Hier möchte ich von zwei Afrikanern berichten, deren Lebenswege so wenig bekannt wie dennoch faszinierend sind.

Welches ist das erste Land oder Königreich südlich der Sahara, das einen Botschafter beim Vatikan hatte? Noch bis vor zehn Jahren wusste ich das nicht, denn in meinem Land, dem Kongo, lernt man in der Schule eher die Geschichte des Westens als die afrikanische Geschichte. Doch als ich Rom besuchte, um die Schönheit der Stadt zu entdecken, sprach mich eine Frau an und fragte mich, aus welchem Land ich käme. Aus dem Kongo antwortete ich und sie sagte mir, dass es in der Basilika Santa Maria Maggiore einen Vorfahren von mir gäbe. Einer meiner Vorfahren? Ich dachte vielleicht ein Priester oder irgendein anderer Landsmann, und da die Kirche geöffnet war, trat ich ein und erblickte eine Büste, schwarz wie Kohle. Hinter mir sagte jemand: “Hier nennt man ihn Negrita!”. Ich drehte mich um und es war dieselbe Frau, die ich auf der Straße getroffen hatte. In dieser Nacht habe ich nicht geschlafen. Ich habe mich gefragt, was diese Büste in dieser Kirche zu bedeuten hat.

Und dann entdeckte ich eine faszinierende Geschichte: 1604 entsandte König Mpanzu-a-Nimi aus dem Kongo einen Botschafter nach Rom: Nsakuk Ne Vunda, einen kultivierten und brillianten Mann, der Latein sprach. Ziel war es, eine direkte Verbindung zu Papst Paul V. herzustellen und sich von der brutalen Knechtschaft der Portugiesen mit ihrer Gier nach Metallen und Reichtum sowie den verheerenden Auswirkungen des Sklavenhandels zu befreien. Die Reise von Ne Vunda brachte jedoch Unvorhergesehenes sowie Hindernisse mit sich: er reiste über Brasilien, Portugal und Spanien, wurde dabei von Piraten angegriffen, erlitt Schiffbruch und wurde von der Inquisition verfolgt.

Als er schließlich vier Jahre später in Rom ankam, war Ne Vunda dermaßen geschwächt, dass er sich kaum noch aufrecht halten konnte. Er starb am 6. Januar 1608, ohne seine Mission verfolgen zu können. Zu seinem Andenken organisierte der Papst einen Trauerzug durch die ganze Stadt, vom Petersdom zur Basilika Santa Maria Maggiore, in der er beigesetzt wurde und wo sich noch heute sein Grab und die Büste aus schwarzem Marmor mit seinem Konterfei befindet. Ein Fresko, dass ihn auf dem Sterbebett mit Paul V. an seiner Seite zeigt, befindet sich in der Paulinischen Kapelle im Vatikan. Heute fordern zahlreiche seiner Nachkommen seine Überführung in den Kongo.

Seine abenteuerliche Reise wird im Buch „Ein Ozean, zwei Meere, drei Kontinente“ des kongolesischen Schriftstellers Wilfrid N’Sondé beschrieben.

Abraham Hannibal oder Abram Petrovich Gannibal war ein afrikanischer Prinz, Sohn von Brouha aus Lagone, einer Region im Norden von Kamerun. 1703, im Alter von 7 Jahren, wird er von Sklavenhändlern gekidnappt und an den Hof von Ahmed III, dem ottomanischen Sultan von Konstantinopel verschleppt. Ein Jahr später wird er heimlich von Zar Peter I. nach Russland gebracht, unterstützt durch dessen Botschafter, Pjotr Tolstoi, dem Urgroßvater des berühmten Schriftstellers Leo Tolstoi. Offensichtlich verfolgte Peter der Große mit diesem schwarzhäutigen Kind die Absicht zu beweisen, dass intellektuelle Fertigkeiten und andere menschliche Qualitäten nicht vom Geburtsort abhängen.

Der Zar adoptierte ihn und schickte ihn 1717 nach Frankreich zum Studium der Künste, des Ingenieurwesens und der Mathematik – alles Bereiche, in denen er außerordentliches Talent bewies.  Er lernte mehrere Sprachen, kämpfte in der Armee Ludwig des XV. und erhielt einen Kapitänsgrad. Während seines Aufenthalts in Frankreich nahm er seinen Familiennamen zu Ehren des karthagischen Feldherren Hannibal an und war in Freundschaft mit den Persönlichkeiten des Jahrhunderts der Aufklärung, wie Diderot, Montesquieu und Voltaire verbunden.

Nach seiner Rückkehr nach Russland unter der Herrschaft von Zarin Elisabeth führte er die Lehre der zivilen Architektur an den Instituten für Militärtechnik ein, machte Karriere in der Armee bis hin zum Grad eines Generals und errichtete Krankenhäuser für die Arbeiter und untersagte gegen sie angewendete Folter. Seine schwarze Gesichtsfarbe bedeckte er dabei mit weißem Puder, da sie von einigen Personen am Zarenhof nicht toleriert wurde.

1742 ersuchte er die Zarin Elisabeth um einen Adelstitel sowie um ein Wappen, das mit einem Elefanten und der Inschrift „FVMMO“ verziert sein sollte. In der Sprache Kotoko, die im Tschad, in Nigeria und in Kamerun gesprochen wird, bedeutet dieses Wort „Heimat“.

Er heiratete die schwedische Adlige Christine-Régine de Schoëberg. Einer ihrer beiden Söhne, Joseph, war der Großvater des Dichters, Essayisten, Schriftstellers und Dramaturgen Alexander Puschkin, der als Begründer der modernen russischen Literatur gilt.

Die von dem beninischen Gelehrten Dieudonné Gnammankou durchgeführten Studien haben gezeigt, dass Gannibal aus der Region des Tschad-Sees und nicht aus Äthiopien stammte, wie lange angenommen worden war. Und sie warfen eine neues Licht auf den schwarzen Vorfahren Puschkins.

Büste von Abram Petrovich Gannibal im Park von Petrowskoje. Foto: Ludushka, Wikimedia Commons

Weitere Artikel in der Reihe „Afrika, eine Geschichte zum Wiederentdecken“ sind hier zu finden.

Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!