Am 4. Juli, veröffentlichte die stellvertretende Präsidentin des griechischen Parlaments und Abgeordnete von MeRA25 (griechisch DiEM25), Sophia Sakorafa, in den sozialen Medien eine Erklärung über ihren Rücktritt aus dem griechischen parlamentarischen Rüstungsausschuss, in der sie das systematisch angewandte Verfahren rügt und alle Mitglieder des Ausschusses auffordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Aus diesem Anlass, aber auch in Anbetracht der Entwicklungen, die sich auf dem internationalen NATO-Gipfel in Madrid abzeichnen, haben wir sie gebeten, die aktuelle Situation zu kommentieren.

In den vergangenen Tagen fand in Madrid der internationale NATO-Gipfel statt. Wie kommentierst du die Entwicklungen der Allianz auf dem Weg zur Vision einer „globalen NATO“?

Um genau zu sein, existiert die „Globale NATO“ nicht und kann auch nicht existieren. Denn das NATO-Statut selbst, so wie es heute besteht und solange es nicht geändert wird, lässt diese Art der Globalisierung der Organisation nicht zu. Gegenwärtig ist die NATO nur mit drei der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und einigen wenigen anderen Staaten verbunden.

Was nach der Wiederauferstehung der „hirntoten“ NATO wie eine Vision erscheinen mag, könnte eine NATO mit globalen Aktionen sein. Wir sprechen von der „Vision“, einen Mechanismus aufzurüsten, der nun eine aggressivere expansionistische Ausrichtung erhalten soll. Um den NATO-Mechanismus aufrechtzuerhalten, wird er dazu verdammt, ständig Feinde zu erfinden und zu schaffen.

Die erste Phase der Wiederauferstehung ist durch das Wiederaufleben der alten Opposition gekennzeichnet, mit dem klassischen Feind Russland. Die Bedingungen für den Übergang von der Bipolarität zur heutigen multipolaren Welt mussten natürlich erst reifen. Für ihre eigenen Zwecke haben die NATO-Methoden nicht gezögert, ein Land, die Ukraine, zu opfern und im Jahr 2022 einen Krieg im Herzen Europas zu provozieren, einen Krieg von unbekannter Dauer. Im Moment ist das einzige greifbare Ergebnis dieses Krieges die radikale Neuordnung des Weltenergiemarktes zugunsten der USA.

Es lohnt sich jedoch, die gegenwärtige Stimmung zu bewerten: Die Welt fühlt sich immer unsicherer, trotz der Erweiterung der NATO (Schweden, Finnland). Und daran wird sich auch mit einer weiteren Erweiterung nichts ändern (z.B. Georgien, Moldawien).

Wie auch immer, bis wir die aktuelle Phase erreichten, musste die NATO in den vergangenen Jahren (nach dem Zusammenbruch des sogenannten real existierenden Sozialismus) aufrechterhalten werden; dies geschah, indem verschiedene Länder und Völker, insbesondere im Nahen Osten und in Nordafrika, schikaniert wurden. Dort gab die NATO als Ziel an, den Terrorismus bekämpfen zu wollen, bestand aber darauf, diesen in anderen Unruheherden zu stärken.

Was hat die NATO also in Libyen, Syrien, Irak und Afghanistan und überall sonst, wo sie aktiv wurde, zurückgelassen? Nur verwüstete Länder und Völker in einer unvorstellbaren Dystopie, die dazu verdammt sind, sich davon jahrzehntelang nicht erholen zu können. Das einzige Ziel ist die Beseitigung jeglicher potenzieller Bedrohung amerikanischer Interessen, selbst wenn sie nur auf der Ebene eines leisen Verdachts existiert. Aber auch der andere Hauptzweck wurde erfüllt: die erhebliche und langfristige Steigerung des Umsatzes einiger Kriegsindustrien, was ihre Rentabilität entsprechend in die Höhe schnellen ließ. Das konnte nur so erreicht werden!

Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass dieser „Einschnitt“ in der Neuausrichtung der NATO mit ihrem schrecklichen, unprovozierten und katastrophalen Angriff auf Jugoslawien begann. Wir sprechen also über Jahrzehnte, in denen Länder angegriffen wurden, die nie ein NATO-Mitglied bedroht haben. Das allein zeigt schon, wie heuchlerisch es ist, die NATO-Organisation als „defensiv“ zu bezeichnen. Es handelt sich um einen Begriff, der nicht nur ikonisch ist, sondern noch mehr: Er bedeutet das genaue Gegenteil von der Essenz dessen, was er eigentlich bezeichnen soll.

