblowern aus den Bereichen Umweltschutz, Wissenschaft, Feminismus usw. 4. Leugnung der von Menschen gemachten Auswirkungen auf den Klimawandel und des Zusammenbruches der Artenvielfalt, verbunden mit einem Techno-Solutionismus, der darauf ausgerichtet ist, die kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen einer Oligarchie zu bewahren.
Diese Denk- und Handlungsweise wird durch Namen abgebildet. In den USA findet man Elon Musk und andere Bosse von Google (Alphabet), Amazon, Facebook (Meta), Apple und Microsoft (GAFAM), die sich hinter Trump aufstellen.
In Frankreich kann die gedämpftere Stimmung das Gesicht des Obskurantismus nicht verbergen. Er wird von Vincent Bolloré, Pierre-Edouard Stérin, Marine le Pens Rassemblement National und Jordan Bardella getragen. Der RN ist seit langem ein Klimaskeptiker, um nicht zu sagen ein Klimaleugner. Er setzt sich für die Abschaffung der ADEME (Agentur für Umwelt-und Energie) ein. Er unterstützt die Forderungen der FNSEA und der Coordination Rurale (CR) nach einer Intensivlandwirtschaft. Er hat bereits Maßnahmen erzielt, um an der Verwendung potentiell krebserregender Pestizide festzuhalten. Er lehnt Umweltvorschriften ab und disqualifiziert wissenschaftliche Forschungen. Er schließt Journalisten von seinen Kundgebungen aus. Er hat treue Verbündete wie die Polizeigewerkschaft Alliance usw.
Wäre es für eine gewaltfreie Zivilverteidigung nicht besser, sich entschieden in die Sichtweise einer Gesellschaft einzuordnen, die versuchte, sich trotz des angekündigten Klimakollapses zu organisieren, indem sie ein nicht gewinnorientiertes Gesellschaftsmodell anstrebt?
Artikel aus dem Dossier „La Défense civile non-violente DCNV” (Gewaltfreie Zivilverteidigung), veröffentlicht von Pressenza auf Französisch, Deutsch und Englisch.
Der Autor:
François Vaillant ist ausgebildeter Philosoph und Theologe. Er ist unter anderem Autor der Werke:„La non-violence. Essai de morale fondamentale“ (Paris, Cerf, 1990), „La non-violence dans l’Évangile“ (Paris, Les Éditions ouvrières, 1991 – ins Italienische und Spanische übersetzt) sowie „Un taxi dans Paris“ (Paris, Temps présent, 2016). Derzeit ist er Chefredakteur der Zeitschrift Alternatives-Non-Violentes.
Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Anmerkungen
(1) Wissenschaftler des ICC, die an den COP zum Klimawandel, den COP zur Artenvielfalt den COP zur Bekämpfung gegen die Versteppung und an den Verhandlungen der Vereinten Nationen teilnehmen, um Verträge gegen Umweltverschmutzung durch Plastik, Pestizide usw. zu erzielen.
(2) Siehe Le Monde vom 13. März 2025
(3) Michel Bernard, damals Redaktionssekretär der Zeitschrift Silence, veröffentlichte in 2007 einen bemerkenswerten Artikel mit dem Titel „ Wie kann man eine gewaltsame Lösung vermeiden?“ in der Ausgabe Nr. 144 von ANV Die Wachstumskritiker.
(4) Das Phänomen El Nino bezeichnet die Umkehrung der Windzirkulation über den Ozeanen, die Umkehrung wird durch die Klimaerwärmung aufgrund von Co2 und anderen Schadstoffbelastungen verursacht. Diese Umkehrung bringt die Zirkulation der großen Meeresströmungen durcheinander, indem sie dadurch an der Oberfläche zahlreiche klimatische Veränderungen verursacht, die sich auf allen Kontinenten durch Überschwemmungen und Trockenheit, Wirbelstürme und Brände äußern usw.
(5) Siehe Le Monde vom 6. September 2023. Antonio Guterres erklärte, dass „der Klimakollaps begonnen hat“, bevor er immer und immer wieder daran erinnerte, ohne den Eindruck zu erwecken, dass er mehr verstanden wird als die Wissenschaftler des IPCC.
(6) Michel Bernard, damals Redaktionssekretär der Zeitschrift Silence, veröffentlichte in 2007 einen bemerkenswerten Artikel mit dem Titel „ Wie kann man eine gewaltsame Lösung vermeiden?“ in der Ausgabe Nr. 144 von ANV Die Wachstumskritiker.
(7) Siehe Le Monde vom 24. März 2025
(8) Siehe Le Monde vom 24. April 2024
(9) Siehe hier die Website von Viginium, einem Dienst, der direkt an den SGDSN (Generalsekretariat für Verteidigung und nationale Sicherheit) angegliedert ist.
(10) Siehe die Website der ANSSI.
(11) Gelesen auf der Website der ANSSI.
(12) Siehe insbesondere das Interview mit General Olivier Kempf, erschienen in der Ausgabe Nr. 213 von ANV „Gewaltfreie zivile Verteidigung“.
(13) Wir danken hier für den Artikel „Gegen den Obskurantismus der extremen Rechten in den Vereinigten Staaten und anderswo…“, der am 6. März 2025 bei Pressenza erschienen ist.









