Der Weg Brasiliens in die Demokratie ist fest mit dem Namen Luiz Inácio Lula da Silva verbunden. Aus einfachsten Verhältnissen stammend, gehörte der Gewerkschafter zu den Gründern der Arbeiterpartei PT und zu den Mitautoren der demokratischen Verfassung, er wurde zur Ikone der Linken. Der Weg zum Präsidentenamt war lang und von Rückschlägen und Skandalen gesäumt – vier Anläufe brauchte Lula bis zum Ziel. Während seiner Amtszeit erlebte Brasilien eine wirtschaftliche Blüte, seine Politik half Millionen Menschen aus bitterster Armut.

Doch die PT erschütterte das Land auch mit Skandalen – Korruption und schwarze Kassen zerstörten nachhaltig Hoffnungen und Vertrauen. Lula wurde verurteilt, seine Nachfolgerin des Amtes enthoben, ein Rechtsextremer Präsident. Seit März 2021 ist der Ex-Präsident wieder auf freiem Fuß und entschlossen, Jair Bolsonaro aus dem Amt zu verdrängen. Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2022 könnte es zum großen Showdown kommen.

Lula hatte bereits einmal die Gelegenheit, etwas zu verändern. Die Probleme legte er auf den Tisch, das hatten vor ihm auch noch nicht viele Präsidenten getan. Aber die Art und Weise, wie er die Probleme anzugehen versuchte, blieb halbherzig. Zu groß war die Verlockung, statt nachhaltiger, tiefgreifender Reformen und Veränderungen, den Weg der schnellen Effekte und des schnellen Geldes zu beschreiten.

Die damit einhergehenden Verlockungen und Gesetzmäßigkeiten des politischen Geschäfts, etwa die weitverbreitete Korruption, wurden von Lula und der PT offen sichtlich als unvermeidliche Begleiterscheinung in Kauf genommen. Lula, das war neu und einzigartig an seiner Politik, richtete den Fokus des politischen Tuns auf die ärmsten Teile der Bevölkerung – das muss man ihm zweifellos hoch anrechnen. Vielleicht war er einfach zu ungeduldig, wollte zu schnell sichtbaren Erfolg – musste diesen vielleicht auch liefern.

Schließlich wurde die Politik der PT vor allem zu Beginn von Unternehmern und Investoren äußert kritisch beäugt.

Werden Lula und die PT aus den Fehlern der Vergangenheit lernen? Andreas Nöthen zeichnet in seinem Buch „Luiz Inácio LULA Da Silva“ den politischen Werdegang des Ausnahmepolitikers, und damit auch die jüngere Geschichte Brasiliens, nach. Dabei handelt es sich nicht so sehr um eine Biografie im klassischen Sinne, sondern vielfach um ein Buch, dass die jüngere brasilianische Geschichte – von der Militärdiktatur bis heute – anhand der Biografie des Ex-Präsidenten beschreibt, illustriert und erklärt. Damit schließt es durchaus eine Lücke, denn bislang gab es kein Buch im deutschsprachigen Raum, das sich dem Leben und Wirken Lulas widmet.

Andreas Nöthen, LUIZ INÁCIO LULA DA SILVA Eine politische Biografie, 256 Seiten, erschienen im März 2022 im Mandelbaum Verlag, Wien. ISBN: 978385476-947-7

Leseprobe: https://www.mandelbaum.at/extracts/leseprobe_lula.pdf


Veranstaltungen:

6. Juni 2022: Geht der Albtraum in Brasilien zu Ende?
https://www.mousonturm.de/events/albtraum-brasilien/

28. Juni 2022: Wer wird der nächste Präsident Brasiliens? Ein Land im Wahlkampffieber: Lula vs. Bolsonaro
Podiumsdiskussion, Haus am Dornbusch, Frankfurt, Disskussion zur Wahl in Brasilien, Veranstalter Deutsche Ibero-Amerikanische Gesellschaft
http://www.diag-frankfurt.de/veranstaltung/wer-wird-der-naechste-praesident-brasiliens-podiumsdiskussion/

5. September 2022: Vernissage Fotoausstellung Mauricio Maranhao mit anschließender Diskussion
Haus am Dom, Frankfurt

Lula: Ikone der Linken und Feindbild