In Jugoslawien hat die NATO faktisch gegen ihre Satzung verstoßen und in diesem Sinne war die trotzig als „humanitäre Intervention“ bezeichnete Operation völlig illegal. Aber sie markierte auch eine wichtige Wende in der strategischen Planung der NATO: Sie war eine klare Erklärung, dass ihr Handeln weder durch den UN-Sicherheitsrat noch durch die OSZE eingeschränkt wurde. Deren Auftrag mag zwar wünschenswert sein, ist aber nicht zwingend für das militärische Engagement der NATO. Dies wurde sehr treffend in der Doktrin des (damaligen) Bundeskanzlers Schröder festgehalten: „Mit der UNO, wenn möglich, und ohne die UNO, wenn nötig“. Die Frage bleibt unbeantwortet, für die Völker, für die Weltgemeinschaft und für das internationale Gleichgewicht: Wer – und nach welchen Kriterien – kann beurteilen, was „notwendig“ ist?

Die bisherige Praxis der NATO wurde in den meisten Fällen als selbstverständlich hingenommen. Von Bosnien bis zum Kosovo, von Afghanistan bis zum Irak – das Muster der westlichen Politik war immer das gleiche. Nach dem Erfolg der Militäroperation werden die „eroberten“ Gebiete in Protektorate umgewandelt. Wenn die Intervention nicht absolut erfolgreich ist, bleibt ein Zustand der Desintegration zurück, ein politischer, sozialer und wirtschaftlicher Zerfall, der erst nach vielen, vielen Jahren behoben werden kann. In bestimmten Fällen, wie z. B. in Libyen, zeigt sich, dass dies der einzige Zweck der Intervention war.

Jedenfalls ist es eine Tatsache, dass der NATO-Vertrag bestimmte geografische Grenzen festlegt, nämlich in Europa, Nordamerika und nördlich des Wendekreises des Krebses. Diejenigen, die von einer globalen NATO sprechen, meinen offensichtlich eine zukünftige oder sogar unmittelbar bevorstehende Ausweitung ihrer Aktionen, für die es notwendig sein könnte, über diese Grenzen hinauszugehen.

In Wirklichkeit geht es in der Debatte um etwas ganz anderes. Es geht um die Entwicklung von Aktivitäten zum Schutz der US-Interessen gegenüber China. Nur das kann der nächste wichtige Schritt in Richtung einer globalen NATO sein. Und das ist wahrscheinlich das, worauf sie sich vorbereiten wollen.

Aber dort sind die Dinge nicht so einfach und lassen keine leichtfertigen Ansätze zu.

Es wird gesagt, dass die russische Intervention in der Ukraine die NATO „neu aufgestellt“ hat. Was sagst du dazu?

Ich denke, das ist eine sehr oberflächliche Sicht der Dinge. Der russische Einmarsch in der Ukraine war keine plötzliche Entwicklung; er kam nicht aus heiterem Himmel. Jeder, der die Entwicklungen genau verfolgt hat, wusste, dass der militärische Konflikt schon vor vielen Monaten vorherbestimmt war und kaum eine Chance bestand, ihn zu vermeiden. Die Frage war nur noch, wann und wie genau der Krieg beginnen würde. Wir dürfen nicht vergessen, dass es zuvor einen katalytischen Wechsel bei einem der Hauptakteure im Weltspiel, den Vereinigten Staaten, gegeben hat. Der Führungswechsel in Washington war sowohl für die amerikanische Innen- als auch Außenpolitik von großer Bedeutung. Das Ende von Trump markierte auch das Ende unserer Politik des begrenzten internationalen Interventionismus der USA im Vergleich zu anderen Epochen. Dazu gehörte auch die erklärte Politik der Trump-Administration, sich aus Aktivitäten in Ländern zurückzuziehen, die die angestrebte Rüstungsquote von 2 % des BIP nicht erreichen. Aber das Blatt hat sich gewendet. Die USA des Demokraten Mr. Biden waren maßgeblich an der Vorbereitung des Konflikts beteiligt.

