Worum geht es beim Syrienkrieg? Entgegen der Darstellung in westlichen Medien ist der Syrienkrieg kein Bürgerkrieg, denn die Initianten, Finanziers und ein Großteil der regierungsfeindlichen Kämpfer stammen aus dem Ausland.

Der Syrienkrieg ist auch kein Religionskrieg, denn Syrien war und ist eines der säkularsten Länder der Region, und die syrische Armee besteht – wie ihre direkten Gegner – selbst überwiegend aus Sunniten.

Der Syrienkrieg ist aber auch kein Pipelinekrieg, wie manche Kritiker vermuteten, denn die angeblich konkurrierenden Gaspipeline-Projekte existierten in der kolportierten Form nicht.

Der Syrienkrieg ist stattdessen ein Eroberungs- und Regimewechsel-Krieg, der sich zu einem geopolitischen Proxykrieg zwischen NATO-Staaten – insbesondere den USA, Großbritannien und Frankreich – auf der einen sowie Iran, Russland und China auf der anderen Seite entwickelte.

Tatsächlich versuchten die USA bereits seit den 1940er Jahren wiederholt, in Syrien eine pro-westliche Regierung zu installieren, so 1949, 1956, 1957, nach 1980 und nach 2003 – bisher jedoch ohne Erfolg. Seit dem Libyenkrieg ist Syrien damit das letzte von der NATO unabhängige Mittelmeerland.

Im Zuge des »Arabischen Frühlings« von 2011 versuchten es die NATO und ihre Verbündeten, insbesondere Israel und die Golfstaaten, deshalb erneut. Dazu sollten politisch und ökonomisch motivierte Proteste in Syrien genutzt und rasch zu einem bewaffneten Konflikt eskaliert werden.

Die ursprüngliche Strategie der NATO von 2011 war es – ähnlich wie im Afghanistankrieg der 1980er Jahre – Syrien hauptsächlich durch positiv dargestellte islamistische Milizen (»Rebellen«) zu erobern. Dies gelang jedoch nicht, da den Milizen eine Luftwaffe und Flugabwehrraketen fehlten.

Ab 2013 wurden deshalb verschiedene Giftgasangriffe inszeniert, um – ähnlich wie zuvor in Libyen und Jugoslawien – die NATO-Luftwaffe im Rahmen einer »Humanitären Intervention« einsetzen zu können. Dies gelang jedoch auch nicht, insbesondere da Russland und China ein UNO-Mandat blockierten.

Ab 2014 wurden deshalb zusätzlich negativ dargestellte islamistische Milizen (»Terroristen«) über die NATO-Partner Türkei und Jordanien verdeckt aufgebaut, über Umwege mit Waffen und Fahrzeugen versorgt und indirekt durch Erdölexporte über das türkische Ceyhan-Terminal finanziert.

Syrienkrieg: Geopolitik und Medien

ISIS: Versorgungs- und Exportrouten über NATO-Partner Türkei und Jordanien (ISW / Atlantic, 2015)

Medienwirksame Greuelpropaganda und mysteriöse »Terroranschläge« in Europa und den USA boten nun Gelegenheit, ab 2015 auch ohne UNO-Mandat mit der NATO-Luftwaffe in Syrien einzugreifen – vorgeblich zur Bekämpfung der »Terroristen«, tatsächlich jedoch weiterhin zur Eroberung Syriens.

Auch dieser Plan scheiterte indes, da Russland die Präsenz der »Terroristen« im Herbst 2015 ebenfalls zum Anlass für eine direkte Intervention nahm und nun sowohl die »Terroristen« als auch Teile der »Rebellen« der NATO angreifen sowie den syrischen Luftraum weitgehend absichern konnte.

Ende 2016 gelang dadurch die Rückeroberung der Stadt Aleppo durch die syrische Armee.

Die NATO wechselte deshalb ab 2016 wieder auf positiv dargestellte, nun aber kurdisch geführte Milizen (die SDF), um weiterhin unangreifbare Bodentruppen verfügbar zu haben und das Territorium der zuvor aufgebauten »Terroristen« zu erobern, bevor dies Syrien und Russland selbst tun konnten.

