An sich bin ich hoffnungslos unpolitisch. Das liegt vor allem daran, dass mir alles wer mit wem und warum viel zu viel ist – kann ich mir alles nicht merken. Dafür mag ich persönliche Gespräche, bei denen man sich einfach mal menschlich erlebt. So kam es jetzt auch, dass ich das Phönix Video mit Angela Merkel und Alexander Osang mir sehr gerne angehört habe.

Rein menschlich in ihrer Art, sich selbst zu betrachten, Dinge einzuschätzen, wie sie sich fühlt mit Macht und Verantwortung, wie es ihr geht, seitdem sie nicht mehr Kanzlerin sondern a.D. ist und was sie in ihrer Freizeit und im Urlaub schätzt – in alldem kann ich sie sehen und verstehen. Und dennoch bleibt es für mich dabei, dass ihre Weltsicht und damit auch ihre Einschätzungen und Entscheidungen mir fremd erscheinen und ich sie so nicht teilen kann.

Für mich wäre dabei sogar sehr interessant, die politische Ebene mit allen Machtstrukturen und allen daran Beteiligten mal mehr persönlich und menschlich selber kennenzulernen. Sind da wirklich keine anderen Einschätzungen und Entscheidungen möglich?

Videos sind für mich da zwiespältig, weil sie eine menschliche Nähe suggerieren, obwohl man sich gar nicht persönlich trifft und kennenlernt – eine Nähe, die gar nicht da ist. Und umgekehrt wäre natürlich die Frage ob und wie Politiker persönlicher und menschlicher erfahrbar sein könnten, wenn sie ja nun doch sehr viel zu tun und einen ständig überfüllten Terminkalender haben. Da kann ich eben – soweit das durch das Video möglich ist – auch Angela Merkel spüren, die einerseits immer noch gerne ein politischer Mensch und andererseits a.D. ist und damit endlich mal Zeit für sich hat.

Nun mal vergleichsweise grob und unbeholfen zu meiner politischen Weltsicht und was ich von Angela Merkel – und mit ihr stellvertretend von unserer deutschen Regierung – nicht verstehen kann. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Putin gegen Demokratie als Regierungsform, wird von den USA als Feind eingeschätzt und fühlt sich durch die näher rückende NATO bedrängt. Nun schau ich mir das mal von der anderen Seite an. Soweit mir bekannt ist gibt es Vereinbarungen mit den Alliierten, dass Deutschland sukzessive seine staatliche Souveränität wiedererlangen und das provisorische Grundgesetz durch eine volksgegebene Verfassung ersetzen sollte. Stattdessen ist Deutschland der NATO beigetreten.

Und aus dieser Position heraus als demokratisches Land, Bündnispartner der USA bzw. unter ihrer Oberhoheit und Mitglied der NATO meint Frau Merkel, die Moderation übernommen zu haben? Ich meine, natürlich weiß ich persönliche und allgemeine Ebenen, subjektive und objektive Einstellungen sowohl miteinander zu verbinden als auch von einander zu trennen. Aber ist das nicht ein bisschen sehr widersprüchlich – sowohl menschlich als auch politisch – aus dieser Position mit Putin über eine friedliche Koexistenz verhandeln zu wollen?

Und das scheint mir jetzt überspitzt auch die Situation im Ukraine Krieg. Deutschland und Europa gemeinsam mit den USA verhängen Sanktionen gegen Russland und liefern Waffen an die Ukraine und wollen gleichzeitig Putin und mit ihm Russland zu Friedensverhandlungen zwingen. Und das soll sich jemand gefallen lassen ganz egal welche Regierungsform er bevorzugt oder wo er selber menschlich steht?

Etwas Sinn ergibt das natürlich gerade noch so, wenn man wie Angela Merkel die USA als echte Demokratie und Wegbereiter sieht. Da kenne ich bereits sehr unterschiedliche Einschätzungen wie USA und mit ihr Europa und Deutschland wahrgenommen werden. Dazu werden ja alleine schon die Angriffskriege der USA sehr kontrovers diskutiert und völkerrechtlich in Frage gestellt. Da gibt es Umfragen wonach ca. ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland kein Vertrauen in alle Parteien von CDU bis Linke hat und unsere Staatsform für eine Scheindemokratie hält. Und dazu würde mich dann auch mal so ein ganz menschliches Gespräch interessieren mit den beteiligten Politikern, was da so die Einschätzungen sind und ob man das nicht auch anders sehen und angehen kann. Und klar – das ist auch eine Frage wie weit man sich am Machbaren oder am Möglichen orientiert. Da wird jeder sich selbst spüren was ihm oder ihr schlüssig erscheint und auch wie die Kräfte- und Machtverhältnisse zwischen den unterschiedlichen Positionen verteilt sind.

Das meine ich jetzt mal nicht aus einer Perspektive wo ich alle Antworten und Lösungen schon zu kennen meine und nur ganz geschickt und feinfühlig auf das von mir favorisierte Ideal hinbewege. Ich glaube, das ist der eigentliche Haken an der Sache, der eben wirklich offene Gespräche und neutrale Moderationen unmöglich macht. Aber wenn ich mich über autokratische Regierungen wie in Russland und China unterhalte und sie mit demokratischen wie in Deutschland und USA vergleiche, muss ich eben auch genau hinschauen was wirklich demokratisch oder autokratisch ist. Oder auch unabhängig davon einfach gute oder schlechte Politik. Und damit natürlich auch wie weit es durch gute politische Entscheidungen und Verhandlungen möglich ist mit unterschiedlichen Regierungsformen zu koexistieren.

Dazu zeichne ich jetzt mal kurz das Weltbild, was mir dazu gefallen würde und was ich heute auch noch umsetzbar sehe. Alles fängt an mit dem politischen Willen. Deutschland und die EU hätten die Möglichkeit, tatsächlich die neutrale Moderation zwischen den Großmächten USA, China und Russland zu übernehmen. Dazu müssten sie als erstes ihre eigene Neutralität vereinbaren. Das heißt, sie sind damit weder in der NATO, noch Bündnispartner einer der Großmächte sondern souverän. Dafür beteiligen sie sich auch weder an Kriegseinsätzen noch an Waffenlieferungen. Ihre Streitkräfte dienen nur der reinen Verteidigung, falls diese neutrale Souveränität angegriffen wird. Es geht damit auch wie erklärt „nie wieder Krieg von deutschem Boden aus“ was einer relativ einheitlichen Forderung der Friedensbewegung entsprechen würde. Diese neutrale Souveränität wäre in dieser Hinsicht sowohl ein deutlicher Schritt in Richtung Frieden als auch eine vertrauensbildende Maßnahme. Um diese neutrale Souveränität zu gewährleisten und gleichzeitig ein gutes Vorbild in der Klimapolitik zu geben, setzt die EU mehr auf regionale Selbstversorgung und Autarkie.

Wenn ich das so schreibe und in diese Richtung weiter fühle und denke sehe ich wie viele mir bekannte kontroverse Standpunkte damit auszusöhnen wären. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass Angela Merkel und Politiker mit ähnlicher Perspektive wie sie das aus ihren Detailkenntnissen, den ihnen bekannten Standpunkten und persönlichen Erfahrungen in der Politik nicht sehen oder nicht für machbar halten können. Wichtig scheint mir allerdings, solche Perspektiven mit einzubringen und dafür im Sinne sowohl von Menschlichkeit als auch guter Politik, die Möglichkeiten zu verbessern.

In diesem Sinne gefällt mir auch der Schlusssatz im Video von David Ben Gurion:

„Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist.“