Vergessen wir auch nicht, dass die USA der größte Geldgeber der NATO-Operationen sind und was passierte, als die USA sich aus Afghanistan zurückzogen. Obwohl diese Operation im Rahmen der UN durchgeführt wurde und deren Mandat alle sechs Monate erneuert wurde, brach mit dem Abzug der USA die gesamte Operation zusammen und alle anderen beteiligten Staaten zogen sich zurück.

Es ist vielleicht wichtig, einige Nebenaspekte der Entwicklungen zu beachten. Der Rückzug der USA brachte auch die Ankündigung eines großen Aufrüstungsprogramms durch Deutschland mit sich. Mit dieser Entscheidung wurden die im Entstehen begriffenen Pläne für eine europäische Verteidigungspolitik, die im Wesentlichen von Frankreich inspiriert war, auf Eis gelegt. Deutschlands Ankündigung einer Aufrüstung mit einem Investitionsvolumen von rund 100 Milliarden verändert offensichtlich das innereuropäische Gleichgewicht. Schließlich bedeutet dies auch eine intensive Steigerung der Produktion und der Rentabilität der deutschen Rüstungsindustrie. Wir können jedoch nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass beim Krieg in der Ukraine auch Frankreich, Atommacht und Mitglied des Sicherheitsrats, schweigt und den USA und Deutschland einfach keuchend hinterherzulaufen scheint.

Wird sich Griechenland an der von der NATO angekündigten schnellen Eingreiftruppe von 300.000 Soldaten beteiligen?

Erstens: Ich persönlich hoffe nicht. Griechenland ist ein Land, das unter der ständigen Bedrohung eines Krieges lebt und seine Verteidigung ständig im Auge behalten muss. Es kann es sich nicht leisten, sich an solchen Einsätzen zu beteiligen, zumindest nicht in einem Ausmaß, das seine Verteidigungsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Auf der anderen Seite bedeutet die Mitgliedschaft in einer Organisation natürlich auch die Verpflichtung, deren Beschlüsse umzusetzen. Vorausgesetzt natürlich, dass der Grundsatz der Rechtmäßigkeit eingehalten wird.

Die derzeitige griechische Regierung folgt in der Außenpolitik einer persönlichen Doktrin des Ministerpräsidenten, die jedoch auch die traditionelle Auffassung eines Teils der griechischen konservativen Partei zum Ausdruck bringt. Es ist die Doktrin der demonstrativen „Allianz“, die Doktrin des gegebenen, berechenbaren und stets willigen Verbündeten. Mit anderen Worten, man könnte sie als „Doktrin der ostentativen Unterwürfigkeit“ bezeichnen. Sie basiert offensichtlich auf der Erwartung, dass er durch diese Praxis irgendwann einen Vorteil erwarten darf. Die Lehren aus der griechischen Geschichte stützen diese Ansicht keineswegs, aber das ist ein anderes Thema.

Daher agiert Griechenland heute in seinen Beziehungen zur NATO und zur EU als stets williger Freiwilliger oder gehorsamer Komplize, und zwar mit übermäßigem Eifer. Ein typisches Beispiel sind die griechischen Waffenlieferungen an die Ukraine. Es ist bezeichnend, dass der griechische Ministerpräsident ohne jeden Beschluss eines nationalen oder internationalen Gremiums eilig Waffen an eines der kriegführenden Länder schickte, das angegriffen wurde. Tatsächlich hat unser Land mehr als doppelt so viele Waffen an die Ukraine geliefert wie Italien und zwei Drittel mehr als Frankreich, das eine Atommacht und ständiges Mitglied des Sicherheitsrats ist.

Wenn Griechenland wollte, könnte es auf die Beschlüsse des NATO-Gipfels reagieren? Würde es die nötigen Allianzen dafür finden?

Wenn du Mitglied einer internationalen Organisation bist, handelst du im Rahmen ihrer Verfassung. Die NATO-Satzung mit ihrer Regel der einstimmigen Beschlussfassung bietet theoretisch ernsthafte Möglichkeiten. Die Realität sieht jedoch so aus, dass Griechenland auf dem Gipfel in Madrid nur stumm anwesend war. Dies zeigte, dass es den Forderungen der Türkei nach einer Zustimmung zum Beitritt von Schweden und Finnland nachgegeben hat. Die Türkei erreichte auch die Aufhebung des Waffenembargos und ein Ende des traditionellen skandinavischen Schutzes der Menschenrechte für verfolgte oppositionelle Türken und die Kurden, die vom Erdogan-Regime vorverurteilt wurden.

