Erstaunlich war es schon, dass das ZDF heute-journal am Dienstagabend einen Bericht sendete, wie Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sich mit Chinas Staatschef Xi Jinping über weitreichende Kooperationen und Handel einigten. Erstaunlich deshalb, weil das eigentlich nichts Neues ist. Beide Staaten sind Gründungsmitglieder der BRICS, Ex-Präsidentin Dilma Rousseff präsidiert zurzeit die gemeinsame Struktur- und Entwicklungsbank.
Die Verbindungen sind, gerade unter Lula, relativ eng. Zudem verbindet die beiden Staaten eine zunehmend enger werdende wirtschaftliche Verflechtung. Brasilien liefert die dringend benötigten Rohstoffe wie Soja, Fleisch, Erze. China flutet das Land und die Region mit Konsumgütern, engagiert sich stark im Bau von Infrastrukturprojekten – um die Rohstoffe möglichst schnell außer Landes schaffen zu können.
Erstaunlich aber dafür umso mehr, da weit und breit keine Verbindung der Nachricht zu Deutschland oder der EU zu erkennen war. Oder vielleicht doch? Eher indirekt?
Bekanntermaßen schrauben die EU und der Mercosur seit geraumer Zeit mehr oder weniger intensiv an einem Freihandelsabkommen. In der Theorie könnte daraus einer der größten Freihandelsräume der Welt entstehen. Allerdings: die Verhandlungen ziehen sich. Mehr als 25 Jahre versuchen EU und Mercosur auf einen Nenner zu kommen. Doch immer neue Forderungen und Verhandlungen, insbesondere seitens der Europäer, werfen das Abkommen regelmäßig zurück.
Andere Länder wie China stört das nicht. Im Gegenteil: Sie ergreifen die Initiative und schaffen Fakten.
Die Zusammenarbeit zwischen Brasilien und China sei unverwüstlich und die beiden Länder seien aufeinander angewiesen, betonte Lula und fügte hinzu, dass die beiden Länder durch ihre Zusammenarbeit sicherstellen könnten, dass der Globale Süden sich den Respekt der Welt verdiene, berichtet das chinesische Portal german.china.org, das optisch an die Aufmachung des Internetauftritts des Focus erinnert.
Lula, war am Samstag zu einem fünftägigen Staatsbesuch nach China aufgebrochen, im Schlepptau eine riesige Delegation, der nach Angaben brasilianischer Medien zahlreiche Minister, Gouverneure und Parlamentsabgeordnete sowie mehr als 200 Unternehmer angehören. Der brasilianische Präsident sprach sich gegen die von den Vereinigten Staaten weltweit verhängten hohen Zölle aus und betonte, dass Multilateralismus und nicht Protektionismus der Schlüssel zur Entwicklung sei (Präsident Lula lobt „unverwüstliche Zusammenarbeit“_China.org.cn).
Keinesfalls neu ist dieser explizite Schulterschluss der Brasilianer mit China (Chinas Einfluss in Brasilien: Europa wird verdrängt) . Man kann dies, wie es Lula ausdrückt, als Versuch des „globalen Südens, sich den Respekt der Welt zu verdienen.“ Das mag ein Motiv sein. Wahrscheinlicher jedoch ist dies ein Vorstoß, mit dem sich China sich im von Trump vom Zaun gebrochenen Handelskrieg zwischen den USA und China darauf vorzubereiten versucht, sich den Zugang zu dringend benötigten Rohstoffen zu sichern) Brasilien ersetzt die USA komplett: China bereitet sich auf Trump vor und stellt seine Importe um – FOCUS online).
Erst am 9. Mai hatte Brasiliens Präsident Lula an der großen Festparade in Moskau zum Gedenken an das Kriegsende vor 80 Jahren teilgenommen. Auch dies war von brasilianischen und internationalen Medien teilweise mit Irritation zur Kenntnis genommen worden – hatte er sich dort nicht nur an der Seite von Diktatoren, sondern auch von Kriegsverbrechern gezeigt, wie der Professor für Internationale Beziehungen der UFF, Vitelio Brustolin, in einem Globo-Interview anmerkte (‚Lula apareceu ao lado não apenas de ditadores, mas também de criminosos de guerra‘, afirma pesquisador).
„Mit meinem Besuch in Russland bekräftigen wir unser Engagement für den Multilateralismus. Wir werden Kooperationsabkommen in Wissenschaft und Technologie unterzeichnen und versuchen, unsere Handelspartnerschaften auszubauen“, erklärte Präsident Lula auf der offiziellen Regierungsseite (Lula na chegada a Moscou: “A vinda à Rússia reafirma nosso compromisso com o multilateralismo” — Planalto.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Brasilien und Russland wurden im Jahr 1828 aufgenommen. Die Beziehungen wurden in den 1980er Jahren ausgebaut. Im Jahr 2002 wurden die Beziehungen auf die Ebene einer strategischen Partnerschaft gehoben.
Russland ist – wie auch China – ein wichtiger Handelspartner Brasiliens. Seit Jahresbeginn belief sich der Handel zwischen Brasilien und Russland laut Regierungsangaben auf insgesamt 12,4 Milliarden US-Dollar. In diesem Zeitraum exportierte Brasilien 1,45 Milliarden US-Dollar und importierte 10,9 Milliarden US-Dollar, womit Russland fünftgrößter Handelspartner Brasiliens ist, was Importe betrifft.
Zu den wichtigsten von Brasilien exportierten Produkten gehören Soja, Rindfleisch, ungerösteter Kaffee, Geflügelfleisch und Innereien sowie Tabak. Brasilien wiederum importiert aus Russland hauptsächlich Heizöl aus Erdöl oder bituminösen Mineralien (außer Rohöl) und Düngemittel.
Brasiliens Außenpolitik fährt traditionell einen Kurs, mit dem sich das größte Land Südamerikas eine politische Unabhängigkeit zu erhalten versucht.









