Eine einfache technische Verordnung der Europäischen Kommission, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) verabschiedet wurde, kann die Grundrechte eines Bürgers auf europäischem Gebiet ohne öffentliche Debatte oder vorheriges Gerichtsverfahren durch die Aufnahme in eine Liste außer Kraft setzen. Es geht nicht mehr nur um russische Oligarchen oder ausländische Beamte. Die Liste der Sanktionen aus Gründen wie Dissens zum Krieg in der Ukraine, pro-palästinensischem Aktivismus oder Kritik am postkolonialen Extraktivismus in Afrika und ähnlichen Vorwürfen umfasst heute mindestens 59 Personen und 17 Organisationen. Darunter befinden sich Europäer und Drittstaatsangehörige, deren einziges Vergehen politische Meinungsverschiedenheiten sind.

Wir analysieren zwei Fälle von Verwaltungsstrafen: den deutschen Journalisten Hüseyin Doğru und die schweizerisch-kamerunische Aktivistin Nathalie Yamb. Beide wurden mit derselben Strafe belegt: einem „administrativen zivilen, wirtschaftlichen und sozialen Tod”. Sie teilen sich ein bürokratisches Exil.

Die EU: Hier fällt die Europäische Kommission ohne Gerichtsverfahren administrative Urteile

Die EU ist ein Beispiel für Machtstrukturen, die keine Gewalt anwenden müssen, um zwingend zu sein. Sie inhaftieren nicht, verurteilen nicht öffentlich. Sie verwalten einfach. Sie entscheiden. Sie listen auf. Sie blockieren. Damit machen sie den Bürger zu einer verschwommenen Figur, die rechtlich zwar existiert, sozial aber nicht.

Trotz der historischen Konstruktion und großen Errungenschaft ist die EU von einem tiefen Ungleichgewicht zwischen politischer Integration und demokratischer Teilhabe geprägt. Dabei wurde die Souveränität in den 67–68 Jahren ihres Bestehens in den Korridoren Brüssels immer mehr verwässert. Das 1957 ins Leben gerufene europäische Projekt entstand als zivilisatorisches Unterfangen, um rund 3.200 Jahre Krieg, Territorialstreitigkeiten und dynastische Rivalitäten auf der europäischen Halbinsel (wir sind eine Halbinsel des eurasischen Kontinents) zu überwinden. Es wurde ein gemeinsamer Markt geschaffen und es wurden Fortschritte in der wirtschaftlichen und rechtlichen/normativen Integration erzielt. Eine effektive demokratische Beteiligung blieb jedoch auf der Strecke.

Das europäische Haus wurde vor allem von oben fertiggestellt, indem staatliche, wirtschaftliche, industrielle und finanzielle Interessen vereinbart wurden. Dabei wurde die Stimme seiner heute fast 450 Millionen Einwohner zunehmend in den Hintergrund gedrängt.

In diesem Zusammenhang verhandelt der Europäische Rat im Halbdunkel und die Europäische Kommission ist ein mächtiges, undurchsichtiges technokratisches Gremium. Sie wird nicht direkt gewählt und hat sich nach und nach Exekutiv- und Sanktionsbefugnisse angeeignet, die mitunter diktatorische Züge tragen. Das Ergebnis ist eine Maschinerie, die in ihrer täglichen Funktionsweise immer undurchsichtiger und undemokratischer wird.

Diese Maschinerie hat ein Verwaltungsinstrument entwickelt, das ohne Strafgerichte und gerichtliche Verurteilungen Auswirkungen haben kann, die mit einer vollständigen Strafe vergleichbar sind: Sanktionen. Werden diese Maßnahmen, die eigentlich für externe Akteure konzipiert sind, auf europäische Bürger mit Wohnsitz in der Union angewendet, ist das Problem nicht mehr diplomatischer Natur, sondern wird zu einer zentralen Frage der Rechtsstaatlichkeit.

Bevor wir uns mit den Geschichten von Hüseyin Doğru und Nathalie Yamb befassen, die in einem Verwaltungsgefängnis eingesperrt sind, müssen wir uns mit der Architektur der Macht auseinandersetzen, die sie ohne Gerichtsverfahren verurteilt hat. Denn sie standen nicht einer Regierung oder einem Gericht gegenüber, sondern einer einzigartigen und undurchsichtigen Maschinerie: einem bürokratischen Leviathan im Sinne Hobbes’, einer souveränen Macht, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung geschaffen wurde und nun im Verborgenen Grundrechte verschlingt.

Die Europäische Kommission ist zwar das administrative und exekutive Herzstück der EU, doch ihre Arbeitsweise ähnelt eher dem Labyrinth aus Kafkas Werk „Das Schloss“ als einem transparenten Ministerium, wie es in den EU-Mitgliedstaaten üblich ist. Kafkas Figur betritt das Labyrinth, um eine Kleinigkeit zu klären, und kommt nie wieder heraus … Ähnliches ist Hüseyin Doğru und Nathalie Yamb als Journalisten, Forscher, Aktivisten und Kritiker passiert.

Die Struktur der Kommission besteht aus 33 Generaldirektionen, echten technischen Feudalherrschaften, die von nicht weniger als 32.000 Beamten bevölkert werden – einer Zahl, die der Bevölkerung einer mittelgroßen europäischen Stadt wie Limburg an der Lahn entspricht. Sie befassen sich jedoch ausschließlich mit Regulierungs-, Aufsichts- und Gesetzgebungsaufgaben.

Ihre Arbeit ist zwar theoretisch öffentlich, findet jedoch in einem Nebel aus internen Verhandlungen, informellen „Trilogen” mit anderen Institutionen und einer so spezialisierten technischen Expertise statt, dass sie als Eintrittsbarriere für die Bürgeraufsicht und sogar für viele Parlamentarier fungiert. Diese Undurchsichtigkeit ist jedoch ein Einfallstor für den Einfluss der verschiedenen in Brüssel tätigen Lobbygruppen. So entsteht eine perverse Asymmetrie: Während es für einen Bürger fast unmöglich ist, Rechenschaft für eine bestimmte Entscheidung zu verlangen, finden Lobbygruppen mit enormen Ressourcen vielfältige Wege, um das Zünglein an der Waage zu sein. Ein Prozess, der nicht frei von Korruption ist – es gab bereits Gerichtsverfahren wegen Bestechung zugunsten verschiedener Industrieinteressen –, bei dem der Wortlaut der Vorschriften allzu oft bereits in den Büros der Lobbyisten entsteht. Die bürokratische Maschinerie beschränkt sich dann darauf, die Vorschriften zu überarbeiten und an die privaten Forderungen anzupassen.

Obwohl sie auf dem Papier dem Europäischen Parlament und den nationalen Staats- und Regierungschefs gegenüber rechenschaftspflichtig ist, bleibt die Verantwortungskette im Alltag unklar. Für einen Bürger ist es ebenso frustrierend, den letztendlich Verantwortlichen für eine bestimmte Entscheidung zu identifizieren: den Kommissar? Den Generaldirektor? Den Verfasser des Textes? – wie für K., der in Kafkas Schloss nach der Autorität sucht.

In diesem Umfeld, in dem die Bürokratie eines „Stadtstaates” die Kraft eines unanfechtbaren Dekrets erlangt, müssen wir die folgenden Fälle ansiedeln. Dabei handelt es sich nicht um Anomalien, sondern um die logische Konsequenz eines Systems, in dem technische Verfahren die Grundrechte in den Hintergrund drängen können. Das Schloss muss nicht grausam sein, es reicht, wenn es unerreichbar ist. Der lebende Beweis für diesen qualitativen Sprung hat einen Namen und einen Nachnamen. Beginnen wir mit der Geschichte von Hüseyin Doğru.