Griechenland hat die Pflicht, eine Meinung zu äußern, die auf dem Konzept der Verteidigung des Völkerrechts basiert, denn es unterstützt auch die Verteidigung seiner souveränen Rechte angesichts der provokativen Herausforderungen und in der Tat ständig eskalierenden Forderungen der Türkei.

Auf deine Frage, ob sie die notwendigen Allianzen finden kann, antworte ich mit einer rhetorischen Gegenfrage, die nicht sofort beantwortet werden muss:

«Kann man Verbündete in internationalen Institutionen finden, wenn man das Völkerrecht verteidigt?»

Wenn Verbündete zu finden und zu behalten ein Selbstzweck ist, ist der sicherste Weg dahin Schweigen, Gehorsam und Untätigkeit. Aber das kann keine verantwortungsvolle Haltung sein.

Anfang dieser Woche hast du deinen Rücktritt aus dem griechischen parlamentarischen Rüstungsausschuss angekündigt. Magst du uns sagen, was hier los ist?

Was hier passiert, ist die systematische Anwendung missbräuchlicher Verfahren durch die jüngsten Regierungen. Und das bei den meisten Angelegenheiten in der politischen Praxis. Im Prinzip ist ein normales Verfahren vorgesehen, mit allen Unzulänglichkeiten, die sich im Laufe der Umsetzung ergeben können, welche normalerweise eine langfristige Planung und konsequente Anwendung erfordert. Dieses Verfahren wurde jedoch nie in dem Maße befolgt, wie es der entsprechende Rahmen vorschreibt. Im Gegenteil, es wurde in zahlreichen Fällen umgangen, indem immer wieder außergewöhnliche Umstände, die Dringlichkeit, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, oder sogar „Krisen“ beschworen wurden. Auf diese Weise werden bestimmte Programme nach undurchsichtigen Kriterien ausgewählt, was zu Lasten anderer geht. Und die gewählten sind in der Regel an bestimmte Interessen der US-Lieferanten gebunden. So sind die Rüstungsausgaben am Ende viel höher, da die Bedingungen der regulären Verfahren nicht eingehalten werden und in der Regel Teilbeschaffungen zu einem Vielfachen der Kosten getätigt werden. Ich denke, dass unser aller grundlegende Verantwortung die Fortsetzung dieser Methoden nicht zulassen sollte, und ich erwarte die notwendige Reaktion von allen anderen Mitgliedern: sowohl von der Regierung als auch von den anderen Parteien.

Angesichts der Verfolgung von Dissidenten von Erdogans Politik und der Antikriegsbewegung in der Türkei, der offenen Fragen in der Ägäis und auf Zypern, was wäre deiner Meinung nach der angemessenste Ansatz für die außenpolitischen Fragen Griechenlands?

Die Parameter der griechischen Außenpolitik sind nicht durch einen unbeständigen oder kontextbedingten Rahmen gekennzeichnet. Griechenland ist hauptsächlich mit einem dauerhaften, spezifischen Problem konfrontiert, und das ist das seit langem bestehende Verhalten des türkischen Staates. Die ständigen, wiederholten, aber auch eskalierenden Herausforderungen und Forderungen der Türkei, auch nach Souveränität und Souveränitätsrechten, haben eine einfache Antwort: die Achtung des Völkerrechts. Daraus leitet sich die selbstverständliche nationale Haltung Griechenlands ab, die darin besteht, das Völkerrecht in allen Angelegenheiten, bei jedem Problem, das sich in der globalen Realität stellt, kompromisslos zu verteidigen. Der Dialog mit jedem Nachbarland ist immer notwendig, denn er führt zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Staaten und Völkern. Im Dialog kann es um jede Art von zwischenstaatlicher Zusammenarbeit gehen, aber nicht um Fragen der Souveränität. Das griechische Volk ist, unabhängig von individuellen politischen oder ideologischen Unterschieden, entschlossen, solche Probleme anzugehen. Es liegt daher an der griechischen Regierung, die notwendigen Maßnahmen zur Verteidigung und Förderung der nationalen Rechte und Interessen zu ergreifen.

Übersetzung aus dem Englischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!