Am 11.12.2020 fand die letzte technische Anhörung im Schauprozess um die drohende Auslieferung des WikiLeaks-Journalisten Julian Assange statt.

Wie bereits im September stehen für die Prozessbeobachtung von NGOs keine Plätze mehr zur Verfügung, eine Video-Übertragung der Anhörungen wurde ohne Angabe von Gründen für NGOs geschlossen.

Im September war auch deutschen Abgeordneten der Zugang zum Gericht verweigert worden, wie u.a. die Abgeordnete Margit Stumpp (Bündnis 90/ die Grünen) berichtete.

Für die Leiterin des Londoner Büros von Reporter ohne Grenzen, Rebecca Vincent, war eine Beobachung der Anhörung am 11.12.2020 daher nur möglich, indem sie um einen der wenigen verbliebenen Plätze auf der Zuschauer-Tribüne im Westminster Magistrates‘ Court kämpfte.

Ihre auf Twitter geschilderten Erfahrungen fassen wir hier zusammen, ergänzt durch weitere Berichte:

Am Eingang teilte ein Gerichtsangestellter der Sprecherin von Reporter ohne Grenzen mit, dass bei der Anhörung am 11.12.2020 keine Journalist*innen zugelassen seien. Diese könnten dem Verfahren per Video-Übertragung folgen. Auf der Besucher-Tribüne seien nur zwei Personen zugelassen.

Zeitweise wurden sogar unter Covid 19-Maßnahmen vier Journalist*innen zugelassen und fünf öffentliche Beobachter*innen, wohlgemerkt im selben Gerichtssaal. Nun insgesamt nur zwei Personen zuzulassen bewertet Rebecca Vincent als zutiefst willkürlich. Diese Einschränkungen gehen auf Entscheidungen der Richterin zurück, wurde ihr mitgeteilt. Außerdem müssten zwei Sitzplätze freigehalten werden für Vertreter*innen der australischen Botschaft in London. Genau wie bei den Anhörungen im September werden also nun anscheinend wieder “VIP”-Plätze freigehalten für ominöse Diplomaten, die während des gesamten 5-wöchigen Verfahrens nie erschienen sind, und die auch am 11.12.2020 nicht zum Vorschein kamen. Auf diese Weise standen aber für Prozessbeobachter*innen noch zwei Plätze weniger zur Verfügung.

“Erneut besteht für professionelle NGO-Prozessbeobachter*innen die einzige Möglichkeit, Zugang zu diesen Anhörungen zu erhalten darin, persönlich anwesend zu sein, da das Gericht uns keinen Tele-Zugang gewährt”, so Vincent. Und weiter: “Dies behindert nicht nur die Offene Justiz sondern erzeugt auch noch unnötige Covid-Risiken während London auf Risikostufe 3 zusteuert.”

Letztendlich wurde sechs Personen der Zugang zum Gericht gewährt, Vertreter*innen der Öffentlichkeit und Journalist*innen. Allerdings erst, nachdem der Anwalt der Verteidigung, Edward Fitzgerald, interveniert hatte. Statt Bezirksrichterin Vanessa Baraitser leitete Bezirksrichter Goldspring die Anhörung. Sie dauerte weniger als zwei Minuten. Richterin Baraitser hatte Assange zuvor erlaubt, aufgrund des Covid 19-Ausbruchs im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh der Anhörung fernzubleiben. Bis zur Urteilsverkündung am 04. Januar 2021 im Londoner Gericht Old Bailey soll er weiter in Isolationshaft in Belmarsh festgehalten werden.

Die Sprecherin von Reporter ohne Grenzen äußerte ihre Empörung darüber, dass der Zugang zum Verfahren ganz klar gezielt verhindert werde:

“Bei jedem einzelnen Schritt werden uns nie dagewesene Hürden bei der Prozessbeobachtung von Assanges Fall in den Weg gelegt. Das ist keine transparente Justiz.”

