Ehemalige Korrespondenten fassen nicht selten ihre Erfahrungen in einem Buch zusammen. Vor allem, wenn es sich um Länder handelt, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung als schwierig darstellen, weil sie aufgrund der Reiseformalitäten nicht einfach zu besuchen sind und/oder als politisch risikobeladen gelten. Sicherlich gehört der Iran zu dieser Kategorie.

Umso erfreulicher ist es, wenn eine Korrespondentin, die zudem familiär mit diesem Land verbunden ist, Kultur und Sprache kennt und über Wurzeln in die Zivilgesellschaft verfügt, ein solches Buch präsentiert. Natalie Amiri ist solch ein Glücksfall: Vater Iraner, Mutter Deutsche und seit Kindesbeinen immer wieder im Land gewesen.

Natalie Amiri: Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran
(Quelle: Gerhard Mersmann/YouTube)

Seit Abschluss ihres Studiums hat sie wiederholt über längere Phasen aus dem Iran berichtet, zumeist für die ARD. Die gesamten Erfahrungen hat sie zusammengefasst in dem Buch „Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran“. Die Lektüre lohnt sich, weil Amiri zu viel Empathie besitzt, um sich in den Floskeln offizieller Politikverortung zu verlieren.

Mosaiksteine

In insgesamt 24 Kapiteln werden die unterschiedlichen Perspektiven und Aspekte beleuchtet, auf die es der Autorin ankommt. Da sind Erinnerungen aus der Familiengeschichte, da sind Exkurse in die iranische Geschichte, da wird berichtet über die Methoden des Regimes und Erfahrungen aus dem Widerstand. Da werden die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen beleuchtet und die Perspektiven der unterschiedlichen internationalen Interessengeflechte transparent gemacht.

Es sind in einer gut verständlichen und jedermann zugänglichen Sprache verfasste Mosaiksteine, die zu einem Bild des Irans beitragen, dass das Land als eine kulturhistorisch wichtige Nation verdient hat.

Was bei der Lektüre immer wieder wohltuend ins Auge sticht, ist das Bemühen der Autorin, authentisch zu sein und vor allem sich nicht von tagespolitisch opportunen Positionen korrumpieren zu lassen. Übrigens ein Phänomen, das zunehmend die Lektüre derartiger Bücher von ehemaligen Korrespondenten verleidet.

Keine Beschönigungen

Wer Amiris Ausführungen folgt, wird Zeitzeuge eines einzigartigen Dramas, das bis zu den kolonialen Interventionen der Briten zurückreicht und der den mithilfe der CIA inszenierten Putsch gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten Mohammad Mossadegh (1), der sich anmaßte, die Ölindustrie verstaatlichen zu wollen, nicht ausspart. Und auch die brutalen Folterkeller des dann installierten Schah Mohammad Reza Pahlavi (2) nicht verschweigt.

Quasi als logische Konsequenz folgte dann die von der Bevölkerung mitgetragene Revolution des schiitischen Klerus, der sehr schnell in eine die Menschenrechte verachtende Autokratie/Theokratie abgeglitten ist und das Land in ein Gefängnis verwandelt hat. Da wird nichts beschönigt, weder die Diktatur des Klerus noch die immer die Falschen treffenden Sanktionen seitens des Westens.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt ist die treffsichere Schilderung der unterschiedlichen Protestbewegungen der letzten zwanzig Jahre und die Einschätzung in Bezug auf die entscheidende Rolle der Frauen.

Obwohl das Buch bereits 2021 erschienen ist, beinhaltet es die richtigen Prognosen hinsichtlich der gegenwärtigen Aufstände, die durch die Frauen im Iran angeführt werden. Da blickt nicht jemand von außen auf ein Land, sondern die Beobachterin gehört dazu. Das ermöglicht ihr einen sehr bereichernden Blick.

Wer sich jenseits der kurzatmigen politischen Pamphlete ein Bild vom gegenwärtigen Iran machen will, dem sei Amiris Buch „Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran“ wärmstens empfohlen. Auch und gerade der Iran ist komplexer, als man von interessierter Seite oft suggerieren will.

Informationen zum Buch

Zwischen den Welten

Von Macht und Ohnmacht im Iran

Autorin: Natalie Amiri

Genre: Sachbuch (Politik, Gesellschaft)

Sprache: Deutsch

Seiten: 254

Erscheinung: März 2021

Verlag: Aufbau

ISBN: 978-3-351-03880-9

Über die Autorin

Natalie Amiri (Jahrgang 1978) ist Journalistin, Fernsehmoderatorin und Buchautorin. Ihr Vater stammt aus dem Iran, ihre Mutter kommt aus Deutschland. Amiri, die seit März 2014 den Weltspiegel moderiert und das BR-Europa-Magazin euroblick, wuchs in München auf.

Von 2015 bis April 2020 leitete sie das ARD-Studio in Teheran. Amiri studierte Orientalistik und Islamwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und verbrachte mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes jeweils ein Auslandssemester an den Universitäten von Teheran (ab September 2001) und Damaskus (Syrien). Sie war dann für die deutsche Botschaft in Teheran tätig und berichtete ab 2007 als Korrespondentin für die ARD aus dem Studio Teheran.

Seit 2011 arbeitet Amiri als freie Journalistin für unter anderem Sendungen des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks (zum Beispiel Tagesthemen, Tagesschau, ARD-Morgenmagazin). 2021 erschien ihr Buch „Zwischen den Welten – Von Macht und Ohnmacht im Iran“ (Aufbau Verlag), ein Jahr später wurde ihr Werk „Afghanistan – Unbesiegter Verlierer“ ebenfalls im Aufbau Verlag veröffentlicht.

Quellen und Anmerkungen

(1) Mohammad Mossadegh (1880 oder 1882 bis 1967) war Mitbegründer der Nationalen Front und von 1951 bis 1953 zweimal demokratisch gewählter Premierminister des Iran. Seine Amtszeit als Premierminister war nach der Verstaatlichung der Anglo-Iranian Oil Company geprägt von der Auseinandersetzung mit der britischen Regierung. Mossadegh wurde im August 1953 durch völkerrechtswidriges Betreiben der Nachrichtendienste der USA und Großbritanniens gestürzt. Er wurde anschließend wegen Landesverrats angeklagt und zu drei Jahren Gefängnis und anschließendem Hausarrest verurteilt.

(2) Mohammad Reza Pahlavi (1919 bis 1980) entstammte der Herrscherdynastie Pahlavi und war der letzte iranische Schah. Nach der Abdankung seines Vaters Reza Schah Pahlavi im Zuge der anglo-sowjetischen Invasion des Iran bestieg er am 17. September 1941 den Thron. Mit Unterstützung der USA errichtete Pahlavi in der Folge ein autoritäres Regime und ließ die Opposition unterdrücken. Ende Oktober 1967 krönte er sich zum König der Könige (Schahanschah). Die Islamische Revolution unter Ruhollah Chomeini, bekannt als Ayatollah Khomeini, führte 1979 zum Ende der Monarchie. Pahlavi verließ am 16. Januar 1979 mit seiner Familie den Iran und starb am 27. Juli 1980 im ägyptischen Exil.

Der Originalartikel kann hier besucht werden