Antonio Mazzeo ist Investigativjournalist und Experte zu den Themen MUOS (Mobile User Objective System – Satellitenkommunikationssystem der US Navy), Sigonella und Drohnen, mit denen er sich seit geraumer Zeit beschäftigt. Gleichzeitig engagiert er sich seit jeher für Pazifismus und den Kampf für Umweltschutz und Menschenrechte auf Sizilien.

Was denken Sie über die Möglichkeit, dass die Drohnen für das Attentat auf Soleimani von Sigonella gestartet und vom MUOS, oder zumindest mit dessen Beteiligung, gesteuert wurden?

Bereits als die ersten kargen Informationen zum terroristischen Angriff der USA durchsickerten, habe ich meine Zweifel darüber geäußert, dass die tödlichen Drohnen vom Militärflugplatz in Sigonella gestartet sein könnten. Obwohl noch immer nicht klar ist, welche unbemannten Luftfahrzeuge und Luft-Boden-Raketen eingesetzt wurden, halte ich es für unwahrscheinlich, dass Sigonella die Abschussplattform für den Angriff war. Sollten die verheerenden Reaper MQ-9 eingesetzt worden sein (Drohnen, die in Sigonella stationiert sind und vom Pentagon und der CIA bereits für Bombenangriffe in Libyen sowie von der italienischen Luftwaffe selbst für nachrichtendienstliche Operationen im Mittelmeerraum und in Nordafrika verwendet wurden), ist ein Abschuss von Sizilien logisch betrachtet unmöglich, da sie eine Reichweite von weniger als 2.000 Kilometern haben. Obwohl Washington die gesamte Operation streng geheim hält, kann hingegen davon ausgegangen werden, dass die Drohnen von einem der zahlreichen Militärstützpunkte gestartet sind, die es in fast allen Ländern rund um den Irak gibt (anerkannte militärische Quellen vermuten Katar, aber Stützpunkte für die amerikanischen Reaper gibt es auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Saudi-Arabien, Oman, Jordanien und in Dschibuti am Horn von Afrika). Das schließt aber keineswegs aus, dass Sigonella bei der Planung des Angriffs sowie bei der Übertragung der für die Ausführung erforderlichen Befehle und Informationen eine zentrale Rolle gespielt hat. Denn dieser sizilianische Stützpunkt beherbergt seit zwei Jahren die Relaisstation UAS SATCOM Relay Pads and Facility, mit der die Satellitenkommunikation und die Operationen aller Drohnen der italienischen Luftwaffe sowie der US-amerikanischen Navy unterstützt werden, wo immer sich diese auch befinden. Diese Basis ist praktisch ein Zwilling der Militärflugplätze im deutschen Ramstein oder in Creech (Nevada), der das strategische Zentrum für die unbemannten Luftfahrzeuge der USA darstellt. Darum halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Sigonella in Bezug auf die Befehlserteilung und Kontrolle des Angriffs am Flughafen von Bagdad eine Schlüsselrolle gespielt hat. Das gleiche gilt für das Bodenterminal des neuen Satellitenkommunikationssystems MUOS der US-amerikanischen Streitkräfte in Niscemi (bei Caltanissetta), das für den Einsatz von „Mobile Users“ (zu denen auch Drohnen zählen) in allen Kriegsgebieten unverzichtbar ist. Zu diesen zwei Punkten dürfte es kaum je ein Dementi der italienischen Regierung geben, da das Nutzungsrecht der Infrastrukturen exklusiv in den Händen der USA liegt und niemand auf die Idee kommen würde, Italien um Erlaubnis zu bitten oder auch nur zu informieren, wenn die Übertragungsknoten für militärische oder geheimdienstliche Operationen verwendet werden sollen, ebenso wenig, wie Italien deren Nutzung verhindern könnte.

Welche weiteren Rollen spielen die italienischen Militärbasen und das MUOS für die US-amerikanische Kriegsstrategie?

Das aktuelle Geschehen ist ein offensichtlicher Beweis für die wichtige geostrategische Rolle der zahlreichen US- und NATO-Militärstützpunkte in unserem Land, wie zum Beispiel die bereits erwähnten Stützpunkte in Sigonella oder Niscemi. Während der Stunden unmittelbar vor dem Angriff auf den Flughafen von Bagdad und sofort danach war im italienischen Himmel ein äußerst intensiver Luftverkehr schwerer Transportflugzeuge und Jagdbomber der USA zu beobachten. Diese überquerten im Einzelnen zuerst Sardinien und das Tyrrhenische Meer, dann bewegten sie sich über Mittel- und Süditalien in Richtung Nahost. Damit liegt es praktisch auf der Hand, dass die Operation von den zahlreichen Radar- und Telekommunikationsstationen der NATO in Italien unterstützt wurde. An den US-amerikanischen Militärstützpunkten in Vicenza (Camp Darby und am ehemaligen Flughafen Dal Molin) wurden Hunderte Soldaten der 173. US-Luftlandebrigade mobilisiert, die derzeit die wichtigste Luftlandeeinheit der US Army für alle Kriegsschauplätze der Welt ist. Über die Luftbrücke vom nahen Flughafen Aviano (Pordenone) gelangten die Soldaten der 173. Brigade nach Nahost, sehr wahrscheinlich nach Kuwait und möglicherweise auch in den Libanon. Die Militäraktion der USA in jenen Stunden, bei der mehr als 3.000 Soldaten zur irakischen Grenze entsandt wurden, lässt gleichzeitig den Transfer von schwerer Kriegsausrüstung und Munition vermuten, wahrscheinlich vom Camp Darby in der Toskana. Dieser Hub ist die wichtigste strategische Basis der USA für Operationen in Afrika und Asien, wobei die Transfers über die Häfen Livorno und Genua sowie den Flughafen Pisa erfolgen. Ebenso wahrscheinlich ist es, dass ein Teil der Jagdbomber F–16 mit Nukleargeschossen, die in Aviano stationiert sind, bereits nach Nahost verlagert wurden (der intensive Flugverkehr an der Militärbasis in Friaul war nicht zu übersehen). Außerdem bin ich sicher, dass demnächst wesentlich mehr Kriegsschiffe, Flugzeugträger und Atom-U-Boote inklusive, in den italienischen Häfen zu sehen sein werden, vor allem im sizilianischen Augusta (Siracusa), das der wichtigste Stützpunkt für die Kraftstoff- und Waffenversorgung der US Navy im Mittelmeerraum ist. Das heißt, auch dieses Mal ist Italien Angelpunkt für die Kriegsoperationen des Pentagons. Hinzu kommen die verschiedenen Missionen der italienischen Streitkräfte im Irak und dessen Nachbarländern, die leider ebenfalls im Schlepptau der modernen Krieger unter Herrn Trump bleiben.

Verstößt die Situation der US-amerikanischen Militärstützpunkte und der damit verbundenen Systeme gegen die italienische Verfassung oder sogar gegen die NATO-Verträge selbst? Und wenn ja, warum?

Über diese Themen wird schon seit Jahren heftig diskutiert, leider ohne Ergebnis. Artikel 11 der italienischen Verfassung verbietet Krieg als Instrument für die Lösung internationaler Konflikte. Dennoch werden die Stützpunkte der USA und der NATO seit jeher für Kriegsoperationen und sprichwörtlich internationalen Terrorismus genutzt. Das Parlament wird jedes Mal erneut umgangen. Man kann sogar sagen, dass einige der Angriffe, die der Verfassung am offensichtlichsten widersprachen, vor den beiden Kammern, den Parlamentariern und der öffentlichen Meinung vorsätzlich geheim gehalten wurden. Die Umwandlung von Sigonella in die Welthauptstadt der Drohnen für USA und NATO ist eine der verantwortungslosesten und verfassungswidrigsten Aktionen der jüngsten Geschichte Italiens. Unbemannte Luftfahrzeuge dehumanisieren Konflikte und die Macht über Leben oder Tod, Krieg oder Frieden wird an Maschinen delegiert. Damit sind wir von der Verfassung meilenweit entfernt, ebenso wie von allen ethischen Grundsätzen und Rechten, die in der Geschichte der Menschheit tief verwurzelt sind.

Welche Konsequenzen haben diese Militärsysteme für Italien, für die Bewohner und die Sicherheit in unserem Land?

Die moderne Kriegsführung entmenschlicht nicht nur, sondern hat auch eine erbarmungslose Logik der Asymmetrie angenommen. Das heißt, sie verläuft außerhalb der konventionellen Muster, die in den vergangenen Jahrzehnten bekannt geworden sind und studiert wurden. Der Einsatz von Drohnen für Selbstjustiz an „Feinden“ ist asymmetrische Kriegsführung, ebenso wie die Vergeltungsschläge gegen wehrlose Zivilisten oder an symbolischen Orten in jenen Ländern, die für die Konfliktlösung in Nahost und auf dem afrikanischen Kontinent direkte Verantwortung tragen. Wer Hass und Krieg sät, wird Rache und Tod ernten. Wenn wir als Startplattform für terroristische Anschläge und kritiklose Bombardements dienen, werden wir umgehend zum Angriffsziel, sei es für Vergeltungsschläge oder auch, um weitere Angriffe zu verhindern. Auf diese Weise bildet sich eine endlose, blutige Kette, bei der die „asymmetrischen“ Opfer immer wehrlose, unschuldige Menschen sein werden, denen der Wahn jener kleinen Gruppe von „Dr. Seltsam“ des 21. Jahrhunderts überhaupt nicht bewusst ist.

Was sollte die italienische Regierung Ihrer Meinung nach von der US-amerikanischen Regierung und der NATO fordern?

Diese Frage kann ich sehr prägnant beantworten, denn mittlerweile ist kein Raum mehr für zweckdienliche Zaghaftigkeit und Heuchelei. Die Streitkräfte der USA und der NATO – aber auch jene aus Ländern außerhalb der NATO, die in Italien weiterhin formiert und ausgebildet werden, wie etwa aus Israel, Saudi-Arabien und allen voran der Türkei – müssen unverzüglich unser Land verlassen und die genutzten Infrastrukturen müssen abgebaut oder der zivilen Nutzung zugeführt werden. „Technische“ Stopps im Rahmen beliebiger „ausländischer“ Kriegssysteme an den Flughäfen und Häfen sind zu verbieten. Gleichzeitig sollte der einseitige Austritt Italiens aus der NATO unterstützt werden, weil dieses Militärbündnis unter anderem in Libyen, Syrien und jetzt auch in Bagdad aufs Neue bewiesen hat, wie schwach und nutzlos es ist.

Angesichts dieser Ereignisse fühlt man sich mitunter sehr machtlos. Was kann jeder von uns dagegen tun?

Die jüngsten Geschehnisse im Irak sind lediglich der neueste Akt in der Tragödie unserer Epoche, in der Krieg vor allem anderen kommt und über allem anderem steht. Die Menschheit muss sich bewusst werden, dass wir kurz vor dem Abgrund stehen. Ein nuklearer Holocaust stellt, heute mehr denn je, eine reale Gefahr da. Die Menschheit riskiert, auszusterben, noch bevor die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels unser Leben bedrohen. Was wir brauchen, ist eine internationale Bewegung gegen jede Art von Krieg, und zwar sofort. Jeder Einzelne hat das Recht und die Pflicht zum Widerstand, zum Widerspruch und zur Fahnenflucht. Aber auch die Journalisten und Kolumnisten seien an ihre Pflicht erinnert – nämlich die Ursachen, Vorgehensweisen und Konsequenzen dieses globalen Kriegswahns aufzuzeigen. Wir leisten unseren Beitrag von unten, mit verschwindend geringen Mitteln, aber in der festen Überzeugung, dass wir uns Feigheit nicht mehr leisten können. Wir müssen handeln, für uns und für unsere Kinder, um weiter daran glauben zu können, dass eine andere Welt noch möglich ist.

 

Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Jeannette Carolin Corell vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!