Mit einem undemokratischen Manöver hat die EU-Kommission den Ratifizierungsprozess des umstrittenen EU-Mercosur-Abkommens gestartet. Statt wie vorgesehen die nationalen Parlamente abstimmen zu lassen, will die Kommission das Abkommen in zwei Teile “splitten”. Für ein vorläufiges Inkraftsetzen des entscheidenden Handelsteils wäre dann lediglich eine qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat notwendig. Das Umweltinstitut kritisiert das Ausbooten der nationalen Parlamente im Ratifizierungsprozess scharf.

„Mit diesem Trick schafft die Kommission ohne ausreichendes Mandat Tatsachen und umgeht demokratische Entscheidungswege“ kritisiert Ludwig Essig, Experte für Handelspolitik am Umweltinstitut. „Geschlagene zwei Jahrzehnte haben die Mercosur-Staaten und die EU-Kommission gebraucht, um diesen Deal auszuhandeln, der jetzt mit aller Gewalt gegen den Widerstand etlicher Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden soll. Zwischen die Räder geraten sind dabei der Regenwald, das Klima sowie die Bäuerinnen und Bauern“.

Das Mercosur-Abkommen ist seit jeher hoch umstritten: Umweltverbände, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und bäuerliche Interessenvertretungen warnen vor massiver Regenwaldzerstörung, vor einer Schwächung von Menschenrechten und vor existenzbedrohenden Wettbewerbsnachteilen für die europäische Landwirtschaft.

Ein Rechtsgutachten des Völkerrechtlers Prof. Markus Krajewski bestätigt, dass eine vorläufige Anwendung ohne neues Mandat durch den Rat gegen das ursprüngliche Verhandlungsmandat verstößt – und damit rechtswidrig wäre.

(Umweltinstitut Pressemitteilung 3.9.2025)

Hintergrund:

Das geplante EU-Mercosur-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay stößt auf heftige Kritik. Es wird als ein Relikt einer überholten Handelspolitik bezeichnet, die Konzerninteressen über den Schutz von Mensch und Natur stellt und damit eine neokoloniale Logik fortschreibt.

Die Verhandlungen laufen bereits seit 1999, politisch abgeschlossen wurde das Abkommen 2019. Wegen der massiven Abholzungen im Amazonas unter der Regierung Bolsonaro kam es jedoch nicht zur Ratifizierung. Mit der Wahl von Luiz Inácio Lula da Silva hofften viele auf einen Neuanfang in Sachen Klima-, Arten- und Menschenrechtsschutz. Diese Hoffnung droht jedoch durch den EU-Mercosur-Deal zunichtegemacht zu werden, da die Kommission trotz wachsendem Widerstand eine schnelle Umsetzung anstrebt. Kritisiert wird insbesondere, dass das Abkommen mit einer juristisch schwachen Zusatzerklärung beschönigt und zudem in Handels- und politische Teile aufgespalten werden soll. Dadurch könnten zentrale Klauseln, etwa zu Menschenrechten, wirkungslos bleiben.

Die Folgen wären gravierend: Mit Inkrafttreten würden Importe von Fleisch, Zucker und Bioethanol massiv steigen. Dies hätte in Europa Preisdumping und das Sterben weiterer Bauernhöfe zur Folge, während in Südamerika großflächige Abholzungen des Amazonas vorangetrieben würden. Hinzu kommt, dass verbotene EU-Pestizide dort eingesetzt werden und über Obst- und Gemüseimporte wieder in europäischen Supermärkten landen könnten. Auch die Mobilitätswende würde durch das Abkommen gebremst. So entfallen Zölle auf Autos und Autoteile, was den Export von Verbrennerfahrzeugen aus der EU begünstigt und lokale Wertschöpfung in den Mercosur-Staaten erschwert. Gleichzeitig werden Umweltstandards gesenkt, und durch die vereinbarten Bioethanolimporte aus Zuckerrohr drohen Umweltzerstörung und Vertreibung indigener Gemeinschaften.

Darüber hinaus verstärkt das Abkommen den Raubbau an Rohstoffen. Die EU sichert sich Zugang zu wichtigen Exporten wie Eisenerz oder Erdöl und verhindert Schutzzölle sowie Exportbeschränkungen. Für die betroffenen Regionen bedeutet dies weitere Naturzerstörung, Landkonflikte und schlechte Arbeitsbedingungen, während Unternehmen trotz internationaler Standards kaum zur Verantwortung gezogen werden.

Insgesamt wird das Abkommen als Gefahr für Mensch und Umwelt gesehen. Anstatt ein solches Projekt durchzusetzen, fordern Kritiker einen grundlegenden Neustart der europäischen Handelspolitik.