Vom Journalisten zur „unerwünschten Person“ in seinem eigenen Land

Hüseyin Doğru ist deutscher Staatsbürger. Er ist in Deutschland geboren, aufgewachsen und hat hier studiert und gearbeitet. Am 20. Mai 2024 brach sein Leben auseinander. Er tauchte im Anhang einer Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission auf, die im 17. Paket „anti-russischer” Sanktionen enthalten war. Laut offizieller Begründung ist er ein „russischer Desinformationsakteur”.

Die Beweise? Seine journalistische Arbeit. Er hatte für sein Medium Red Media über den Konflikt in Gaza und die Komplizenschaft des Westens, über die Besetzungen von Universitäten in Hamburg aus Solidarität mit Palästina sowie über soziale Proteste innerhalb der EU berichtet. Nach Ansicht der Kommission bot dieser Journalismus „terroristischen Organisationen eine Plattform”, „schürte soziale Unruhen” und diente letztlich „russischen Interessen”, indem er „die europäische Einheit untergrub”.

„Die Verbindung zu Russland war indirekt und argumentativ”, erklärte Doğru in einem Interview mit Pascal Lottaz. „Argumentativ” bedeutete in diesem Zusammenhang Gerüchte in den sozialen Netzwerken, Hasskommentare und Zeitungsausschnitte. „Ich werde als Desinformation eingestuft. Aber Desinformation ist rechtlich nicht definiert. Es ist eine dehnbare Kategorie.”

Das Verfahren war rein administrativ. Es gab keine formelle Anklage, kein Gerichtsverfahren und kein Recht auf vorherige Verteidigung. Die Außenminister der EU stimmten über ein Paket mit Dutzenden Namen ab. Sein Name war dabei. Am nächsten Tag wurde die Maschinerie in Gang gesetzt.

Der perfekte Mechanismus: effizient, undurchsichtig und verheerend

Dieses Verfahren wird durch delegierte Rechtsakte der Kommission aktiviert – ein technisches Instrument mit höchster Rechtskraft. Sobald es im Amtsblatt der EU veröffentlicht ist, gilt es sofort in allen Mitgliedstaaten und hat Vorrang vor den nationalen Gesetzen in diesem Bereich. Eine demokratische Kontrolle ist in der Praxis illusorisch. Das Europäische Parlament hat kein echtes Vetorecht gegenüber diesen individuellen Listen. Die Aufsicht erfolgt nachträglich, wenn der Schaden bereits irreversibel ist. Die Beweislast liegt nicht bei der Kommission, sondern beim Sanktionierten, der seine Unschuld gegenüber Anschuldigungen beweisen muss, die oft auf internen Geheimdienstberichten basieren.

Doğru entdeckte einen zusätzlichen bürokratischen Trick: Im Sanktions-Tracker der EU war er als türkischer Staatsbürger aufgeführt. „Ein EU-Bürger hat das Recht auf Anhörung, auf ein Verfahren. Ein Nicht-EU-Bürger nicht so sehr”, analysiert er. „Das ist institutioneller Rassismus und eine Form, die Grenzen dessen, was illegal getan werden kann, zu erweitern.“ Doğru besitzt jedoch nur die deutsche Staatsangehörigkeit, ist in Deutschland aufgewachsen und fühlt sich als Deutscher. Die Akte enthielt von Anfang an eine sachliche Falschangabe.

Die Folgen der Sanktion: 56 Euro und ein Leben in der Schwebe

Die Folgen der Verwaltungsentscheidung, ihn auf die Liste zu setzen, sind sehr real. Sie sind die systematische Zerstörung eines normalen Lebens:

