Fly me to the Moon – aber bitte ohne Reaktoren

Die Menschheit gibt sich nicht damit zufrieden, die Landschaft auf der Erde mit Hunderttausenden von Tonnen Atommüll zu entweihen – ein Großteil davon wird angehäuft und verschwindet niemals mehr, während die Reste freigesetzt werden, um unsere Luft, unser Wasser und unseren Boden zu verseuchen – die Menschheit plant nun, in all ihrer Torheit, dasselbe mit dem Mond zu tun. Und eines Tages auch mit dem Mars.

Die unersättliche wissenschaftliche Neugier unserer Spezies hat zweifellos zu einigen nützlichen Erfindungen geführt, aber sie hat uns auch unerbittlich in Richtung unseres eigenen Untergangs gezogen. Unser Eifer, die Atombombe zu schaffen, ignorierte Logik, Ethik, Konsequenzen und die Grundlagen der Menschenrechte.

Die Bombe brachte uns so genannte zivile Atomreaktoren, die hässliche und unverantwortliche Ausgeburt einer Waffe, die uns ständig am Abgrund des Aussterbens stehen lässt. Aber es gibt nichts „Ziviles“ an der Kernenergie.

Zu Beginn des Kernenergiezeitalters dachte man nicht an die tödlichen radioaktiven Abfälle, die sie hinterlassen würde. Ein Spiel auf Zeit. Diese Zeit wird jedoch langsam knapp und doch haben wir bis heute noch keine Lösung für die Abfälle gefunden, während wir das einzig Offensichtliche ignorieren: Aufhören noch mehr davon zu produzieren!

Jetzt kommt also die Nachricht, dass die USA Atomkraftwerke auf den Mond setzen wollen.

In den Nachrichten, die auf die Ankündigung folgten, gab es, voll von der üblichen Aufregung über die Weltraumforschung (ganz abgesehen von den Kosten und den kriegslüsternen Implikationen), nicht einen einzigen Hinweis auf den radioaktiven Abfall, den diese Reaktoren produzieren würden.

Das Problem wird sich aber sicherlich auch von selbst lösen. Solange kann der Müll ja einfach in einem unsichtbaren Krater auf der dunklen Seite des Mondes aufgestapelt werden…

Ein magischer Ort oder unser neuestes nukleares Ödland? (Bild von Alice Popkorn/Creative Commons)

Die NASA, das US-Energieministerium und verschiedene Atomlabore treiben den kleinen modularen Reaktor für Atomprojekte auf Mond und Mars voran. In ihrem verzweifelten Bestreben relevant zu bleiben und weiterhin Steuergelder zu verschlingen, ist dies Musik in den Ohren der zusammenbrechenden Atomindustrie. Die finanziell katastrophalen und auf der Erde technisch unausgereiften SMRs (Small Modular Reactors, zu Deutsch „Kleine modulare Reaktoren), seien laut diesen „Experten“ ideal für die Bedürfnisse der Menschen geeignet, die lange Zeit im Weltraum leben.

Da jeder dieser Mini-Reaktoren wahrscheinlich eine ununterbrochene Leistung von gerade einmal 10 Kilowatt haben wird, braucht es mehrere Reaktoren auf dem Mond oder Mars, um die notwendigen Funktionen für ihre menschlichen Bewohner zu erfüllen.

Selbstverständlich gibt es bisher einen zertifizierten Entwurf, keinen Testreaktor, keinen konkreten Reaktor und keine narrensichere Möglichkeit, einen solchen Reaktor auf den Mond zu schicken. (Raketen haben die unglückliche Angewohnheit, manchmal während (oder kurz nach dem) Start in die Luft zu gehen. Dennoch ist das Jahr 2026 das ambitionierte Zieldatum für den Start aller Systeme. Doch irgendwie klingt es zu schön, um wahr zu sein.

