„Warum sollte ich für eine Zukunft lernen, die es vielleicht bald nicht mehr geben wird, und wenn niemand etwas unternimmt, um diese Zukunft zu retten?“

Greta Thunberg, 16-jährige Klima-Aktivistin aus Schweden

Damit fing im Zuge der COP24 in Katowice alles an und auch in Deutschland gab es seitdem bereits etliche Streiks von Jugendlichen in mehreren deutschen Großstädten. Obwohl inzwischen jeder schon von Greta Thunberg gehört hat, wurde allerdings über das Engagement der deutschen Jugend, außer in der jeweiligen Lokalpresse, bisher nicht viel berichtet.

Ob man die Schüler*innen, Student*innen und ihr Engagement nur einfach nicht ernst nahm, oder insgeheim hoffte, es sei nur ein einmaliges Event gewesen, sodass sich die Berichterstattung erübrigt – in beiden Fällen ist es anders gekommen.

Ein Beispiel für gelebte Basisdemokratie

Komplett offen und transparent, durch Webseite, Instagram und Facebook-Gruppen sowie Selbstorganisation mittels WhatsApp-Chats und Telegram, in die sich jeder einklinken kann, organisieren sich deutsche Jugendliche schon seit Tagen und Wochen für die zwei nächsten bundesweiten Streiks: Freitag, den 18. Januar in zahlreichen deutschen Städten und Freitag, den 25. Januar in Berlin vor dem Bundeswirtschaftsministerium, wenn die Kohlekommission tagt.

Es ist ein bewundernswertes Beispiel für gelebte Basisdemokratie, wie die jungen Menschen das anpacken, sich vernetzen, zusammen Entscheidungen treffen, Probleme bewältigen, diskutieren und generell miteinander umgehen. Ohne Hierarchien, Köpfe die sich hervortun wollen oder interne Machtspielchen, wer was zu sagen hat, liefert uns die Jungend ein Lehrstück ab, wie es auch anders geht.

Und sie gehen souverän mit der Unterstützung existierender Organisationen wie dem BUND, Greenpeace, den Grünen oder der Piratenpartei um, indem sie sie zwar annehmen, aber sich in keinster Weise davon vereinnahmen lassen. So sagen sie selber (und genau so wird es auch in der WhatsApp-Gruppe der Deutschland-Koordination gehandhabt): „Wir sind weder an eine Partei noch an eine Organisation gebunden. Die Bewegung hat ihre eigene Dynamik und wird genauso wie diese Website durch hunderte individueller junger Menschen getragen“, schreiben sie auf ihrer offiziellen Webseite fridaysforfuture.de.

Am 18. Januar wird in 52 deutschen Städten gestreikt

Neben den verschiedenen Ortsgruppen – bis dato sind Streiks in 52 deutschen Städten für den 18.01. registriert – wird in der extra eingerichteten Diskussionsgruppe, wiederum jedem durch Eintragung zugänglich – rege über den Status der Welt und die Zukunft diskutiert. Und wer es nicht selber gelesen hat, wird es vielleicht nicht glauben, aber unsere Jungend ist kritischer denkend und besser informiert, als man sich das von einem ziemlich großen Anteil Erwachsener in diesem Land jemals wünschen könnte.

Sie wissen ganz genau was Sache ist, wie die skrupellos Konzernpolitik funktioniert, sind auch bestens darüber informiert, dass die Ölindustrie von den Klimaschäden seit Jahrzehnten weiß, haben die Links dazu sowie auch zur Entlarvung von Klimawandel-Leugnern, und sind sich wohl bewusst, dass neben Kohle und Erdöl auch die Agrarindustrie, allen voran die Massentierhaltung, zu einem großen Teil mitverantwortlich für den Klimawandel ist.

