Sea-Watch hat am gestrigen Freitag Widerspruch gegen die Festsetzung der Sea-Watch 4 vor dem Verwaltungsgericht in Palermo eingelegt. Italienische Behörden hatten das Rettungsschiff nach einer Hafenstaatkontrolle am 19.09.2020 unter fadenscheinigen Gründen festgesetzt. Allein diese Woche ertranken laut Internationale Organisation für Migration (IOM) mindestens 20 Menschen beim Versuch, über das zentrale Mittelmeer zu fliehen.

Als Gründe für die Festsetzung nannten die italienischen Behörden nach einer elf Stunden dauernden Inspektion am 19.09.2020 unter anderem, dass die Sea-Watch 4 zu viele Rettungswesten an Bord habe, sowie dass das Abwassersystem nicht für die Anzahl möglicher geretteten Personen ausgelegt sei. Tatsächlich bestätigten die deutschen Behörden Sea-Watch erst im Juli, dass das Schiff alle Sicherheitsvorgaben des deutschen Flaggenstaates erfüllt. Zudem wird außer Acht gelassen, dass Seenotrettung als akute Nothilfe für alle Schiffe verpflichtend ist. Diese politisch motivierten Inspektionen dienen jedoch nicht der Erhöhung der Schiffssicherheit, sondern allein dem Zweck, Rettungsoperationen im Mittelmeer zu verhindern. Mit der Sea-Watch 4 wird das fünfte zivile Rettungsschiff durch eine Hafenstaatkontrolle an der Rückkehr in den Einsatz gehindert. Der eingelegte Widerspruch zielt darauf ab, die behördlichen Festsetzung der Sea-Watch 4 auszusetzen und anschließend aufzuheben. Die willkürliche Festsetzung verstößt gegen geltende europäische und internationale Seeverkehrsvorschriften über die Sicherheit der Schifffahrt, denen die Sea-Watch 4 in vollem Umfang nachkommt.

“Unter dem Vorwand der Sicherheit wird mit fadenscheinigen Begründungen die Rettung von Menschen gezielt verhindert. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Rettungsschiffe unrechtmäßig blockiert werden und Europa Menschen zur Abschreckung ertrinken lässt. Wer für Menschenrechte kämpft, muss dies auf allen Ebenen tun. Deswegen haben wir gegen die willkürliche Festsetzung der Sea-Watch 4 Widerspruch eingelegt. Wir sind nicht nur moralisch im Recht, unsere Schiffe sind sicher und bereit zu retten”, Johannes Bayer, Vorstand von Sea-Watch.

Im von der EU-Kommission vorgestellten Migrationspakt und den darin enthaltenen ‘Empfehlungen zur Seenotrettung’ wird deutlich, dass Italiens bürokratische Schikane europäisiert werden soll. Im Namen angeblicher Sicherheit will die EU-Kommission die Arbeit von Rettungsschiffen erschweren, obwohl diese nationale wie internationale Registrierungsstandards längst erfüllen – wie es auch im Fall der Sea-Watch 4 vom Flaggenstaat bestätigt wurde. Die eigentliche Problematik wird weiter völlig außer Acht gelassen: Menschen ertrinken im Mittelmeer. Staaten müssen endlich ihrer Pflicht zur Rettung nachkommen, statt Willkür und Schikane gegen zivile Seenotrettungsorganisationen in Abkommen festzuschreiben.

“Es ist beschämend, dass die EU über ausufernde Regularien und Sicherheitsstandards für Seenotrettungsschiffe debattiert, während zeitgleich Menschen im Mittelmeer ertrinken, ohne dass EU-Staaten ihrer Pflicht zur Rettung nachkommen. Anstatt ‘Empfehlungen’ zur Erschwerung unserer Arbeit abzugeben, muss die Europäische Kommission sich dafür einsetzen, dass die Mitgliedstaaten geltendes Recht einhalten. Auch die deutsche Bundesregierung in ihrer Position als Ratsvorsitz sowie als Verhandlungspartner in der Rolle als Flaggenstaat, muss deutlich dazu Position beziehen und ihr Amt dafür nutzen, dass dem Sterbenlassen im Mittelmeer und der rassistischen Abschottungspolitik Europas ein Ende gesetzt wird”, so Marie Naass, Leiterin der politischen Öffentlichkeitsarbeit von Sea-Watch.

 

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