Zwar wurde noch kein Reaktorentwurf ermittelt, doch wird höchstwahrscheinlich hochangereichertes Uran (HEU) verwendet werden müssen, womit der Reaktor eindeutig gegen den Atomwaffensperrvertrag verstößt. Wie Dr. Edwin Lyman von der Union of Concerned Scientists in der PBS Newshour sagte: „Dies könnte ein internationales Wettrennen im Weltraum antreiben oder auslösen, um neue Reaktortypen zu bauen und aufzustellen, die hochangereichertes Uran benötigen“.

Angesichts der Bedeutung des HEU für den Einsatz von Atomwaffen und der Sonden, die derzeit von Ländern wie China und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die nicht immer freundschaftliche Beziehungen zu einander pflegen, zum Mond und Mars geschickt werden, braucht es nicht viel Phantasie, um sich die Versuchung eines gewaltsamen Diebstahls vorzustellen. Werden die USA Wachen um ihre Mondreaktoren stationieren? Werden wir Terrorismus auf dem Mond sehen, sogar Krieg?

Worum geht es hier wirklich? Um Gewinn? Prestige? Proliferation? John Wagner vom Idaho National Laboratory, das eifrig an der Entwicklung des SMR-Prototyps für den Mond arbeitet, sieht dies gegenüber Newshour als eine Gelegenheit, „die globale Führungsrolle der Vereinigten Staaten bei der nuklearen Innovation“ zu stärken.

Dies spiegelt das Mantra wider, das fast alle Bundesinstitutionen und Unternehmen nachplappern, die versuchen, neue und exorbitante Nuklearausgaben zu rechtfertigen: Wir können nicht zulassen, dass China und Russland die Macht übernehmen; die USA müssen ihre Vormachtstellung im Nuklearsektor und im Weltraum behalten – oder wiedererlangen. Und so weiter.

Konzept eines Künstlers für ein neues Kernspaltungsenergiesystem auf der Mondoberfläche (Bild: NASA)

Es ist nicht übertrieben dies als Wahnsinn zu bezeichnen. Angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Krisen auf der Erde, verursacht durch die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels sowie der aktuellen Pandemie, ist es mehr als Wahnsinn, exorbitante Summen auszugeben, um Reaktoren auf dem Mond oder dem Mars zu befestigen; es ist moralisch unverantwortlich. Es überlässt die meisten von uns auf der Erde ihrem Schicksal, während vielleicht, möglicherweise eines Tages, eine Handvoll Menschen zum Roten Planeten aufbrechen wird. Um niemals zurückzukehren.

Doch unbeirrt von Unmoral und Kosten und anscheinend ohne die geringste Sorge um den radioaktiven Müllhaufen, den diese Reaktoren produzieren werden, bitten die NASA und das Energieministerium eifrig um Vorschläge.

Und was werden diese Mondreaktoren bewirken? Sie werden „die Fähigkeit zu einer dauerhaften Anwesenheit auf dem Mond ermöglichen, insbesondere um eine Mondnacht zu überleben“, sagte Anthony Calomino von der NASA gegenüber Space News. „Die Oberfläche des Mondes bietet uns die Möglichkeit, ein Kernspaltungssystem für den Weltraum herzustellen, zu testen und für den Einsatz zu qualifizieren“, sagte er.

Der Mond gilt als unsere Startrampe zum Mars. Nun, so scheint es, wird er auch unsere neueste nukleare Mülltonne werden. Wenn es dort zu einer Kernschmelze oder einer Reihe von Unfällen zwischen den kleinen, identischen Reaktoren kommt, die alle zur gleichen Zeit den gleichen Ausfall erleiden könnten, wird er zu unserem nächsten nuklearen Ödland.

Ich freue mich, „Goodnight Moon“ sagen zu können. Aber ich will nicht “ Adieu“ sagen.

Von Linda Pentz Gunter, Übersetzung aus dem Englischen wurde von Léonie Heinrich aus dem ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden