Um die Gegenwart besser zu verstehen und die Zukunft zu gestalten, ist es wichtig, die Geschichte Afrikas zu kennen. Ein Teil davon ist die Geschichte der Sklaverei, die die Gegenwart immer noch stark beeinflusst. Dr. Yaya Sy, Anthropologe und Professor für Geschichte, lädt uns in diesem Beitrag zu einer aufschlussreichen Geschichtsstunde ein.

In vielen afrikanischen Ländern ist der Zugang zu wissenschaftlichen Quellen aus unterschiedlichen Gründen erschwert. Das begünstigt die Verbreitung von Geschichtsverfälschungen oder Revisionismus. Dies gilt insbesondere für die Frage der Beteiligung afrikanischer Gesellschaften am transsaharischen und transatlantischen Sklavenhandel.

Die Beteiligung am arabisch-muslimischen Sklavenhandel

Bereits ab dem 7. Jahrhundert waren afrikanische Feudalherrschaften in unterschiedlichem Maße daran beteiligt. Obwohl diese Realität gut belegt ist, wird sie mitunter geleugnet – zu Unrecht.

Die Anfänge des atlantischen Sklavenhandels (15.–17. Jahrhundert)

Die Portugiesen: Sie trafen Mitte des 15. Jahrhunderts ein, bestachen afrikanische Könige mit Geschenken und lieferten Waffen, um deren Gegner zu schwächen und sich ihre Vasallentreue zu sichern.

Die Franzosen ließen sich 1659 in Saint-Louis nieder und beteiligten sich sofort am Sklavenhandel in Senegambia. Ab 1666 segelten sie den Fluss Senegal hinauf, zahlten Wegzölle und gaben Geschenke an die Herrscher, bevor sie sich mit Gewalt durchsetzten.

Vom Handel zur Kolonialherrschaft

Ab dem Zweiten Kaiserreich wollten die Franzosen keine Gebühren mehr an die „Wilden” zahlen und setzten ihre Autorität mit Zwang durch. Sie verfolgten zudem eine Geiselstrategie, indem sie die Söhne lokaler Herrscher entführten, um sie in kolonialen Schulen auszubilden.

Die beiden Gebiete, aus denen Sklaven stammten, waren:

  • Im Norden: Von der Sahelzone bis nach Somalia in Richtung der arabisch-muslimischen Welt.
  • An den Atlantikküsten: von Mauretanien bis zum Roten Meer für den europäischen Handel.

Besonders stark betroffen war der Kongo: Das Königreich wurde Ende des 15. Jahrhunderts als erstes zerschlagen und litt im 19. Jahrhundert massiv unter dem Sklavenhandel.

Abschaffungsgesetze und koloniale Heuchelei

Obwohl Frankreich die Sklaverei im Jahr 1848 abschaffte, wurden die Gesetze in Schwarzafrika nicht umgesetzt. Auch neue Gesetze (1901, 1903, 1905) blieben ohne Wirkung.

  • Die Franzosen versuchten vor allem, die Sklaven in ihre Enklaven umzuleiten (Zwischenstopps, sogenannte „Dörfer der Freiheit”).
  • Sie kooperierten mit den Feudalherren, um keine Arbeitskräfte zu verlieren.
  • Kooperierende afrikanische Häuptlinge wurden in administrative Positionen befördert (Kantonshäuptlinge).

Laut der Autorin Denise Bouche verbreiteten die mit den Feudalherren verbündeten Marabouts sogar die Idee, dass Sklaven, die bei den Europäern Zuflucht suchten, in die Hölle kommen würden, da sie nicht nach den Gesetzen des Islam befreit worden wären (vgl. ihr Buch „Les villages de liberté en Afrique noire française, 1887–1910”).

Allianzen, Komplizenschaften und Widerstand

Obwohl die Geschichte von entschlossenem Widerstand zeugt, offenbart sie zugleich beschämende Allianzen und beschämende Unterwerfungen.

So stellte etwa Abdoul Boubacar, König von Fouta, im Jahr 1886 dem französischen Oberstleutnant Henri Frey 2.000 Reiter zur Verfügung, um die Dörfer von Gidimaxa niederzubrennen – Dörfer, die Mouhamadou Lamine unterstützt hatten.

Ein weiteres Beispiel überliefert der Historiker Dogo Diawara: 1885 informierte der König von Tiyabou die französischen Kolonialherren über den geplanten Aufstand von Mouhamadou Lamine Dramé – ein Akt der Kooperation zur Wahrung eigener Machtinteressen.

Eine Kolonialstrategie: Teile und herrsche!

Die Europäer wussten, dass ein Kampf gegen große afrikanische politische Einheiten teuer werden würde. Ihre Methode bestand darin:

  1. Könige mit Geschenken zu überhäufen und ihnen Waffen zu verkaufen;
  2. mächtige Königreiche (wie das Große Jolof oder das Königreich Kongo) zu fragmentieren;
  3. isolierten Widerstand leichter zu unterwerfen.

Die Beteiligung der afrikanischen Feudalherrschaften am Sklavenhandel und an der Kolonialisierung ist eine unbestreitbare historische Tatsache. Die afrikanische Geschichte ist geprägt von heldenhaftem Widerstand, aber auch von strategischer oder eigennütziger Zusammenarbeit. Es ist unsere Aufgabe, sie ohne Schönfärberei zu lesen und zu lehren und dabei die jeweiligen Kontexte und Epochen zu berücksichtigen.

Die Übersetzung aus dem Französischen  wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!