  • Finanzielle Erstickung: Alle seine Bankkonten und die seiner Frau, die nicht sanktioniert ist, wurden eingefroren. Er wurde in seinem eigenen Land zu einem wirtschaftlichen Staatenlosen.
  • Auf den Cent genau kalkulierte Existenz: Die deutschen Behörden gestatten ihm, 56 Euro pro Monat aus seinen eigenen, gesperrten Mitteln auszugeben. Er lebt in Berlin, wo die durchschnittliche Miete bei über 700 Euro liegt. Er hat zwei neugeborene Zwillinge und einen sechsjährigen Sohn.
  • Bürokratie als Qual: Jede Zahlung, jeder Bedarf erfordert eine ausdrückliche Genehmigung. Er verlor seinen deutschen Personalausweis und musste einen neuen beantragen. Um die Gebühr zu bezahlen, benötigte er eine Debit- oder Kreditkarte, die er jedoch nicht erhalten konnte. Also beantragte er eine Sondergenehmigung bei der zuständigen Behörde. Die Antwort lautete „Nein”. „Der Prozess innerhalb der Sanktion, die Bürokratie, die Genehmigungen … das ist die Strafe an sich. Es ist sehr stressig, als nicht existierende Person für alles um Erlaubnis bitten zu müssen”, berichtet Doğru.
  • Völlige Isolation: Er kann nicht arbeiten. Er kann auch kein Geld von seiner Frau annehmen. Sein Anwalt warnte ihn, dass beide wegen „Umgehung von Sanktionen“ bestraft werden könnten, wenn ihn jemand auf einen Kaffee einlädt. Die Strafe erstreckt sich auch auf seine Familie, die aufgrund seines Status als Geiseln gilt. „Man kommt nicht ins Gefängnis, aber es ist schlimmer“, sagt Doğru empört. „Im Gefängnis hat man wenigstens Essen und Unterkunft. Das hier ist ein Tod oder eine Verbannung durch Bürokratie.“

Die Meinungsfreiheit schützt nur diejenigen, die zustimmen

Der Fall Doğru legt die zugrunde liegende Philosophie offen. Auf der Website der EU wird definiert, dass die Sanktionen „nicht strafend“ sind, sondern darauf abzielen, „ein nicht illegales Verhalten zu ändern“, um „die außenpolitischen Ziele“ der EU zu fördern.

Doğru übersetzt dies unverblümt: „Freiheit in der Europäischen Union ist die Freiheit, mit der Europäischen Union übereinzustimmen.“ Wenn man nicht übereinstimmt, kann die eigene Äußerung als strafbares Verhalten umgedeutet werden.

Ein Präzedenzfall, der die Tür zu einer finsteren Zukunft öffnet

Doğru hat sich an das Gericht der Europäischen Union gewandt. Ein ehemaliger Richter desselben Gerichts hat bereits erklärt, dass Sanktionen wie die gegen Doğru verhängten rechtswidrig sind und gegen Grundrechte verstoßen. Ein Sieg ist möglich, doch der Weg dorthin ist kafkaesk: langwierig, kostspielig – ein Verfahren kann mehr als 150.000 Euro kosten – und es gibt keine Aussetzung der Sanktion.

Denn das Berufungsverfahren hat einen perversen Mechanismus: Die Sanktionen werden alle sechs Monate überprüft. „Während ich gegen die erste Sanktion kämpfe, fügen sie einen neuen Grund hinzu (oder passen den ursprünglichen Grund formal an das Urteil an). Auch wenn ich derselbe bin und mein Fall auch derselbe ist, handelt es sich administrativ gesehen bereits um einen neuen Fall. Selbst wenn ich das erste Verfahren gewinnen sollte, werde ich in einem zweiten Verfahren weiterhin sanktioniert. Theoretisch könnten sie von vorne beginnen und mich in einer unendlichen Schleife halten.“

Seine Analyse geht über das Persönliche hinaus. Er erkennt ein historisches Muster: „Wenn Länder in eine wirtschaftliche und politische Krise geraten, nimmt die Unterdrückung zu. Die Gesellschaft muss ruhig gehalten und auf externe Feinde fokussiert werden.“ Europa, sagt er, befinde sich in einer mehrfachen Krise: „wirtschaftlich, sozial, in Bezug auf die Legitimität … und die Militarisierung …“, die mit Hochdruck voranschreite.

