Zu Beginn seiner Ausführungen zu den Ursachen für die Niederlage der Regierungspartei bei den Präsidentschaftswahlen vom 14. Dezember betonte der ehemalige Abgeordnete Tomás Hirsch von der Partei Acción Humanista, dass „die Probleme, die die Bürger plagten oder plagen, nicht mit den Antworten übereinstimmten, die wir und die Regierung gegeben haben”.

Er präzisierte jedoch, dass „diese Niederlage eine ruhige, gründliche Analyse erfordert, die die vielfältigen Ursachen berücksichtigt, die sie erklären können”. Es wäre „äußerst ungerecht, die Niederlage auf Mängel, Versäumnisse oder Schwächen der Kandidatin, des Wahlkomitees oder der Kampagne zurückzuführen”, betonte er außerdem. Hirsch fügte hinzu, dass es ab März, wenn Kast sein Amt antritt, von grundlegender Bedeutung sei, „sehr aktiv zu bleiben und die Fähigkeit zur Organisation und Mobilisierung zu bewahren”.

Von Hugo Guzmán, Journalist für „El Siglo“

Wo würden Sie auf Anhieb die Faktoren ansiedeln, die zu dieser Niederlage von Jeannette Jara geführt haben?

Diese Niederlage erfordert eine ruhige und gründliche Analyse, die mehrere Ursachen berücksichtigt. Auf den ersten Blick gibt es nicht den einen ausschlaggebenden Aspekt, sondern eine Anhäufung von Faktoren, die sich zudem über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Ist einer dieser Aspekte, dass der Vormarsch der extremen Rechten nicht aufgehalten wurde?

Was in Chile passiert ist, unterscheidet sich nicht von dem, was wir auf internationaler Ebene beobachten konnten. In vielen Ländern, insbesondere in unserer Region, hat sich ein Rechtsruck und ein Erstarken der extremen Rechten vollzogen. In der Bevölkerung mehrerer Länder besteht zudem die klare Tendenz, gegen die Regierungspartei zu stimmen. Das weist auf Frustration, Enttäuschung und eine wachsende Kluft zwischen den Erwartungen der Bürger und dem, was progressive oder linke Regierungen tatsächlich erreichen können, hin. Im Falle Chiles gab es zweifellos eine Enttäuschung eines bedeutenden Teils der Bürger hinsichtlich der Erwartungen, die sie in die Regierung von Gabriel Boric gesetzt hatten.

Es heißt, man sei nicht auf die Forderungen oder Sensibilitäten der Bürger eingegangen.

Tatsache ist, dass die Probleme, mit denen die Bürger zu kämpfen haben, nicht mit den Antworten übereinstimmen, die wir und die Regierung gegeben haben. Ich beziehe mich dabei auf die gravierendsten Probleme der Bürger: die öffentliche Sicherheit, die organisierte Kriminalität, die persönliche und familiäre wirtschaftliche Situation, die Beschäftigung, die Löhne und der Zugang zur Gesundheitsversorgung. Dies sind Aspekte, die nicht mit der von den Bürgern erwarteten Priorität berücksichtigt wurden.

Wie ist die Leistung der Kandidatin Jeannette Jara und ihres Wahlkampfteams zu bewerten?

Es wäre äußerst unfair, die Niederlage auf Mängel, Fehler oder Schwächen der Kandidatin, ihres Teams oder der Kampagne zurückzuführen. Ich glaube, dass unsere Kandidatin in dieser Kampagne alles gegeben hat. Sie hatte viel zu bieten, was Antworten, Lösungen und Vereinbarungen betrifft, die sie als Ministerin für Arbeit und Soziales in für die Menschen relevanten Themenbereichen erreicht hat. Ich schließe jegliche Unzulänglichkeit oder Schwäche der Kandidatin und der Kampagne aus. Das Geschehene ist meiner Meinung nach eher als strukturelles Problem zu betrachten. Es gibt Erwartungen der Bürger, die nicht in der Weise erfüllt wurden, wie sie es erwartet hatten.

Teilen Sie also die These, dass die extreme Rechte voranschreitet, weil der progressive Sektor und die Linke nicht auf die Forderungen der Bürger eingehen?

