Medien sollen helfen, eine unkontrollierte Erwärmung des Klimas zu verhindern. Das wollen Aktivisten und Experten.

Rainer Stadler für die Online-Zeitung INFOsperber

Dieser Tage erschallt weltweit ein Appell in Gesundheitsmagazinen. An der Aktion beteiligen sich laut Medienberichten über 200 Redaktionen, darunter jene von «The Lancet» und des «British Medical Journal». Der Aufruf erfolgt im Hinblick auf die Uno-Generalversammlung im September und die Uno-Klimakonferenz im November in Glasgow. Es müsse dringend gehandelt werden, damit die Klimaerwärmung unterhalb von 1,5 Grad gehalten werden könne, heisst es im gemeinsamen Leitartikel. Als Gesundheitsexperten sehen sich die Journalisten verpflichtet, alles zu tun, was zur Schaffung einer nachhaltigen, gesunderen Welt beitrage. Die wohlhabenden Staaten hätten zudem die Länder, die bereits unter dem Klimawandel litten, mehr zu unterstützen.

Ein Platz zur Hauptsendezeit

Während der Vorstoss dieser Magazine nur Fachleute und Politiker erreichen dürfte, versuchen Aktivisten seit längerem, das Anliegen auch ins breite Publikum zu tragen. So will die Initiative «Klima vor acht» darauf einwirken, dass die Klimafrage regelmässig zur Hauptsendezeit in den grossen Medienkanälen verhandelt wird: «Während wir die Auswirkungen der Erderhitzung immer deutlicher auch in Deutschland spüren, finden Berichterstattung, Einordnung und Aufklärung zu diesem Thema in den Fernsehprogrammen nur unzureichend statt», schreiben die Initianten auf ihrer Website und verweisen darauf, dass es beste Sendeplätze fürs Geschehen auf den Börsen gebe, aber nicht fürs Klima. Einen entsprechenden Vorschlag machte die Klimagruppe der ARD, die jedoch bisher nicht darauf einging.

Reagiert hat hingegen der Privatsender RTL, der seit etwa zwei Jahren versucht, seine Marke mit Investitionen in den Nachrichtenjournalismus zu stärken. Seit Anfang Juli realisiert RTL im Anschluss an die Hauptnachrichten zweimal pro Woche ein «Klima update». Es dauert bloss eine Minute und informiert nah an der Lebenswelt des Publikums. Da gibt es beispielsweise einschlägige Tipps, wie jeder einzelne den Ausstoss von CO2 reduzieren kann: indem er regional einkauft, die Heizung tiefer einstellt oder das Fahrrad anstelle des Autos oder den Zug anstelle des Flugzeugs verwendet. Im Schnelltempo erklärt man ferner, wie der massive Einsatz von Beton zur Klimaerwärmung beiträgt, wie in der Westantarktis das Eis dramatisch schmilzt und wie trotz «miesem» Sommer die Gletscher schrumpfen. Für kritische Einordnungen bleibt da kein Platz.

Wer ein bisschen mehr erfahren will, bekommt auf der zugehörigen Website weitere, immer noch recht knappe Informationen. Hierzu arbeitet RTL teilweise mit «Geo» zusammen, dem Magazin aus dem Verlag Gruner und Jahr, der jüngst unter dem Wehklagen von Branchenbeobachtern ins RTL-Imperium eingliedert wurde. Das recht nüchtern präsentierte «Klima update» verbreitet Aktualitäten, die auf zahlreichen Kanälen und Plattformen seit langem mehr oder weniger ausführlich behandelt werden – aber zu einem Zeitpunkt, an dem die Fernsehkonsumenten in der Regel am besten erreichbar sind.

Im Trend

Das Thema liegt in der Luft. Etliche Medienhäuser, etwa der britische «Guardian» oder die BBC, wollen seit einiger Zeit der Klimafrage mehr Sichtbarkeit verleihen und haben in entsprechende redaktionelle Ressourcen investiert. Die Zeitung «Die Zeit»startet diese Woche einen neuen vierseitigen Bund namens «Zeit green», der monatlich erscheinen soll und sich an Personen richtet, die «nach Lösungen suchen», wie die Klimawende noch zu schaffen sei. Kürzlich wurde auch ein Netzwerk Klimajournalismus gegründet. Die Universität Dortmund wiederum unterhält die Plattform «Grüner Journalismus», die Interessierten bei Recherchen hilft und eine Liste mit Fachexperten für spezifische Auskünfte und Interviews bereithält. Als Internet-Medium versucht es Utopia.de. Auch diese Redaktion informiert alltagsnah und mit praktischen Tipps, teilweise unterstützt von Sponsoren, über umweltfreundliches Denken und Handeln.

Völlig neu ist die grüne Welle keineswegs. Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt versuchte die Medienbranche die Konsumenten mit Bio-Themen zu gewinnen. Und das ohne Warnfinger. Trendsetter entdeckten damals die «Lohas», die den Lifestyle of Health and Sustainability» pflegen würden. Ein weitreichender Gesinnungswandel ist allerdings seither nicht sichtbar geworden.

Redaktionen, welche sich aus Sorge um die Klimaentwicklung ans grosse Publikum wenden, werden darauf achten müssen, genau zu unterscheiden zwischen Journalismus und Aktivismus. Sonst bekommen sie keinen Zugang zu jenem Teil der Bevölkerung, der diesem Thema weiterhin mit Skepsis begegnet.

Der Seufzer eines Klimawissenschafters

In der öffentlichen Auseinandersetzung um das, was harte Fakten sind, bläst öfters ein eisiger Wind. Der US-amerikanische Klimatologe Michael E. Mann schrieb vor einem Jahr mit hörbarem Seufzer einen Meinungsbeitrag für «Newsweek». Der Titel: «Klimawissenschafter fühlen ihren Schmerz, Dr. Fauci.» Nachdem die Klimaexperten während Jahrzehnten attackiert und mit Todesdrohungen eingedeckt worden seien, erfahre nun der Immunologe und Regierungsberater Anthony Fauci dasselbe in der Auseinandersetzung um das Corona-Virus.