Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, appellierte heute an die britischen Behörden, Julian Assange sofort aus dem Gefängnis freizulassen oder ihn unter bewachten Hausarrest zu stellen während des US-Auslieferungsverfahrens.

10 Jahre nachdem Herr Assange das erste Mal am 7. Dezember 2010 festgesetzt wurde und inmitten eines Ausbruchs von Covid-19 im Gefängnis Belmarsh erscheint sein dringender Aufruf. Berichten zufolge wurden 65 von ca. 160 Gefangenen positiv getestet, inklusive einer Anzahl von Menschen in dem Flügel, in dem Herr Assange festgehalten wird.

In einem Gutachten, das im Dezember 2015 abgegeben wurde, hat die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen festgestellt, dass Herr Assange seit seiner Gefangennahme am 7. Dezember 2010 verschiedenen Formen willkürlichen Freiheitsentzugs ausgesetzt war, inklusive 10 Tage Haft im Wandsworth Gefängnis in London; 550 Tage Hausarrest sowie der fortgesetzte Freiheitsentzug in der ecuadorianischen Botschaft in London, der fast 7 Jahre andauerte. Seit dem 11. April 2019 wird Herr Assange in nahezu kompletter Isolation in Belmarsh festgehalten.

“Die britischen Behörden hielten Herrn Assange anfangs aufgrund eines schwedischen Haftbefehls im Zusammenhang mit Anschuldigungen sexuellen Fehlverhaltens fest, die offiziell wegen mangelnder Beweise eingestellt wurden. Heute wird er ausschließlich vorbeugend in Präventivhaft festgehalten, um seine Anwesenheit während des laufenden Auslieferungs-Prozesses sicherzustellen, eines Verfahrens, dass sich gut über mehrere Jahre hinziehen kann”, sagte Melzer.

“Herr Assange ist weder ein verurteilter Krimineller noch stellt er für irgendjemanden eine Bedrohung dar, seine anhaltende Einzelhaft in einem Hochsicherheitsgefängnis ist also weder notwendig noch angemessen und entzieht sich ganz eindeutig jeder rechtlichen Grundlage.”

Das fortschreitend schwerer werdende Leid, das Herrn Assange durch seine anhaltende Isolationshaft angetan wird, umfasst nicht nur willkürliche Gefangenschaft sondern auch Folter und andere grausame, unmenschliche und entwürdigende Behandlung oder Bestrafung, sagte Melzer.

Insbesondere drückte er seine Besorgnis darüber aus, dass Herr Assange Covid-19 ausgesetzt wird trotz seiner verschiedenen Vor-Erkrankungen. “Maßnahmen zur Reduzierung der Zahl an Gefangenen in Gefängnissen, so wie sie überall auf der Welt als Reaktion auf Covid-19 getroffen werden, sollten auf alle Häftlinge ausgeweitet werden, deren Inhaftierung nicht absolut notwendig ist”, sagte der Experte. “Zuallererst sollten diese alternativen Maßnahmen ohne Haft auf diejenigen Menschen angewendet werden, die besonders anfällig sind, so wie Herr Assange, der an einer Lungen-Vor-Erkrankung leidet.”

Aufgrund der beträchtlichen Risiken im Zusammenhang mit Herrn Assanges anhaltender Gefangenschaft und der großen Bedenken in Bezug auf seine Behandlung und Haftbedingungen, die wiederholt zum Ausdruck gebracht wurden, wiederholte der Experte die vorherigen Appelle zur sofortigen Freilassung von Herrn Assange oder seine Verlegung in überwachten Hausarrest.

“Die Rechte von Herrn Assange werden seit über 10 Jahren schwer verletzt. Es muss ihm jetzt gestattet werden, eine normales Familienleben sowie soziales und berufliches Leben zu leben, um sich gesundheitlich zu erholen und sich angemessen auf seine Verteidigung gegen die US-Auslieferungs-Forderung vorbereiten zu können”, sagte er.

Angesichts der zum 4. Januar 2021 erwarteten Entscheidung über seine Auslieferung in der ersten Instanz wiederholte der Experte auch seinen Aufruf an die britischen Behörden, Herrn Assange nicht an die USA auszuliefern aufgrund der schwerwiegenden Bedenken in Bezug auf die Menschenrechte.

Englischer Original-Text auf der Seite von Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR), Übersetzung aus dem Englischen von FreeAssange.eu