Es ist wichtig, dass die Linke und der Progressismus Selbstkritik üben, was ihre Handlungsweise der letzten drei Jahrzehnte betrifft. Warum ich das so sehe? Weil man, wenn man den dritten Weg der Sozialdemokratie betrachtet, das neoliberale Modell in gewisser Weise akzeptiert und bestätigt, indem man versucht, es zu überarbeiten, zu humanisieren und verdaulicher zu machen. Damit hat man bereits eine Schlacht verloren und beginnt, die Vorschläge, Projekte und Ziele zu verwässern, für die die Linke historisch steht und die einen strukturellen Wandel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen zum Ziel haben. Schon jetzt ist zu sehen, wie die Verkleinerung des Staates, der Abbau sozialer Programme und das Vorantreiben von Privatisierungsprozessen akzeptiert werden. All das wird Teil der progressiven Welt. Was wir beobachten, ist, wie das Großkapital letztlich die direkte Kontrolle über die Zukunft der Länder übernimmt und sie zu einem Para-Staat mit minimalem staatlichem Einfluss macht. Das ist eine brenzlige Situation, denn der Staat wird drastisch verkleinert und daran gehindert, über die Ressourcen zu verfügen, um auf die Bedürfnisse der Bürger zu reagieren. Die Bürger beginnen, sich Sorgen zu machen, weil sie keine Lösungen sehen. Dann tritt eine rechte Partei auf den Plan, die für die Verkleinerung des Staates verantwortlich ist, und macht ein simplifizierendes Angebot. In ihrer Not unterstützen die Menschen sie schließlich.

Wie sehen Sie die Situation der Unsicherheit, die sich gefährlich abzeichnet und der Situation Argentiniens mit dem „verrückten“ Javier Milei ähnelt?

Es zeichnet sich eine komplexe Zeit ab, in der es von grundlegender Bedeutung sein wird, die Fortschritte im Bereich der sozialen Rechte zu vertiefen, auf mehr Demokratie hinzuarbeiten und die erzielten Ergebnisse zu verteidigen. Gemeinsam müssen wir daran arbeiten, Rückschritte zu verhindern, die den Menschen schaden könnten. Ab März wird es entscheidend sein, aktiv zu bleiben, uns bei Bedarf zu organisieren und zu mobilisieren, um die errungenen Rechte durchzusetzen. Dafür müssen wir alle politischen und sozialen Kräfte mobilisieren. Dabei ist es wichtig, gemeinsam zu arbeiten, ohne Ausgrenzungen jeglicher Art, sondern im Gegenteil, indem man andere Sektoren einbezieht.

Sind Sie der Meinung, dass diese Einheit, Koordination oder sogar Koalition von der Christdemokratie bis zur Linken beibehalten werden sollte?

Wir können nur dann gemeinsam arbeiten, wenn wir auch gemeinsame Ziele haben. Das darf keine reine Formalität sein, es darf keine Frage der Rhetorik sein. Und ich muss Ihnen sagen, dass ich, während von Einheit gesprochen wird, politische Bereiche unserer Welt sehe. Ich sehe beispielsweise Vertreter der Sozialistischen Partei und der Partei für Demokratie, die eine Gesetzgebung des politischen Systems und der politischen Parteien vorantreiben. Diese versiegelt das System gewissermaßen mit einem Schloss und verhindert die Gründung und Entwicklung neuer Parteien. Das erscheint mir gravierend und für eine echte Demokratie äußerst gefährlich. Außerdem bedeutet dies, die Geschichte der Parteien zu vergessen, die stets klein beginnen, als neue Kraft, und dann immer mehr Wähler gewinnen. Der von der Regierung geförderte Versuch, das politische System mit einem Schloss zu versehen, ist eine äußerst schwerwiegende Angelegenheit. Er kann den Aufbau eines einheitlichen Projekts für unsere Welt verhindern, wenn einige die Absicht haben, andere auszuschließen.

In diesen Tagen wurde darüber gesprochen, dass mit dem Antritt einer rechtsextremen Regierung die soziale Bewegung in Alarmbereitschaft ist. In diesem Bereich wird dies als bedrohlich angesehen. Abgesehen von den politischen Parteien: Wie sehen Sie die Rolle der sozialen Bewegungen und der Zivilgesellschaft in der bevorstehenden Zeit?

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass bedeutende gesellschaftliche Veränderungen stets das Ergebnis sozialer Organisation und Mobilisierung waren. Dies lässt sich anhand der Geschichte nachvollziehen: vom Ende der Sklaverei über das Wahlrecht für Frauen bis hin zum Achtstundentag und zahlreichen weiteren Fortschritten der Menschheit. Gerade jetzt halte ich es für grundlegend wichtig, die soziale Organisation und Mobilisierung zu stärken, wann immer dies notwendig ist. Wenn wir nur passive Beobachter bleiben, werden wir einen Rückschritt erleben, der viel Schmerz und Leid verursachen wird – insbesondere für Menschen in prekären Situationen. Wir haben die historische Verantwortung, zusammenzuarbeiten, uns zu organisieren, uns zu mobilisieren und die Rechte von Arbeitnehmern, Frauen, Studenten, älteren Menschen, sexuellen Minderheiten und der Kulturszene zu verteidigen – insbesondere, wenn diese Rechte gefährdet sind.

Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden