Leonid Pshenichov, ein 70-jähriger Biologe, wurde vom Kreml wegen „Untergrabung der russischen industriellen Krillfischerei in der Antarktis“ verhaftet. Der Vorwurf lautet auf Hochverrat. Die Verhaftung erfolgte, als er sich auf eine Reise nach Australien vorbereitete, um dort an einer Konferenz zum Schutz der antarktischen Meereslebewesen teilzunehmen.

Nach Angaben russischer Behörden ist Leonid ein Staatsbürger der Russischen Föderation, der „übergelaufen“ sei, da er sich bei der Antarktis-Konferenz Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources (Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresressourcen der Antarktis – CCAMLR) der ukrainischen Delegation angeschlossen habe. Die Anklage lautet, Leonid habe seine Position genutzt, um Russlands Krillfischerei in der Antarktis dadurch zu sabotieren, dass er einen ukrainischen Vorschlag zur „Einschränkung des Krillfangs“ unterstützt habe.

Diese Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresressourcen der Antarktis, die seit 1982 aus 27 Mitgliedsstaaten besteht, schlägt die Einrichtung eines Schutzgebietes rund um die Antarktische Halbinsel vor – speziell zum Schutz des Krills, der im Südpolarmeer eine zentrale Rolle in der marinen Nahrungskette spielt. „In diesem Jahr hat die Menge des in antarktischen Gewässern gefangenen Krills erstmals ein Niveau erreicht, das Wissenschaftler für nicht mehr nachhaltig halten“, berichtete The Guardian am 26. Oktober 2025 unter der Überschrift: „Russia Arrests Ukrainian Biologist for Backing Curbs on Antarctic Krill Fishing“.

Russland und China blockieren seit Jahrzehnten Vorschläge für Meeresschutzgebiete (MPAs) in dieser Region. Mitglieder der Kommission fordern nun Staaten wie Australien, die USA (wirklich?), Japan und andere auf, Moskaus Vorgehen zu verurteilen. Bemerkenswert ist: Leonid forscht seit 1983 für die Kommission und das seit 1994 als ukrainischer Wissenschaftler. Er und seine Familie leben in Kertsch, auf der Krim. Mehrere mit seiner Arbeit vertraute Forscher:innen sagen, sein Beitrag für die Kommission sei „kaum zu überschätzen“.

Dan Crockett, Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation Blue Marine Foundation, erklärt, Pshenichov sei inhaftiert worden „nur weil er wissenschaftliche Belege über die Auswirkungen der Krillfischerei auf das antarktische Ökosystem geliefert hat“ (ebd).

Krill – die unsichtbaren Helden der Meere: Laut der National Science Foundation sind antarktische Krill als die „Superhelden des Südpolarmeers“ einzuschätzen. Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA – derzeit auf Trumps Abschussliste) nennt sie: „Winzige Krill – Giganten in der Nahrungskette der Ozeane“.

Nature Communications beschreibt Krill als Meeresbewohner, die „die größten monospezifischen Schwärme im Tierreich bilden“ – was sie sowohl zu einer leichten Beute für hungrige Wale als auch für gigantische Hochseefischkutter (Trawler) macht.

Darüber hinaus spielt der Klimawandel eine zentrale Rolle im Lebenszyklus des Krills: Nature Communications (Oktober 2019) hob in der Studie „The Importance of Antarctic Krill in Biogeochemical Cycles“ ihre Bedeutung als wichtigen Kohlenstoffspeicher hervor: „Die Rolle des Phytoplanktons bei der Reduktion des atmosphärischen CO₂ und in der Fischproduktion stand im Mittelpunkt vieler biogeochemischer Studien.“ (ebd.)

Industrielle Krillfischerei

„Die riesigen Trawler bewegen sich langsam vorwärts. In kurzen Abständen zueinander werfen sie ihre Netze aus – Hunderte Meter lang – bevor sie diese in den eisigen Gewässern des Südpolarmeers versenken.“ („Licensed to Krill: The Industry Pressures on the Southern Ocean“, Oceanographic, 4. September 2025).

Alistair Allan, Antarktis-Direktor der Bob Brown Foundation, berichtet von seinen Erfahrungen mit den dokumentierten Fischereiaktivitäten in den Jahren 2022 und 2023: „Wenn ich auf die Fischereiaktivitäten zurückblicke, die in den Jahren 2022 und 2023 dokumentiert wurden, muss ich zugeben, dass ich völlig überwältigt war von dem, was ich gesehen habe – erstaunt über die enorme Konzentration der Fischerei in diesem kleinen Fleckchen Ozean“, ebd.

Die Krillfischerei durch riesige Trawler hat stetig zugenommen – von 106.000 Tonnen im Jahr 2006 auf 518.000 Tonnen im Jahr 2025. Krill wird in der Lachszucht, als Tierfutter und wegen seines hohen Omega-3-Gehalts auch in der menschlichen Ernährung verwendet.

Auf der diesjährigen Meereskonferenz der Vereinten Nationen in Nizza forderten Persönlichkeiten wie die renommierte Ozeanographin Sylvia Earle und der Schauspieler Benedict Cumberbatch ein vollständiges Verbot der Krillfischerei. Sie bezeichneten diese Branche als „nicht lebensnotwendige Aktivität“. Erschwerend kommt hinzu, dass die industrielle Fischerei nicht nur negative Auswirkungen auf eines der empfindlichsten Ökosysteme der Erde hat, sondern auch direkt zur Verschärfung der Klimakrise beiträgt, indem sie einen wichtigen Kohlenstoffspeicher zerstört.

„Wenn man sich anschaut, wofür Krill verwendet wird, sind das Dinge, die wir wirklich nicht brauchen“, sagt Alistair Allan. „Krill trägt nichts zur globalen Ernährungssicherheit bei, er ernährt nicht die Welt. Er wird zu Tierfutter verarbeitet, in der Lachszucht wird er zur Fütterung von Zuchtfischen eingesetzt, und er gelangt in vermeintliche Nahrungsergänzungsmittel“. (ebd.)

Wie es der Zufall will, tauchen bizarre, von Menschen verursachte Naturszenarien immer wieder unter den seltsamsten Umständen auf: Meeressäuger wie Wale, der Wunsch des Menschen nach körperlicher Perfektion, abrupte Klimaveränderungen und gigantische Metall-Trawler – alle jagen gleichzeitig winzige garnelenähnliche Krebstiere mit einer Länge von typischerweise 1–2 cm, die die Basis, buchstäblich das Fundament der marinen Nahrungskette bilden. Unter normalen Umständen entkommen die durchsichtigen Wesen mit blitzschnellen Rückwärtsschwimmbewegungen ihren Fressfeinden. Doch bei Netzen von 133 Metern Länge und einem Öffnungsumfang von 300 Metern versagen die seit Jahrhunderten perfektionierten Fluchttechniken. Die moderne Welt ist womöglich zu viel für diese uralten Lebewesen, die auf wundersame Weise dem Zahn der Zeit getrotzt haben – zwei Krill-Linien überlebten sogar das Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren. Nun scheint der Mensch in nur etwa 200 Jahren im Begriffe zu stehen, 65 Millionen Jahre Evolution fast gänzlich zunichtezumachen. Etwas stimmt hier nicht.

Ein durchschnittlicher Krillfischereitrawler fängt täglich etwa 100 Tonnen Krill, was 100.000.000 Tieren pro Tag und Schiff entspricht. Ein durchschnittlicher Trawler benötigt also etwa 10 Tage, um eine Milliarde (1.000.000.000) Krill zu fangen. Die Schiffe bleiben oft wochen- oder monatelang auf See, bis zu acht Monate am Stück, und lagern ihre Fänge über Kühlschiffe (sogenannte „Reefer“) aus.

Dieser Artikel verdeutlicht, wie sehr die gegenwärtige Zivilisation in Konflikt mit den Grundlagen des Lebens geraten ist, da sie die letzten verbliebenen, für das Leben grundlegenden Lebensformen des Planeten ausbeutet. Nichts symbolisiert den Irrsinn einer sterbenden Zivilisation treffender als das „Abernten von Krill“. Willkommen in einer Welt des Wahnsinns – und einer seltsamen Form von Dummheit.

Als Fußnote zu dieser Geschichte und als Alternative zum industriellen Krillfang: Ashlan Cousteau, preisgekrönte Umweltjournalistin, Produzentin und Mitbegründerin von EarthEcho International, geht die Krillkrise mit einer einfachen, aber bahnbrechenden Lösung an. Mit ihrem neuen Unternehmen SeaVoir hat sie ein auf Algen basierendes Omega-3-Präparat entwickelt, das Fisch- und Krillöl in seiner Nährstoffwirkung entspricht – ohne negative Auswirkungen auf marine Ökosysteme und zum gleichen Preis.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 7. November 2025 bei CounterPunch veröffentlicht. Die Übersetzung aus dem Englischen wurde vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

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