Osterzeit in Deutschland, im Auge der Kameras: Fahnen, Banner, Bühnen, Menschen, die nach Frieden rufen, brüllen und singen: auf Norderney, in Halle, in Potsdam, Köln, am Fliegerhorst Büchel, in Regensburg… bundesweit. Bunte Aufnahmen mit weißen Friedenstauben auf himmelblauem Grund und Menschen, Menschen, Menschen, die Frieden wollen ohne Waffen.
Am Straßenrand sitzen zwei Frauen am Cafétisch. Sie betrachten die Leute, die mit ihren Bannern und Flugblättern, Rucksäcken und Fahnen vorüberziehen.
Jenny „Das ist ja alles ehrenwert, aber es nützt doch nichts.“
Lena „Also mir ist es einfach zu wuselig und drängelig. Ich würde vielleicht mitgehen, aber wir hatten uns ja hier verabredet“.
Jenny „Mitgehen? Du verquanzt da nur deine Zeit.“
Lena „Verquanzen? Den Ausdruck hat meine Großmutter benutzt. Ich verquanze gern Zeit. So sichere ich wenigstens meinen inneren Frieden. – OMMM.“
Jenny „Glaubst du denn echt, dass ein Krieg kommt?“
Lena „Ich glaube, die Regierungen rufen ihn herbei! Die Aktienkurse bei Rheinmetall sind seit Beginn des Ukrainekriegs enorm gestiegen. Und in Litauen, an der Nato-Ostflanke, haben Bundeswehr-Reservisten die Geländeerkundung mit Drohnen geübt. Die Kampftruppen haben also kriegswichtige Informationen – und wir alle haben Glück gehabt, dass die Gegenseite sich bisher davon nicht provozieren ließ.
Jenny „Echt jetzt, Lena, hast du Angst? Traust du unserer Regierung nicht?“
Lena „Ich traue weder der US-Regierung noch der NATO oder den europäischen Regierenden. Der israelischen Regierung traue ich nicht, auch der russischen und der ukrainischen nicht. – Wenn jemand mit einer Pistole auf dich zukommt: Traust du dem?“
Jenny „Muss ich ja nicht, wenn ich auch eine hab‘. Ich schieße dann zuerst.“
Lena. „Eben! Dann hast du den Krieg begonnen – aber noch nicht gewonnen! Ich schätze, kein Staat, der Waffen produziert, will einen Frieden ohne Waffen. Kriegstüchtigkeit heißt: Arbeitsplätze für die einen, Profite für die anderen: win-win.
Jenny „Du bist ja total marxistisch!“
Lena „Ne, nicht total, aber … Ich denke, wenn wir statt Waffen zivile Güter produzieren, dann wird das ein Kapitalismus “light“. Ohne Waffen vertragen wir ihn besser. Wir lassen Menschen leben und sparen Geld.“
Auf den Tisch der Frauen legt jemand ein Flugblatt: „Frieden gibt es auf jedem Friedhof – Friedrich Merz.“(2)
Jenny „Merz ist ja nicht auf den Mund gefallen!“
Lena “Lies‘ weiter! ‚Frieden auf‘m Friedhof…
Jenny „Warum denn dann Krieg? – Und wozu Soldaten? – Oh“.
Ein Mann im Demonstrationszug verteilt Fähnchen an kleinen Stöcken. Er bittet verschiedene Personen, ihm einige Fähnchen abzunehmen und anderen weiterzugeben. Etliche schütteln den Kopf. Das wollen sie lieber nicht. – Warum nicht, fragt der Mann. Schulterzucken. Für sich selbst nehmen die meisten eins, und der Mann hat auch ohne Hilfe bald 50 Fähnchen verteilt. Auf himmelblauem Grund an hölzernen Stöckchen flattern die weißen Friedenstauben in der durch die Straßen ziehenden Menge.
Jenny „Ziemlich viele Frauen hier.“
Lena „Mehr als in unserem Lesekreis.“
Jenny „Allerdings!“
Lena „Sie sehen fröhlich aus, trotz der Kriegsgefahr.“
Jenny „Das finde ich erstaunlich.“
Lena „Leben, solange es noch geht!“
Jenny „Was meinst du denn, wie viele Menschen hier an uns vorüberziehen?“
Lena „Kann ich nicht sagen. Noch ist das Ende des Zuges nicht in Sicht… und: isses denn wichtig?“
Jenny „Im Bonner Hofgarten 1981, erzählt meine Mutter, waren es 300.000, die gegen die atomare Bedrohung demonstrierten. Sie war dabei.“
Lena “Das war ja im Herbst – und nicht zu den Osterfeiertagen! Jetzt gibt es halt viele kleine Demos, regional und ökologisch.“
Jenny „Du redest wie Supermarktwerbung!“
Lena „Mir sind die kleinen Demos jedenfalls sympathisch. Sie sind überschaubar, man kennt viele… – Guck! Da ist auch Svenja. Ich lauf mal eben hin, bin gleich zurück!“
Am Kundgebungsplatz sammeln sich die Demonstrantinnen und Demonstranten. Zwei alte Männer sitzen am Rande auf einer Bank. Man versteht nicht, was sie sagen. Die Musik hat begonnen.

(Bild von Sibylle Hoffmann)
(1) Bundeswehr App am 22.04.2025 „ISNEX 2025“
(2) https://www.zeit.de/news/22.4-03/08/merz-frieden-gibt-es-auf-jedem-friedhof