Wegen des Vorwurfs der Bedrohung eines FBI-Agenten und der Behinderung einer FBI-Bundesuntersuchung bei anarchistischen Anonymous-Hackern wurde der freie US-Journalist und Aktivist, Barrett Brown, am letzten Donnerstag zu einer 63 monatigen Freiheitsstrafe im US-Bundesstaat Texas verurteilt. Zudem muss er Entschädigungen in Höhe von 890.000 US-Dollar zahlen.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von mehr als acht Jahren beantragt, während seine Verteidigung auf eine Strafe entsprechend der Länge seiner zweijährigen Untersuchungshaft plädierte. Der 33-jährige Barrett Brown wurde bereits 28 Monate im Bundesgefängnis festgehalten, um die Anklage vorzubereiten, die sich ursprünglich auf die Entsendung eines Links über Kreditkarteninformationen auf dem Webserver von Anonymous-Mitglied, Jeremy Hammond, konzentrierte. Unter Einbeziehung der bereits verbüßten Untersuchungshaft bedeutet das für Barrett Brown drei weitere Jahre Bundesgefängnis. Bei guter Führung könnte er nach 25 Monaten entlassen werden. Bereits im April des vergangenen Jahres hatte er sich in zwei Anklagepunkten schuldig bekannt, um das Strafmaß zu lindern. Seine Verteidiger hofften bis zum Schluss, dass die Richter die Zeit in Untersuchungshaft als ausreichende Strafe sehen würden. In seinem Abschlussplädoyer warnte der freie Journalist davor, dass das Urteil einen gefährlichen Präzedenzfall für die Arbeit von investigativen Journalisten schaffen könnte.

Gibt es jetzt einen Präzedenzfall gegen die Pressefreiheit?

Menschrechtsaktivisten, Bürgerrechtler und Journalisten wie Glenn Greenwald und prominente Intellektuelle wie Noam Chomsky verurteilten die Anklage Browns durch die Staatsanwaltschaft, die sich damit auch gegen die Pressefreiheit stellte. Es geht hier mehr als nur um einen Anonymous-Hack. Mit dem Urteil gegen Barrett Brown und diesem Präzedenzfall ist dies auch eine Aufforderung für alle freien Journalisten, die mit geleakten Daten arbeiten, dass sie zukünftig mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Der Strafprozess zeigt auch, mit welcher Willkür und welchen Einschüchterungstaktiken die US-Behörden inzwischen gegen investigative Journalisten vorgehen.

Ist Stratfor ein Berater für das US-Verteidigungsministerium?

Die Geschichte zwischen Stratfor und Anonymous ist noch sehr jung. Bereits im Februar 2011 hacken Aktivisten der Plattform Anonymous die Server des Sicherheitsunternehmens HBGary Federal. Wenig später gründet sich die Hackergruppe LulzSec, die gemeinsam mit Anonymous  zwischen 2011 und 2012 im Rahmen der „Operation AntiSec“ für mehrere Hacks auf staatliche und private Sicherheitsdienste verantwortlich ist. Darunter ist auch der Sicherheitsberater Strategic Forecasting, kurz Stratfor. Im Februar 2012 erscheinen auf WikiLeaks fünf Millionen interne Stratfor-E-Mails. Aus den Stratfor-Mails geht hervor, dass Stratfor auch als Berater für das US-Verteidigungsministerium und Rüstungskonzerne tätig ist. Es gibt auch den Hinweise laut Wikileaks, dass die entdeckten E-Mails auf die Einschüchterung von Journalisten und politischen Gegnern wie Julian Assange wirken sollen sowie das Aufdecken von Geldwäsche und das Anwenden von „psychologischer Methoden“ Einfluss nehmen. Wurde damit gezeigt, dass Stratfor offenbar ein unkontrollierter, privater Geheimdienst ist? Die Verantwortlichen des Unternehmens von Strafor sagten, sagen später, dass die Sprache in den Mails zu Misinterpretationen führen würde.

Zehn Tage nach der Veröffentlichung wird in Chicago der Aktivist und Hacker Jeremy Hammond verhaftet. Gemeinsam mit fünf anderen soll er maßgeblich am Stratfor-Hack beteiligt gewesen sein. Dass Hammond überhaupt gefasst wird, liegt an Hector Xavier Monsegur, besser bekannt als Sabu. Der gründete nicht nur die Gruppe LulzSec, sondern stand seit Juni 2011 als Informant in Diensten des FBI. Er ist es, der Hammond und andere Hacker nach und nach enttarnt. Jeremy Hammond wurde im Oktober 2013 zu einer zehnjährige Haftstrafe verurteilt. Sein Verräter, Sabu, dagegen ist dank seiner Kooperation mit dem FBI wieder auf freiem Fuß. In der gesamten Anonymous-Szene gilt er als Verräter.

Auch über den genauen Ablauf des Stratfor-Hacks gibt es widersprüchliche Angaben. Tatsächlich deuten inzwischen von weiteren Hackern veröffentlichte Chatprotokolle darauf hin, dass es Sabu war, der Jeremy Hammond überhaupt erst auf die Sicherheitslücken bei Stratfor aufmerksam machte. Noch wichtiger: Das FBI wusste dank Sabu offenbar von den Angriffen und unterstützte sie in der Hoffnung, noch weitere Hacker oder sogar den WikiLeaks-Gründer Julian Assange festnehmen zu können. Offenbar handelten also nicht nur die Hacker illegal, sondern auch das FBI, das diese Aktivitäten bewilligte.

