Greta Thunbergs Mutter hat ein Buch geschrieben. Es heißt „Szenen aus dem Herzen“, der Name ist Programm und ich weiß nicht was ich davon halte. Einerseits war ich gefesselt von den Einblicken, die sie den Lesern in ihre Familie gewährt, andererseits präsentiert sie der Welt ihre Töchter auf dem Silbertablett und wie wir alle wissen, kennt die Welt keine Gnade, wenn es darum geht, jemanden zu schlachten.

Malena Ernmann, die Opernsängerin und Mutter zweier außergewöhnlicher Töchter, erzählt in kleinen Kapiteln, in Bruchstücken, hoch emotional, sie mischt ADHS und Aspergersymptome, den Mutismus und die Magersucht mit der sich seit langem anbahnenden Klimakatastrophe und dem ressourcenvernichtenden Lebensstil der westlichen Länder, macht hier die Ursachen aus für die Probleme, mit denen die Familie und besonders die Mädchen Greta und Beata zu kämpfen haben. Es schmerzt, diese Betrachtungen zu lesen, das Elend der Mädchen, die Fakten zur Klimakatastrophe, die bereits im Gange ist. Eine wilde Vermischung von kurzen Informationen über die Auswirkungen der Menschheit auf Klima und  Erde, in der ein –  für mein Empfinden – konstruierter Zusammenhang zwischen dem Befinden der Kinder und der gesamten Familie hergestellt wird.

Ja, die Kids weltweit, die sich um die Lebensbedingungen auf unserem Planeten sorgen, tun dies zweifelsohne zu Recht. Wir steuern seit längerem ungebremst auf eine Katastrophe zu und verschließen aus Bequemlichkeit (in den westlichen Ländern) die Augen davor. Und ganz sicher liegt der Fehler im System, anders kann ich mir nicht erklären, wieso weltweit die Politiker immer noch am ungebremsten Neoliberalismus und Kapitalismus festhalten, als ob sie dafür bezahlt würden Wenn ich mir Frau Klöckner unlängst  bei ihrer Nestlé Werbesendung anschaue ist der Verdacht auch nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Es geht nur ums Big Money, für einige wenige, weshalb zum Beispiel wird Kerosin subventioniert und ist Fliegen billiger als Bahnfahren? Wie kann es sein, dass die Lobbyisten der Großkonzerne und der Wirtschaft sich in Brüssel die Klinke in die Hand geben, normale Bürger aber außen vor gelassen werden, zusammen mit den NGO’s, die sich tatsächlich für ein menschenwürdiges Leben und die Erhaltung und Verbesserung unseres Lebensraumes einsetzen. In kleinen Sequenzen spricht Gretas Mutter all dies an, umreißt ein Bild dieses untergehenden Raumschiffs Erde und verzweifelt schier daran.

Diese Familie kämpft für die Menschheit und den Planeten, aber Mutter Thunberg instrumentalisiert ihre Töchter, wenn auch mit deren ausdrücklichem Einverständnis. Sie zeigt sie nackt vor einer geifernden Welt. Mir war unwohl beim Lesen, weil ich daran dachte, dass es die Welt nichts angeht wie es in der Seele eines Kindes aussieht, das mit gravierenden Entwicklungsproblemen zu kämpfen hat. Wie fühlen sich Greta und ihre Schwester in 10 oder 20 Jahren damit, habe ich gedacht. Fast scheint es, Familie Thunberg therapiert die Mädchen mithilfe des Engagements für Friday’s for Future. Man erfährt auch, dass das schwedische Sozial- und Bildungssystem nicht perfekt ist, wie schwierig es ist Hilfe zu bekommen, wenn es den Kindern schlechtgeht und wie ignorant Lehrer und Rektoren sein können. Malena Thunberg klagt an,  sie macht die äußeren Umstände allein verantwortlich für das Leiden ihrer Töchter, das ist nicht immer nachvollziehbar und es ist zu intim, was sie über ihre Kinder schreibt, auch wenn diese damit einverstanden sind. Beim Lesen bekommt man Mitleid mit dieser Frau, die so stark sein muss um ihre Töchter zu beschützen, da stellte sich mir die Frage weshalb sie sie derart öffentlich entblößt, um zu illustrieren was sie gedanklich umtreibt. Es erscheint mir unüberlegt emotional. Familie Thunberg/Ernmann scheint fest entschlossen, die Welt zu retten und sie illustriert das WESHALB diese gerettet werden muss sehr gut, so gut, dass es stark unbehaglich wird all ihre willkürlich eingeflochtenen und zusammengetragen Fakten, die ein erschreckendes Gesamtszenario zeichnen, zu lesen. Friday’s for Future ist genial, gut unfassbar nötig und wichtig, aber seine Kinder vor den neugierigen Blicken Verletzungen und Anfeindungen der Öffentlichkeit zu schützen ebenfalls!

So ist „Szenen aus dem Herzen“ ein wichtiges, aufrüttelndes, hochemotionales Buch, das ich mir zum Schutz der Kinder doch in einer abgewandelten, weniger intimen Variante gewünscht hätte. Für mich kam es ein wenig rüber wie: Hach, ich schreib mal schnell was, unstrukturiert und wenig überlegt, Hauptsache es kann schnell der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Dies ziemlich sicher aus einer sehr guten Absicht heraus, doch gutgedacht ist nicht immer gutgemacht. Es bleibt zu wünschen, dass die nachdenklich machenden Inhalte nachhaltig wirken und Leser aufrütteln von sich aus damit anzufangen etwas zu ändern und sich für unsren  Lebensraum Erde zu engagieren.

Szenen aus dem Herzen von Malena Ernmann ist 2019 beim S. Fischer Verlag erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das cover oder auf der Verlagsseite.

Der Originalartikel kann hier besucht werden