Kolumbien befindet sich in einem der am längsten bewaffneten Konflikte der Welt. Ein Friedensabkommen zur Beendigung des mehr als 50 Jahre alten bewaffneten Bürgerkriegs wurde 2016 in Havanna, Kuba, zwischen den kolumbianischen Streitkräften und der aufständischen Gruppe, den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Volksarmee oder FARC), unterzeichnet. Trotz dieses historischen Ereignisses geht die Gewalt im Land unerbittlich weiter.

Dem letzten Bericht des Instituts für Entwicklungs- und Friedensstudien (INDEPAZ) zufolge wurden im Jahr 2022 mindestens 22 gesellschaftliche Akteur:innen und Menschenrechtsaktivist:innen ermordet, 1303 seit Unterzeichnung des Friedensabkommens. Darüber hinaus veröffentlichte das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass im Jahr 2021 72.300 Menschen innerhalb des Landes vertrieben wurden.

Angesichts solch schockierender Zahlen müssen wir mit großem Schmerz feststellen, dass Kolumbien kein Land des Friedens ist. Leider ist der Frieden keine gute Nachricht, sondern ein schlechtes Geschäft für diejenigen, die vom Krieg profitieren. Wer ist verantwortlich für den inakzeptablen Tod von mehr als 970 gesellschaftlichen Akteur:innen, die in den letzten vier Jahren ermordet wurden? Die Erben der FARC, der ELN, der „Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens“ (AGC), des „Golf-Clans“ oder der sogenannten „Águilas Negras“ (Schwarzer Adler). Welches erschreckende Verbrechen haben diese Menschen (Gewerkschafter:innen, Menschenrechtsaktivist:innen, Afroamerikaner:innen, Landverteidiger:innen, Indigene und Bauern:Bäuerinnen) begangen, dass sie bedroht und ohne jegliche Kontrolle getötet werden? Der Widerstand gegen den illegalen Bergbau, der Kampf gegen illegale Ernten, die Verteidigung der Menschenrechte und die Anprangerung der Korruption sind die „Verbrechen“, die ihnen von den bewaffneten Gruppen vorgeworfen werden. Präsident Iván Duque und seine Regierung, die behauptet, unermüdlich an der Umsetzung des Friedensabkommens zu arbeiten, versagen beim Schutz von Aktivist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen. Fast schon mitschuldig schweigend erleben wir, wie Tag für Tag ein:e gesellschaftliche:r Akteur:in ermordet wird, ohne dass die Regierung viel unternimmt.

Die Menschenrechtsaktivistin Luz Marina Arteaga wurde am 17. Januar ermordet, nachdem sie fünf Tage lang vermisst worden war. Sie stand seit April 2019 unter dem Schutz der Nationalen Schutzeinheit (UNP). Amnesty International hat bereits früher über die gescheiterte Präventions- und Schutzpolitik der Regierung zum Schutz von Menschenrechtsaktivist:innen in Kolumbien berichtet.

Dieselbe Organisation hob hervor, dass Kolumbien weiterhin das gefährlichste Land für Menschenrechtsaktivist:innen in Lateinamerika ist, und in den letzten Jahren haben Front Line Defenders und Global Witness Kolumbien immer wieder als das gefährlichste Land weltweit für Menschenrechtsaktivist:innen eingestuft.

Trotz dieser internationalen Warnungen und der alarmierenden Zahlen zeigt die kolumbianische Regierung kein großes Engagement für den Schutz derjenigen, die sich für den Aufbau eines Landes in Frieden und den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Wie viele Tote muss es denn noch geben, damit sie etwas unternimmt?

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!