Dem Linken ist die Natur wurst. Sie ist ihm Objekt wie alles andere; wohlwollend nutzt er sie allenfalls für Spaziergänge, bei denen er die Natur einordnet, kategorisiert und darüber debattiert, ob sie denn zum gesellschaftlichen Über- oder doch eher Unterbau zu zählen sei. Über Vogel- und Insektenschützer sowie Krötenretterinnen, die nicht verstehen, dass die Natur ein Überbegriff und folglich ein Abstraktum ist, macht sich der Linke lustig, klopft ihnen aber auch gern mal freundlich auf die Schulter – den Retterinnen, nicht den Kröten. Freilich kennt der Linke einschlägige Literatur über die Natur, ist aber über Darwin hinaus selten auf der Höhe der Zeit, weil ihn „das einfach nicht interessiert“. Natur steht ihm auch in einem verdächtigen Blut-und-Boden-Zusammenhang, dem allenfalls Positionen indigener Autonomieprojekte in Lateinamerika ein Gegengewicht bieten.

Aber auch im besten Fall ist die Natur dem Linken „wurst“, dann nämlich, wenn sich die Natur zu Wurst verarbeiten lässt und zuvor Schwein hieß.

Selbst eine domestizierte Natur in Form eines Parks oder Gartens ist dem Linken selten mehr als der eben noch erträgliche Rahmen für einen Sonntagsausflug bei den Großeltern. Insgesamt aber ist ihm der Garten kleinbürgerlich, spießig, gartenzwergig, dem Erkenntnisgewinn wenig bis gar nicht zuträglich und infolgedessen eher schon demenziellen Alterstagen zuzurechnen. Garten reiht sich ein in die gedankliche Kunstperlenkette von Schützenfest, Kegelbahn, Kriegerdenkmalsfeier und Zapfenstreich. Lässt sich der Linke trotzdem einmal überreden, einer Gartenparty beizuwohnen, dann lässt er es sich ostentativ schmecken und ist kumpelhaft, genauer: genossenhaft mit der Arbeiterklasse.

Einen massiven Vorbehalt hat der Linke auch gegenüber allem mystisch-philosophischen Geschwurbel im Stil eines Rudolf Steiner. Das ist weder Vorurteil noch Empfindung, vielmehr kann er das erkenntnistheoretisch begründen. „Dazu muss man Steiner nicht gelesen haben.“ Dennoch gestattet es der Linke seiner Frau, bei der es sich mit zunehmender Häufung um eine „Partnerin“ handelt, ihre Kinder in den Waldorfkindergarten zu fahren, obwohl er „dann doch die emanzipatorische Pädagogik einer Maria Montessori“ bevorzugen würde. Für den Linken gilt nur ein Satz, nämlich dass das Sein das Bewusstsein bestimme. Selbst die Dialektik hat sich angesichts dieser Wahrheit bedeckt zu halten. Unerträglich sind folglich dem Linken, dem wir naheliegenderweise als Vornamen Karl, allenfalls Friedrich, angedeihen lassen, Philosophen, die die Konstruktionen des Egos bzw. bürgerliche, auch linke, Identitäten generell infrage stellen und damit den Erkenntnisanspruch an sich.

Nun bliebe die Frage: Ist der Wurst der Linke wurst? Oder umfassender: Ist der Natur der Linke wurst? Wir würden sagen, ja, aber sicher sind wir uns nicht, wir haben gerade keine Zeit mehr dafür, wir müssen jetzt in den Garten.

Randnotiz: „Wir“ steht natürlich immer für „ich“, eine schwer zu unterdrückende Gewohnheit.