„Die liberale Demokratie, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Gewaltenteilung und Garantien aufgebaut wurde, ist nun zu einem Hindernis für ihre Agenda geworden. Deshalb greifen sie auf außergerichtliche Mechanismen zurück, die schneller, leiser und weniger auffällig sind.

Nathalie Yamb: Die postkoloniale Peitsche, die globale Dissidenten trifft

Während der Fall von Hüseyin Doğru bereits zeigt, wie die Maschinerie einen Bürger in seinem eigenen Land zermalmen kann, offenbart der Fall von Nathalie Yamb ihre extraterritoriale Reichweite. Er deutet zudem auf eine nach wie vor vorhandene tiefgreifende politische und postkoloniale Wurzel in der EU hin.

Yamb, Schweizerin und Kamerunerin, ist eine prominente Stimme des antikolonialen Aktivismus, der sich auf die Souveränität Afrikas konzentriert. Ihr „Verbrechen” war nicht Spionage, sondern ihre scharfe Kritik am rücksichtslosen Extraktivismus, unter dem die afrikanischen Nationen durch den Globalen Norden leiden – insbesondere die Rolle Frankreichs beim Abbau von Uran und anderen Ressourcen.

Laut der Europäischen Kommission wurde Yamb bestraft, weil sie „Frankreich und den Westen aus Afrika vertreiben wollte”. Ihr „Verbrechen” bestand in ihrer journalistischen Arbeit, ihrer politischen Analyse und ihrem Engagement für eine echte afrikanische Souveränität ohne Vormundschaft. Weder postkolonial noch durch politische und wirtschaftliche Strukturen des Westens oder des Globalen Nordens.

Die Konsequenzen trafen sie und Doğru überraschend. „Von einem Tag auf den anderen wurden meine Kreditkarten gesperrt, meine Bankkonten und meine Kryptowährungskonten geschlossen”, berichtet sie.

Die Schweiz schloss sich den Sanktionen an, obwohl sie kein EU-Mitglied ist. Eine Bank schloss ihre Konten und behielt ihr Geld in Euro ein, ohne eine Erklärung abzugeben.

Eine andere Bank beschränkte ihre Zahlungen so stark, dass alltägliche Transaktionen wie die Zahlung der Miete abgelehnt wurden. Sogar digitale Plattformen und Dienste wie Google, Amazon oder YouTube sperrten ihren Zugang und ihre Monetarisierung. „Die wirtschaftliche oder finanzielle Nabelschnur zu allem, was man tut, wird durchtrennt.“

Am aufschlussreichsten ist die aktive Komplizenschaft und Vernachlässigung seitens ihres Aufnahmestaates. Als sie um konsularische Hilfe bat, weigerte sich die Schweizer Botschaft, ihr zu helfen. Interne Dokumente belegen, dass die Behörden die Anweisung erhalten hatten, ihr „nicht zu helfen“. „Sie betrachten mich als Feindin der Schweiz“, sagt sie. Sogar ihre Familie ist davon betroffen. „Die Zahlungen ihres Sohnes werden abgelehnt, weil er denselben Nachnamen trägt.“

Yamb fasst den Mechanismus mit erschütternder Klarheit zusammen: „Den dystopischen Horror, den Sie jetzt im Herzen Europas entdecken, bekämpfe ich in Afrika. Seit Jahrzehnten tun sie das mit Menschen außerhalb Europas. Jetzt wenden sie es gegen ihre eigene Bevölkerung.“

Ihr Fall ist keine Anomalie, sondern der Beweis dafür, dass ein Instrument, das für die Außenpolitik entwickelt wurde, zu einer Peitsche für globale Dissidenten geworden ist.