Barrett Browns Rolle war eine andere, an den Hacks selbst war er nie direkt beteiligt. Als freier Journalist für unter anderem die Huffington Post und den Guardian schrieb er in den vergangenen Jahren regelmäßig über Anonymous. Er war gut vernetzt, hatte persönlichen Kontakt zu Hackern wie Jeremy Hammond und bekam von einigen Medien gar den Titel als De-facto-Sprecher des losen Kollektivs verpasst – etwas, das Brown stets dementierte.

Dennoch gibt er in einem aktuellen Interview mit Krautreporter zu, damals „Anonymous beherrschen zu wollen“ und in eine Aktivistengruppe zu verwandeln. Brown ist ein kluger Kopf und Satiriker. Aus dem Gefängnis schrieb er per Brief clevere Kolumnen für das D Magazine in Dallas. Gleichzeitig gilt er als komplizierter Charakter, der in der Vergangenheit nicht nur mit Behörden und Anonymous-Mitgliedern aneinandergeriet, sondern auch mit Drogen und Alkohol kämpfte. Als dann die Stratfor-Dokumente auf WikiLeaks erschienen, wollte Brown abermals Project PM nutzen. Zudem entdeckte er Hinweise auf bis heute nicht näher bekannte Verstrickungen des Sicherheitsunternehmens Booz Allen Hamilton, für das Edward Snowden zuletzt gearbeitet hatte. Nur wenige Tage später, im März 2012, durchsuchte das FBI erstmals Browns Wohnung. Im September des gleichen Jahres nahmen sie in schließlich fest. Der Grund: Brown habe in einem YouTube-Video, offenbar unter dem Einfluss eines Drogenentzugs, den FBI-Agenten bedroht, der für die Ermittlungen gegen ihn verantwortlich war. Dabei blieb es nicht. Die Staatsanwaltschaft benötigte nicht lange, um Brown mit dem Hack an Stratfor in Verbindung zu bringen. In zwölf neuen Anklagepunkten ging es unter anderem um die Verbreitung eines Links, der auf die gestohlenen Stratfor-Dokumente verwies, die auch Kreditkartennummern enthielten. Brown hatte diese nie missbraucht. Noch war er aktiv an den Angriffen beteiligt. Dennoch hätten ihm bis zu 105 Jahre Haft als Höchststrafe gedroht.

Die Anklage schlug hohe Wellen. Schließlich ging es plötzlich um eine fundamentale Praxis im Internet: Wenn das Verbreiten eines Links einen Straftat darstellt, würde das die Arbeit investigativer Journalisten nicht nur beeinträchtigen, sondern nahezu unmöglich machen. Die Berichterstattung über die Snowden-Dokumente oder auch den Hack von Sony wäre ein Risiko, das vermutlich nur noch wenige Journalisten eingehen würden. Jeder Link auf etwa WikiLeaks könnte bestraft werden.

Reporter ohne Grenzen und die Electronic Frontier Foundation argumentierten in einem Schreiben, dass Verlinkungen eine journalistische Praxis seien, die durch die Meinungsfreiheit geschützt sei, wenn die verlinkten Dokumente im öffentlichen Interesse stehen. Zudem bedeutet das alleinige Verbreiten eines Links noch nicht, dass die jeweiligen Nutzer die Daten auch herunterladen oder überhaupt einsehen. Das erkannte schließlich auch die Staatsanwaltschaft. Im Frühjahr ließ sie überraschend elf der zwölf Anklagepunkte fallen. Stattdessen kamen zwei neue hinzu, sodass am Ende nur noch drei Anklagepunkte mit einer möglichen Höchststrafe von 8,5 Jahren übrig blieben: Zum einen die Bedrohung eines FBI-Beamten per Video. Zum anderen das Behindern einer Hausdurchsuchung, weil Brown mithilfe seiner Mutter einen Laptop vor den Ermittlern versteckt hatte. Zum Schutz seiner Quellen, wie er später sagte. Der letzte Punkt geht konkret auf die Stratfor-Hacks zurück: Angeblich habe Brown nach dem Hack mit den Verantwortlichen des Unternehmens Kontakt aufgenommen und sich als Vermittler zu Anonymous angeboten. Dabei soll er die Behörden allerdings auf eine falsche Fährte gelockt haben. Er habe die Identität eines Stratfor-Hackers, vermutlich die von Jeremy Hammond, gezielt verschleiert. Das mache Brown, so die Staatsanwaltschaft, zu einem Helfer nach der Tat.

In allen drei Punkten wurde Brown von den Richtern in Dallas schuldig gesprochen. Auch wenn Barrett Brown und seine Anwälte das Strafmaß zumindest etwas mildern konnten, sind sie davon überzeugt, dass die Behörden den Fall von vornherein zur Abschreckung von Journalisten, Hacktivisten und Whistleblowern nutzten, die über private Sicherheitsunternehmen oder Geheimdienste berichten. Die zweijährige Untersuchungshaft mit eingeschränktem Besuchsrecht, ein richterlich angeordnetes Redeverbot, das den Beteiligten untersagt, über die Entwicklungen zu berichten, und eine Bewährungsstrafe für Browns Mutter seien nichts weiteres als ein Missbrauch des Gesetzes, um ein Exempel zu statuieren. In seinem Abschlussplädoyer zeigte sich Barrett Brown kooperativ und gab Fehler zu. Er sagte allerdings auch, dass das FBI nicht die Regeln eines Rechtsstaats befolge, sondern seine eigene Regeln mache. Ein Journalist sei nur dann ein Journalist, wenn es ihnen in den Kram passe. In einem Fall sollte Barrett Brown Recht behalten: Für die Pressefreiheit in den USA und die Arbeit von Journalisten ist sein Fall ein großer Einschnitt in der aktuellen Debatte über den rechtlichen Rahmen des Hackens von Daten.

FreeBarretBrown