Unschlagbare Argumente und glühender Wille

Neu und frisch ist der Pragmatismus, mit dem sie an die Sache herangehen. Und sie haben Argumente, die einfach nicht zu schlagen sind:

“Der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung für unsere Zukunft. Wir werden die Leidtragenden des Klimawandels sein. Gleichzeitig sind wir die letzte Generation, die einen katastrophalen Klimawandel noch verhindern kann. Doch unsere Politiker*innen unternehmen nichts, um die Klimakrise abzuwenden. Die Treibhausgas-Emissionen steigen seit Jahren, noch immer werden Kohle, Öl und Gas abgebaut. Deswegen gehen wir Freitags weder in die Schule noch in die Uni. Denn mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, setzt ihr unsere Zukunft aufs Spiel!” (Quelle: fridaysforfuture.de)

Sie haben verstanden, was die Politik immer noch krampfhaft ignoriert, um sich nicht mit der Großindustrie anlegen zu müssen, und im Gegensatz zur teils resignierten, teils uninteressierten Erwachsenenwelt haben sie den glühenden Willen, für ihre eigene Zukunft zu kämpfen, und zwar jetzt und solange, bis die Politik sich endlich bewegt.

„Die werden nicht mehr da sein, wenn es richtig krass wird“

Dafür sind sie auch bereit, Unterrichtsstunden zu verpassen, denn die Frage der Klimakrise ist für sie existentiell und somit übergeordnet. Tatsächlich gibt es inzwischen Bemühungen seitens einiger Schulbehörden, die Streiks zu verbieten, aber davon lassen sie sich nicht abhalten, helfen sich gegenseitig mit Tipps und argumentieren folgerichtig:

„Das Problem ist, dass die Klimazerstörung Ausmaße angenommen hat, die verhindern, dass wir auf absehbare Zukunft noch auf einem intakten Planeten leben. Die Regierung muss sich sich nicht um Klimaschutz kümmern. Die werden nicht mehr da sein, wenn es richtig krass wird. Aber wir werden da sein und die Konsequenzen ausbaden müssen. Deshalb fordern wir mit allen Mitteln Klimaschutz – und das effektivste und lauteste Mittel, was uns zur Verfügung steht, ist Schul- oder Unistreik: also genau das nicht zu tun, was unsere einzige gesellschaftliche Aufgabe ist. Das heißt nicht, dass wir nicht auch lernen wollen. Das heißt, dass wir Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen (…).“ (Zitat aus einer der WhatsApp-Gruppen)

Eine internationale Bewegung

Sie wissen, dass sie nicht alleine sind, selbst wenn unsere Medien kein Wort über die Klimastreiks der Jugendlichen auch in anderen Ländern der Welt berichten. Nach Angaben des Herald Scotland streikten im Dezember insgesamt über 20.000 Schüler und Studenten in Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Niederlande, Japan, Kanada, Österreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich. und den Vereinigten Staaten.

Laut der Website „Climate Strike with Greta“ gab es auch Streiks in Schweden, Gretas Heimat, in Polen, dem Gastgeber der COP24 sowie auf den Cayman Islands. Allerdings sind dort zum Beispiel die Streiks in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht aufgeführt, so dass man davon ausgehen kann, dass diese Karte nicht allumfassend ist und dass es eventuell sogar noch mehr Streiks in anderen Länder gab.

Die nächsten Termine in Deutschland und anderswo

Deutschland: 18. Januar in Aachen, Augsburg, Bayreuth, Berlin, Bielefeld, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Eberswalde, Elmshorn, Erlangen, Essen, Frankfurt a. M., Freiburg, Friedrichshafen, Göttingen, Hamburg, Hannover, Halle, Heidelberg, Hildesheim, Jena, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kiel, Köln, 9 Uhr, Landshut, Leipzig, Lübeck, Lüneburg, Mainz, Mannheim, Marburg, Mönchengladbach, München, Münster, Nürnberg, Oldenburg, Offenburg, Osnabrück, Pforzheim, Saarbrücken, Stuttgart, Trier, Tübingen, Ulm, Viersen, Würzburg, Zweibrücken und 25. Januar in Berlin vor dem Bundeswirtschaftsministerium

Australien: 15. März https://www.schoolstrike4climate.com

Kanada: 01. Februar, 01. März, 05. April, 03. Mai und 07. Juni https://www.facebook.com/pg/CCLCanada/events/

U.K.: 15. März: https://www.facebook.com/events/299262494033916/

Alle weiteren Infos zu den Veranstaltungen in Deutschland gibt es unter https://fridaysforfuture.de

 

Einige Impressionen des Streiks in Brüssel, Belgien, vom Donnerstag, 17.01., wo unter dem Motto #YouthForClimate immer Donnerstags gestreikt wird:

Fotostrecke von Streiks in anderen europäischen Städten: