Der UN werden systematisch Finanzmittel vorenthalten, derweil geht das Geld an das unersättliche Militär. Wenn das nicht kurzsichtig, verantwortungslos und schändlich ist, was dann?
Die Vereinten Nationen begegnen einer der gravierendsten Finanzierungskrisen ihrer Geschichte. Laut des UN-Sekretariats hatten bis spät im Jahr 2025 lediglich 145 der 193 Mitgliedsstaaten ihre veranlagten Beiträge vollständig gezahlt. Somit bleiben 48 Länder im Rückstand mit ihrer Zahlungsverpflichtung und die Zahlungsrückstände laufen insgesamt auf 1.87 Mrd. USD [1,75 Mrd. Euro]. Das führt zu schwerwiegenden Folgen: die UN gab Haushaltskürzungen für das Jahr 2026 um 577 Mio. USD [495 Mio. Euro] bekannt, eine Verminderung um 15 %, und fast 19 % der Mitarbeiterstellen gekürzt werden, laut Al Jazeera am 2. Dezember 2025.
Das geschieht in einer Welt, in der alle UN-Mitglieder 2025 annähernd 3.000.000.000.000 USD [2,75 Mrd. Euro] für Waffen ausgegeben haben, die mehr Probleme hervorrufen, als sie lösen! Darin zeigt sich das unmoralische globale Verhältnis zwischen Gewaltlosigkeit und Gewalt. Soweit dieses aufrechterhalten wird, lässt sich schwer vorstellen, wie die Menschheit überleben sollte.
All das sollte für größere Schlagzeilen in weltweiten Medien sorgen als irgendetwas, das mit, sagen wir mal, der Ukraine zu tun hat, oder mit dem, was Trump gestern Nacht schrieb. Das tut es nicht. Es ist noch ein Beispiel dessen, was ich als den Analphabetismus der Welt gegenüber Konflikt und Frieden bezeichne: Menschen wissen oder schätzen nicht die wichtigste Organisation für Frieden und Entwicklung der Welt, eine Organisation, die in ihrem Artikel 1 verkündet, dass der Frieden auf friedliche Weise zu erreichen ist, und nur wenn alles versucht wurde und wirkungslos blieb, darf die UN eintreten und bei Bedarf Militärgewalt anwenden.
Diese Situation ist nicht das Ergebnis der Nichtzahlung eines oder zweier kleiner Staaten. Sie wird von den größten Volkswirtschaften und mächtigsten Mitgliedern verursacht, deren Zahlungsrückstände die der kleineren Länder in den Schatten stellen. Das Ungleichgewicht fällt stark auf: Während Mitgliedsstaaten insgesamt das Hundertfache mehr für Waffen als für das gesamte System der UN ausgeben, verfehlen sie auch sogar die mäßigen Verpflichtungen, die zur Funktion der Organisation vonnöten sind.
Die „Liste der Schande“: Die zehn größten Schuldner
Die folgende Tabelle stellt das Ausmaß des Problems dar. Sie listet die zehn bedeutendsten Schuldner oder Spätzahler nach Berichten und Presse-Briefings des Fünften Komitees der UN 2025 auf:
| Stand | Land | Geschätzte Rückstände (USD) | Notizen |
| 1 | Vereinigte Staaten | 1,5 Mrd. | Größter einzelner Schuldner; chronische Rückstände |
| 2 | Russland | ~ 900 Mio. | Erhebliche Rückstände |
| 3 | China | ~ 480 Mio. (verspätet) | Zahlt mit Verspätung und bringt Solvenz der UN dabei ins Schwanken |
| 4 | Mexiko | Hunderte von Millionen | Zählt zu den wichtigsten Nicht-Zahlern |
| 5 | Venezuela | im Rückstand (Artikel 19) | Riskiert Verlust der Stimme in der Generalversammlung |
| 6 | Afghanistan | im Rückstand (Artikel 19) | Unfähigkeit zur Beitragszahlung |
| 7 | Bolivien | im Rückstand (Artikel 19) | Formell überfällig |
| 8 | São Tomé & Príncipe | im Rückstand (Artikel 19) | Formell überfällig |
| 9 | Andere 49 Staaten | Kleinere Rückstände | Verteilt über Afrika, Asien, Lateinamerika |
| 10 | Spätzahler (verschiedene) | Jeweils Zehnmillionen | Dazu gehören Nationen mittleren Einkommensniveau, die ihre Beiträge verzögern |
Aus dieser Tabelle geht eindeutig hervor, dass die Finanzierungskrise der UN nicht von ihren ärmsten Mitgliedern verursacht wird. Die größten Volkswirtschaften––die Vereinigten Staaten, Russland, China und Mexiko––machen die überwältigende Mehrheit der Rückstände aus. Kleinere Staaten werden formell als „im Rückstand“ laut Artikel 19 der Charta der Vereinten Nationen aufgelistet und riskieren somit den Verlust ihrer Stimme in der Generalversammlung.
Der chronische Zahlungsverzug Chinas
Zwar stehen die Vereinigten Staaten und Russland ganz oben auf der Liste der UNO-Schuldner, doch die eigentliche Überraschung zeigt sich an anderer Stelle.
2021: Etwa 2 Monate spät gezahlt.
2022: Zahlung am 23. November 2022 bestätigt, die den üblichen Haushalt und die Friedenssicherung deckt.
2023: Zahlung getätigt, allerdings nicht innerhalb des Zeitfensters von 30 Tagen; Finanzberichte der UN deuten auf „geringere Einzüge“ und einen Bedarf an Liquiditätsmanagement aufgrund der Zahlungsverzüge hin.
2024: Fast 10 Monate verspätet gezahlt, letzte Rate am 27. Dezember 2024.
2025: Tendenz des Zahlungsverzugs dauert fort, trägt zur Rückstandskrise der UN in Höhe von 1.87 Mrd. USD bei; stand 29. Oktober, immer noch offen.
Dies ist kein belangloses Verhaltensmuster. Wegen der Größe von Chinas Beitrag lösen seine Zahlungsverzüge Solvenzkrisen für die UN aus, die, wie oben geschildert, schwerwiegende langfristige Folgen bedingen. Die Organisation kann ihren Haushalten nicht planen, kein Personal einstellen und seinen Betrieb nicht aufrechterhalten wenn eins ihrer größten Finanziers Zahlungen bis zum letztmöglichen Moment einbehält.
Rätselhaft dabei ist, dass kein anderes Land den gegenwärtigen und künftigen Stellenwert des internationalen Rechts, der UN und deren Charta so sehr und so häufig betont wie China. Die TFF [Transnationale Stiftung für Frieden und Zukunftsforschung] und ich haben das immer hervorgehoben und befürwortet; es ist ein glaubhafter und wesentlicher Baustein der friedensorientierten Außenpolitik Chinas sowie Chinas verschiedenen, sehr begrüßenswerten „Initiativdokumente,“ die mögliche Zukünfte für die Welt, ihre Sicherheit und Regierung skizzieren. Dies harmonisiert nicht mit der oben genannten Zahlungsstatistik.
Folgen für die UN
Die Folgen dieser Rückstände und Zahlungsverzüge werden durch die eigenen Ankündigungen der UN verdeutlicht und darüber breit in den Medien berichtet, darunter in der Reportage von Al Jazeera am 02. Dezember 2025:
- Haushaltskürzungen: 577 Mio. USD [495 Mio. Euro] werden vom Haushalt 2026 entfernt.
- Gestrichene Stellen: Fast 19 Prozent des UN-Personals wird abgeschafft.
- Programmeinfluss: Friedenssicherung, humanitäre Hilfe und Klimaschutzpläne werden zurückgefahren.
- Glaubhaftigkeit: Die Fähigkeit der Vereinten Nationen, als Rückgrat des Multilateralismus zu agieren, untergraben ausgerechnet die Staaten, die behaupten, diesen zu unterstützen.
Dabei fällt die Ironie auf. China, Russland und andere berufen sich häufig in Reden auf die Charta der Vereinten Nationen und stellen diese als Fundament sowohl des Multilateralismus als auch der sich entwickelnden multipolaren Weltordnung. Jedoch untergräbt ihr finanzielles Verhalten die Institution, die sie angeblich verteidigen wollen.
Wenn wir eine starke UNO und eine wirksame multinodale bzw. multipolare Zukunft im Dienst des Gemeinwohls wollen, dann muss die Perversion eines „1 UNO / 100 Militarismus“ beendet werden – und zwar jetzt. Und UN-Mitglieder müssen ihre ganzen Beiträge zählen, und zwar pünktlich. Um dies zu erreichen, ist es an der Zeit, eine globale Zukunftsdiskussion zu beginnen, anstatt den langweiligen geopolitisch-militärischen Diskurs fortzusetzen, der keine Lösungen bietet, sondern nur auf die Geschichte, die heutigen Ereignisse und deren Interpretationen starrt.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Olivia Howe vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!









