Die Frage eines Ukraine-Abkommens stellt sich aus zwei Gründen nicht. Erstens: Die krieg-führenden Parteien wollen, dass der Krieg weitergeht. Zweitens, wenn sie bereit wären, ein Abkommen zu schließen, weiß jeder auf allen Seiten genau (oder fast genau), wie es aussehen müsste, und das war schon immer so. Früher oder später wird man sich darauf einigen müssen, sonst geht die Welt unter. (Ja, ich bin mir bewusst, dass es nach der nuklearen Apokalypse immer noch einen Felsen geben wird, auf dem vielleicht ein paar Kakerlaken sitzen; ich finde das nur nicht besonders interessant).

Wenn wir uns das Minsk-II-Abkommen ansehen, das vor dem Krieg in Kraft war und dessen Einhaltung den Krieg verhindert hätte, oder die Vorschläge, die Russland kurz vor seiner Invasion machte, oder den Vorschlag Italiens vom letzten Jahr (auch hier), oder den Vorschlag, den China kürzlich gemacht hat, oder die Vorschläge von kriegsbefürwortenden Stink Tanks in den USA wie Brookings und dem Center for the National Interest, dann stellen wir fest, dass sie alle diese Punkte gemeinsam haben:

Waffenstillstand

Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus der Ukraine

(Nur China erwähnt das nicht ausdrücklich, während es allgemeine Grundsätze angibt, die dies erfordern).

Die Ukraine ist neutral / nicht in der NATO

(Nur Minsk II sagt dies nicht, während China es auf seine eigene vage Art und Weise ausdrückt).

Erhebliche Autonomie für die Menschen auf der Krim und im Donbass, damit sie sich selbst verwalten können, wie sie es für richtig halten.

(Nur Russland und China erwähnen dies nicht, und Minsk II erwähnt die Krim nicht; Italien sagt, dass diese autonomen Regionen Teil der Ukraine sein werden, während die Think Tanks und Minsk II sagen, dass der Donbass Teil der Ukraine sein wird, und die Think Tanks sagen, dass die Krim Teil Russlands sein wird. The National Interest schlägt vor, dass Luhansk und Donezk über ihr Schicksal abstimmen sollen, und sagt das Gleiche vermutlich nur deshalb nicht für die Krim, weil die Krim bereits abgestimmt hat und absolut jeder weiß, wie sie abstimmen würde, wenn sie erneut abstimmen müsste).

Entmilitarisierung

(Auch wenn die Details variieren, sind sich alle einig, dass das hohe Niveau der Bewaffnung, der Truppen und der Kriegsvorbereitungen in der Region reduziert werden muss).

Beendigung der Sanktionen

(Nur in den beiden Vorschlägen, die den jüngsten Sanktionen gegen Russland vorausgingen, wird die Notwendigkeit der Beendigung einseitiger Sanktionen nicht erwähnt).

Rechtsstaatlichkeit

(Alle sind sich einig, nur mit Unterschieden in den Details und Heucheleien, dass die internationale Rechtsstaatlichkeit und die Vereinten Nationen gestärkt werden müssen – mit Ausnahme der nationalen Interessen).

Friedliche Beziehungen

(Alle sind sich darin einig, dass friedliche, diplomatische Beziehungen hergestellt, humanitäre Hilfe geleistet und – mit anderen Worten – ein Prozess der Wahrheit und Versöhnung vorangetrieben werden muss.)

Die Tatsache, dass der oben beschriebene Entwurf eines Abkommens allen bekannt ist, wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass sich die Ukraine und Russland im März 2022 beinahe darauf geeinigt hätten, bevor die USA und das Vereinigte Königreich die Ukraine unter Druck setzten, den Krieg fortzusetzen.

Hier ein Auszug aus Medea Benjamins und Nicolas Davies‘ Buch War in Ukraine: Making Sense of a Senseless Conflict (Der Sinn eines sinnlosen Konflikts):

„Am 10. März trafen sich die Außenminister Russlands und der Ukraine in Antalya, Türkei, unter Vermittlung des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu. Diese Gespräche wurden vom 14. bis 17. März per Videokonferenz fortgesetzt, wobei Israel als zweiter Vermittler auftrat, und führten zu einem 15-Punkte-Plan, den Selenskyj als ‚realistischer‘ als frühere Vorschläge bezeichnete. Die wichtigsten Punkte des Plans waren ein Waffenstillstand und der Rückzug Russlands sowie die Annahme eines neutralen Status durch die Ukraine, ähnlich dem Österreichs. Im Gegenzug zu neuen Sicherheitsgarantien anderer Länder würde die Ukraine auf jegliche Pläne für einen NATO-Beitritt verzichten und versprechen, keine ausländischen Waffenanlagen oder Militärstützpunkte zu beherbergen. Außerdem würde die russische Sprache auch als Amtssprache in der Ukraine anerkannt werden. Russlands Knackpunkte betrafen die Art der Sicherheitsgarantien und die Frage, welche Länder sie geben würden, sowie die Einzelheiten, wie über die Zukunft der Krim und der beiden Volksrepubliken im Donbass entschieden werden sollte. Aber die Umrisse einer Friedensregelung lagen auf dem Tisch.“

Bis sie es nicht mehr waren. Aber es ist nicht so, als wüssten wir nicht mehr, was sie sind.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Joachim Dyck vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige! 

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