Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte jährt sich dieses Jahr zum 75. Mal. Auf die Menschenrechtscharta und deren Inhalt hinzuweisen ist notwendiger denn je. Die Inselgalerie in Berlin organisierte aus diesem Grund Lesungen und Gespräche mit den vier Künstler:innen Esther Dischereit, Kinga Tóth, Ronya Othmann und Sinthujan Varatharajah.

Jüdisch. Solidarisch. Antirassistisch.

Esther Dischereits Texte sind Einmischungen in politische Angelegenheiten. Sie zeigt auf die nationalistischen Konstruktionen und die staatliche Gewalt, sie ist persönlich involviert und widerspricht. Die Essays in dem Band „Mama, darf ich das Deutschlandlied singen“ handeln von deutsch-jüdischen Zuständen, der Aktualität rassistischer Strukturen bei Behörden und anderen Institutionen, von Erfahrungen der neunziger Jahre zwischen Ost und West. Dischereits Texte stellen sich der Frage, wie demokratische und solidarische Prozesse vorankommen können.

Esther Dischereit schreibt Prosa, Essays, Lyrik und Stücke für Radio und Theater. Sie erhielt 2009 den Erich-Fried-Preis und war von 2012 bis 2017 Professorin an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sie war 2012/13 Beobachterin des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. Zuletzt, 2021, erschien die Dokumentation „Hab keine Angst, erzähl alles! Das Attentat von Halle und die Überlebenden“, indem Esther Dischereit Betroffene und Zeugen interviewt und den Gerichtsprozess aufzeichnet.

Donnerstag, 26. Januar 2023, 19 Uhr
Esther Dischereit „Mama, darf ich das Deutschlandlied singen“
Lesung und Gespräch

Kinga Tóth schreibt über das krank sein, über die Ohnmacht einer jungen Patientin, die Behandlungen und Mediziner:innen ausgesetzt ist, denen sie nicht vertraut, vor denen sie sich fürchtet, wie sie sich ständig vor dem Tod fürchtet, obwohl ihr der Arzt sagt: Fürchten Sie sich nicht vor dem Tod! Mondgesichter ist keine Krankengeschichte. Es geht um die Einsamkeit des Menschen, wenn er nicht mehr funktioniert, weil er nicht dem Standard einer auf Effizienz getrimmten Welt entspricht und sich nicht optimieren kann.

Auf dem Hochseil balanciert die Autorin zwischen Lyrik und Prosa. Ihre Texte verknüpft sie mit Sound und Film zu einer Performance.

Kinga Tóth, 1983 in Sárvár/Ungarn geboren, ist Klang-Poet-Illustratorin und Kulturmanagerin. Das heißt, sie arbeitet sowohl musikalisch als auch schriftstellerisch als auch bildnerisch. In ihren Performances verbindet sie die Genres. Tóth hat Sprachwissenschaften studiert und veröffentlichte auf ungarisch, deutsch und englisch zahlreiche Gedichtbände. In Ungarn arbeitet sie als Lektorin für ein Kunstmagazin.

Dienstag, 21. Februar 2023, 19 Uhr
Kinga Tóth „Mondgesichter“ Lecture-Performance und Gespräch

Das Dorf liegt in Nordsyrien, nahe zur Türkei. Jeden Sommer verbringt Leyla dort. Sie kennt seine Geschichten. Sie weiß, wo die Koffer versteckt sind, wenn die Bewohner wieder fliehen müssen. Leyla ist Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden. Im Internet sieht sie das von Assad vernichtete Aleppo, die Ermordung der Jesiden durch den IS, und gleich daneben die unbekümmerten Fotos ihrer deutschen Freunde. Leyla wird eine Entscheidung treffen müssen. Ronya Othmanns Debütroman ist voller Zärtlichkeit und Wut über eine zerrissene Welt.

Ronya Othmann wurde 1993 in München geboren und studiert am Literaturinstitut Leipzig. Sie erhielt unter anderem den MDR-Literaturpreis, den Caroline-Schlegel-Förderpreis für Essayistik, den Lyrik-Preis des Open Mike und den Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs, war 2018 in der Jury des Internationalen Filmfestivals in Duhok in der Autonomen Region Kurdistan, Irak, und schreibt für die taz gemeinsam mit Cemile Sahin die Kolumne „OrientExpress“ über Nahost-Politik.

Donnerstag, 23. März 2023, 19 Uhr
Ronya Othmann liest „Die Sommer“ und „Die Verbrechen“, mit Gespräch

Kolonialismus und das ‚Danach‘: Sinthujan Varatharajahs an alle orte, die hinter uns liegen ist ein Hybrid aus Familiengeschichte und politischem Essay und befasst sich mit der Frage, wie sich Kolonialismus in unsere Gegenwart und in unseren Alltag eingeschrieben hat. Wie wirken sich imperialistische Bestrebungen bis heute auf unsere Lebensrealität aus – und wie beeinflussen sie aktuelle Migrations- und Asylfragen? Sinthujan Varatharajah macht deutlich: Unsere kolonialistische Vergangenheit betrifft und umgibt uns alle in unserem Alltag – so omnipräsent, dass wir es meistens gar nicht mehr wahrnehmen.

Sinthujan Varatharajah, 1985 in Coburg als Kind tamilischer Eltern geboren, ist freier Wissenschaftler und Essayist. Seine eigene tamilische Herkunft, der Völkermord an den Tamilen, in dessen Folge seine Eltern aus Sri Lanka geflohen waren und die zerstörte Kultur der Tamilen sind Thema seiner publizistischen Arbeit wie auch Flucht, Vertreibung und Staatenlosigkeit anderer Ethnien.

Dienstag, 4. April 23, 19 Uhr
Sinthujan Vartharajah liest „an alle Orte, die hinter uns liegen“ mit Gespräch

Veranstaltungsort: INSELGALERIE Berlin, Petersburger Straße 76A, 10249 Berlin
(U5 Frankfurter Tor / M10 Bersarinplatz) Die M10 fährt ab Hauptbahnhof.

Eintritt: 5 Euro / erm. 3 Euro
Einlass: 18:30 Uhr Beginn: 19 Uhr
Anmeldung: lesung@inselgalerie-berlin.de