Empörend sind auch die Bedingungen unter denen der Australier in Belmarsh gehalten wird. Seit drei Wochen ist er in seiner Zelle eingeschlossen während die Zahl der Covid-Infizierten in seinem Block gefährlich ansteigt. Dies berichtete auch Assanges Verlobte Stella Moris anhand von Auskünften des britischen Justizministeriums.

Wegen seiner chronischen Lungen-Erkrankung dürfte er gar nicht in Belmarsh festgehalten werden, erklärte Rebecca Vincent.

Am Ende der Anhörung wurde bekanntgegeben, dass zur Urteilsverkündung am 04. Januar 2021 kein zusätzlicher Raum für Journalist*innen zur Verfügung gestellt wird. Das heißt, dass es keinem einzigen Journalist/in erlaubt sein wird, persönlich anwesend zu sein. Voraussichtlich wird ausschließlich die Familie von Julian Assange da sein dürfen. Die historische Entscheidung über eine drohende Auslieferung wird also nahezu ohne Zeugen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden.

Starke Aktivist*innen und Auszeichnung

Rebecca Vincent bedankte sich bei den Londoner FreeAssange-Aktivist*innen, die laut vor dem Westminster Magistrates‘ Court protestierten:

Am 11.12.2020 erhielt Julian Assange außerdem eine weitere Auszeichnung, und kann damit auf eine sehr lange Liste an Preisen und Ehrungen blicken, u.a. auch auf den renommierten Walkley Award. Vor dem Gericht wurde der “Dignity Award” 2019 der Catalan Dignity Commission (Katalanischen Kommission für Würde) übergeben, mit dem Assange bereits Anfang des Jahres ausgezeichnet wurde. Stellvertretend für den WikiLeaks-Journalisten nahm der über 90-jährige Eric, Vertreter des Committee To Defend Julian Assange und dienstältester Aktivist des Committees den Preis entgegen.

Mit diesem Preis werden seit 2002 Menschen und Organisationen geehrt, die sich für den Schutz der Bürgerrechte einsetzen und für demokratische Werte eintreten. Die Sprecherin der Kommission betonte, dass Herr Assange die “Essenz des demokratischen Journalismus” darstellt.

Im Vorfeld der Wahl zur katalanischen Unabhängigkeit 2017 hatte der Australier Informationen veröffentlicht, die die bis dahin herrschende einseitige Berichterstattung korrigierten und ergänzten.

Seine Mutter Christine Assange erklärte dazu:

“Diese zutiefst bedeutsame Auszeichnung der Katalanischen Kommission für Würde, die ein Dank für Julians mutigen Journalismus ist, erkennt das Wesen seiner Überzeugungen und seines Handelns an, dass der wichtigste Schutz, den wir zur Verteidigung unserer Freiheit und Demokratie haben, starke, freie, der Wahrheit verpflichtete und unabhängige Medien sind, die Regierungen und andere mächtige Akteure zur Verantwortung ziehen.”

Knast verweigert Kleidung

Während der WikiLeaks-Journalist in Abwesenheit mit dem Preis für Würde ausgezeichnet wurde, saß er selbst in einer winzigen, ca. 6 qm großen Zelle, die schlecht isoliert ist, und die er in den letzten Wochen so gut wie nie verlassen durfte. Vor wenigen Tagen berichtete seine Verlobte Stella Moris, dass das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ihm trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt seine warme Winter-Kleidung nicht aushändigt.

Mit einer chronischen Lungen-Erkrankung, im Winter ohne ausreichend warme Kleidung, inmitten eines abgeschotteten Gefängnis-Flügels, in dem Covid-19 grassiert, ringt also der Mensch, der den modernen Journalismus revolutionierte, um auf diese Weise etwas mehr Gerechtigkeit in die Welt zu bringen, Tag für Tag um sein Leben.

Mehr Infos wie Sie Julian Assange unterstützen und sich für die Pressefreiheit einsetzen können unter FreeAssange.eu.

Der Originalartikel kann hier besucht werden