Dadurch kam es 2017 zu einer Art »Wettrennen« um die Eroberung von Städten wie Raqqa und Deir ez-Zor und zu einer vorläufigen Teilung Syriens entlang des Euphrats in einen (weitgehend) syrisch kontrollierten Westen und einen kurdisch (bzw. amerikanisch) kontrollierten Osten (siehe Grafik unten).

Hierdurch geriet die NATO jedoch erstmals in Konflikt mit ihrem für die Kriegsführung und Logistik essentiellen Mitglied Türkei, denn die Türkei akzeptierte an ihrer Südgrenze kein kurdisch kontrolliertes Territorium. Die NATO-Allianz wurde dadurch ab 2018 zusehends uneinig.

Die Türkei bekämpfte nun in Nordsyrien die Kurden und unterstützte zugleich die verbleibenden Islamisten in der nordwestlichen Provinz Idlib gegen die syrische Armee, während sich die Amerikaner ab 2019 auf die ostsyrischen Ölfelder zurückzogen, um noch ein politisches Pfand in der Hand zu behalten.

Während die Türkei Islamisten in Nordsyrien unterstützte, versorgte Israel mehr oder weniger verdeckt Islamisten in Südsyrien und bekämpfte zugleich iranische und libanesische (Hezbollah) Einheiten durch Luftangriffe, letztlich jedoch ohne Erfolg: die Milizen in Südsyrien mussten 2018 aufgeben.

Zuletzt versuchten einige NATO-Staaten deshalb eine Konfrontation zwischen der türkischen und der syrischen Armee in der Provinz Idlib als vorerst letzte Eskalationsmöglichkeit zu nutzen. Auch die Frage der besetzten Gebiete im Norden und Osten Syriens ist indessen noch zu klären.

Russland versuchte seinerseits, die Türkei aus der NATO-Allianz zu lösen und möglichst auf die eigene Seite zu ziehen. Allerdings verfolgt die heutige Türkei eine sehr weiträumige geopolitische Strategie, die auch mit russischen Interessen im Nahen Osten und in Zentralasien zunehmend kollidiert.

Im Rahmen dieser Strategie nutzte die Türkei 2015 und 2020 zudem die sog. »Migrationswaffe«. Diese kann der Destabilisierung sowohl Syriens (sog. strategische Entvölkerung) als auch Europas dienen, sowie der Forcierung von finanzieller, politischer oder militärischer Unterstützung durch die EU.

Syrienkrieg: Geopolitik und Medien

Syrien: Die Situation im Februar 2020 (Grafik Al Jazeera)

Welche Rolle spielten die westlichen Medien in diesem Krieg?

Die Aufgabe NATO-konformer Medien war es, den Krieg gegen Syrien als einen »Bürgerkrieg«, die islamistischen »Rebellen« positiv, die islamistischen »Terroristen« und die syrische Regierung negativ, die angeblichen »Giftgasangriffe« glaubwürdig und die NATO-Intervention folglich als legitim darzustellen.

Ein wichtiges Instrument hierfür waren die zahlreichen westlich finanzierten »Medienzentren«, »Aktivistengruppen«, »Twitter-Mädchen«, »Beobachtungsstellen« und dergleichen, die westliche Agenturen und Medien mit den gewünschten Bildern und Informationen versorgten.

Seit 2019 mussten NATO-konforme Medien zudem diverse Leaks und Whistleblower verschweigen oder diskreditieren, die die verdeckten westlichen Waffen­lieferungen an die islamistischen »Rebellen« und »Terroristen« sowie die inszenierten »Giftgasangriffe« zu belegen begannen.

Wenn aber selbst die »Terroristen« in Syrien nachweislich von NATO-Staaten aufgebaut und mit Waffen versorgt wurden, welche Rolle spielte dann der mysteriöse »Terrorfürst« Abu Bakr al-Baghdadi? Womöglich eine ähnliche wie sein direkter Vorgänger, Omar al-Baghdadi: Dieser war ein Phantom.

Der Syrienkrieg war zugleich der historisch erste Krieg, über den unabhängige Medien aufgrund neuer Kommunikationstechnologien und direkter Quellen nahezu in Echtzeit berichten und damit die öffentliche Darstellung erstmals wesentlich beeinflussen konnten – ein bedeutender Wandel.

Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von Swiss Propaganda Research übernommen.


Weiterführende Literatur