Organisieren, nicht aufgeben: Solidarität als einziger Schutzwall

Der konkrete Schaden ist ein sich wiederholendes Muster. Die Geschichten von Hüseyin Doğru und Nathalie Yamb verdeutlichen ein bürokratisches Protokoll, das Abweichungen zu einem existenziellen Risiko macht. Dieser Mechanismus führt zu einem zivilen Tod ohne Gerichtsverfahren, zu einer kollektiven Bestrafung, die die Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit von innen heraus untergräbt. Es sind keine Mauern aus Ziegelsteinen mehr nötig, es reicht, eine Person vom Finanz-, Digital- und Verwaltungssystem abzuschneiden.

Die Warnung ist klar. Doğru urteilt: „Wenn sie mich angreifen, können sie in Zukunft auch dich angreifen, Aktivist oder Journalist.“ Europa steuert auf eine Phase zu, in der Dissens nur noch in immer engeren Grenzen toleriert wird und strukturelle Kritik als „hybride Bedrohung” bezeichnet wird. Yamb erweitert diese Sichtweise auf eine geopolitische Ebene: Das Instrument der äußeren Zwangsausübung ist nun zu einem innerstaatlichen Instrument geworden.

Angesichts dieser Logik weisen die Antworten beider in die gleiche Richtung: sich organisieren und Widerstand leisten. Dabei ist die Stärke der Gruppe entscheidend, und jede Aktion sollte medienwirksam und viral gemacht werden – kein individueller Heroismus.

Doğru besteht auf „Organisieren, organisieren, organisieren“: Medien schaffen, Unterstützungsnetzwerke aufbauen, Druck auf Politiker ausüben und ohne Angst informieren. „Betrachte diejenigen, die anders denken, nicht als Feinde, sondern als Gelegenheit zur Diskussion und zum Lernen. Demokratie braucht das.”

Nathalie Yamb rät aufgrund ihrer Erfahrungen mit Ausgrenzung zu einer praktischen Umgestaltung: Man solle Bankkonten außerhalb der EU suchen und alternative digitale Plattformen und Zahlungssysteme nutzen, die nicht vom Westen kontrolliert werden. Vor allem aber sollte man ein Ökosystem transnationaler Solidarität aufbauen. „Die einzige Lösung ist Solidarität”, sagt sie, „der Feind, den wir bekämpfen, ist ein Monster, und alleine kann man ihn nicht besiegen.”

Die Zukunft? Es gibt zwei Tendenzen: Entweder kämpft man für eine Zukunft mit einem von den Bürgern geschriebenen Drehbuch und Gemeinschaftsstrukturen in der EU oder alles wird von den Bürokraten der Europäischen Kommission vorgeschrieben, dem Organ, das am durchlässigsten für die Interessen von Eliten und Konzernen ist.

Die Zukunft Europas ist nicht durch die Vorschriften aus Brüssel in Stein gemeißelt. Sie wird durch den Willen ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie all jener geschrieben, die sich für Gerechtigkeit, freie Willensentscheidung, Privatsphäre, Meinungs- und Versammlungsfreiheit einsetzen – von innen wie von außen. All dies sind angeblich Grundwerte seit dem Vertrag von Lissabon. Es ist an der Zeit, sich zu informieren, zu organisieren und vernetzten Aktivismus zu schaffen. Unser Handeln ist transpersonal, vernetzt und auf der Suche nach dem, was uns verbindet, angesichts von Realitäten, die uns nicht mehr repräsentieren und/oder nicht mehr fragen.

Die Sanktionierten: Neueste Entwicklungen

Inzwischen gibt es 59 von der EU sanktionierte Personen sowie einige Aktivistenorganisationen. Dies ist nur der Anfang. Zum Abschluss dieses Artikels und neu hinzugefügt auf dem sehr zu empfehlenden Kanal „Neutrality Studies Deutsch”, siehe „Regieren per Dekret: Das Ende der Demokratie in Brüssel“, in dem Pascal Lottaz selbst über die neuesten Entwicklungen zu diesem Thema berichtet. Wie das alte Sprichwort besagt: Wenn du den Bart deines Nachbarn brennen siehst,  …

Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Quellen: