In jedem zweiten Deutschen Haushalt ist Bio zum Alltag geworden – zumindest ein bisschen

Wer meinte, Deutschland könne in Sachen Bio mit Indien mithalten, sollte sich folgende Fakten zu Gemüte führen. 2012 wurde Indien auf der internationalen Fachmesse BioFach „Land des Jahres“. Warum? Das nationale indische Bio-Management NPOP existiert seit 2011 und ist den europäischen Richtlinien gleichgestellt, Bio-Landbau lässt sich in Indien inzwischen sogar studieren. Nahezu alle indischen Bundesstaaten fördern ihre Bio-Bauern mit eigenen Förderprogrammen, Sikkim (etwa dreimal so groß wie das Saarland) hat seit 2016 vollständig auf Bio-Landwirtschaft umgestellt; konventionelle Landwirtschaft mit chemisch-synthetischen Düngern und Pestiziden ist in Sikkim flächendeckend verboten. In Uttarakhand (etwas größer als Niedersachsen) ist seit 2020 der Verkauf vieler chemischer Dünger und Pestizide stark eingeschränkt und teilweise strafbewehrt. Karnataka fördert seit mehreren Jahren den Bio- und Hirseanbau mit vergleichsweise hohen Summen.

Die Zahl der Bio-Märkte in Indien wird derzeit auf 5.000 geschätzt, hinzukommt – wie bei uns auch – eine große, nicht genau bezifferbare Zahl weiterer Geschäfte, die Bio-Ware mitverkaufen.

Gerne auch ein bisschen Bio

Ein bisschen Bio ist Lifestyle geworden. Immer mehr Bundesbürger essen Bio-Burger, achten auf Qualität statt auf Quantität. Rund elf Millionen Hektar werden zurzeit (November 2025) europaweit biologisch bewirtschaftet. Allerdings hinkt Deutschland inzwischen hinterher. Führende Länder sind Frankreich mit 2,9 Mio. Hektar (10,4 Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche), Spanien mit 2,7 Mio. Hektar (11,5 Prozent) und Italien 2,3 Mio. Hektar (19,2 Prozent). In Deutschland sind es 1,9 Mio. Hektar (11,5 Prozent). Offizielles Ziel der EU ist es, bis 2030 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen auf Bio umzustellen. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich.

Dabei wirkt es so, als würden die Bürger mitmachen. Aktuell konsumieren rund 37 Prozent der Deutschen regelmäßig Bio-Lebensmittel, 97 Prozent der Haushalte gelegentlich. Eine spannende, europäische Vergleichszahl liefern die Pro-Kopf-Ausgaben. Hier liegen Dänemark, Schweden und die Schweiz vorn, die Schweiz mit 476 Euro, Dänemark mit 384 Euro, Schweden mit 220 Euro; Deutschland kommt gerade mal auf 191 Euro pro Kopf (USA 146 Euro, Großbritannien 52 Euro, Chile 6 Euro). Trotzdem können die deutschen Bio-Bauern mit der Nachfrage nicht annähernd Schritt halten; Ausnahmen bilden „Grundnahrungsmittel“ wie Getreide oder Kartoffeln.

Bundesbürger: immer mehr Biobürger?

(Bild von Eberhard Schorr © BLE, Bonn via www.oekolandbau.de)

Jeder Betrieb – ob Anbauer, Verarbeiter oder Händler –, der Bioprodukte in der EU vermarkten möchte, muss sich bei einer staatlich zugelassenen Kontrollstelle registrieren lassen und wird mindestens einmal jährlich überprüft. Supermärkte bzw. Discounter wie Aldi, Lidl, Penny, Norma, Netto, Rewe und Edeka sind auf den immer schneller fahrenden Zug aufgesprungen und heizen die Fahrt seit Langem an. Sie sind die großen Gewinner der Bio-Welle: Bei ihnen wird der Löwenanteil von rund 80 Prozent der Bioumsätze gemacht, während der Naturkostfachhandel durch die neue Konkurrenz einen Umsatzrückgang hinnehmen musste und viele kleinen Märkte dichtmachten. Allein Edeka setzte 2024 in Deutschland Bioprodukte im Wert von 17,4 Mrd. Euro um.

Unter der Skandal-Marke

Viele Konsumenten halten Lebensmittelskandale für die Spitze eines sorgfältig gedeckelten Eisbergs. Doch so schlimm sind die Tatsachen bei Weitem nicht. Vergleicht man allerdings Bio-Lebensmittel mit konventionell erzeugten, so schneiden letztere massiv schlechter ab. Wegen der weiten Verbreitung von Schadstoffen sind auch Biolebensmittel nicht völlig frei davon. Hier lag 2021 der mittlere Pestizidrückstandsgehalt von Obst und Gemüse bei rund 0,002 Milligramm/Kilogramm, bei konventionell angebautem Obst und Gemüse waren es 0,48 Milligramm, also 240-mal mehr. Aber auch diese Mengen, so wird uns staatlicherseits versichert, seien völlig unbedenklich. Zu den offiziell „unbedenklichen“ Stoffen gehört auch Glyphosat, das erst kürzlich für weitere zehn Jahre zugelassen wurde. Der BUND schreibt dazu:

  • Glyphosat ist laut WHO wahrscheinlich krebserregend beim Menschen.
  • Glyphosat kann das Nervensystem schädigen.
  • Glyphosat kann das Mikrobiom im Darm beeinflussen.
  • Glyphosat kann oxidativen Stress verursachen.
  • Glyphosat-Rückstände können in zahlreichen Lebensmitteln, im Wasser, in der Luft und sogar im menschlichen Körper nachgewiesen werden.

Ausführliche Infos zu Umweltgiften finden sich unter bund.net/umweltgifte.

Nationales Kennzeichen schafft die nötige Übersicht

Ein Problem im Umgang mit ökologischen Lebensmitteln – und eine Einladung zum Etikettierungsmissbrauch – waren in der Vergangenheit die vielen verschiedenen Bio-Siegel. Das von der damaligen Verbraucherschutzministerin Renate Künast eingeführte nationale Bio-Siegel hat hier neue Sicherheit geschaffen. Es ersetzte nicht die bisherigen Markenzeichen der Bio-Anbauverbände (Biokreis, Bioland, Biopark, Demeter, Ecovin, Gäa, Naturland, Ökosiegel) und Ökohandelsmarken (z. B. Grünes Land/Metro, Füllhorn/Rewe, Bio-Wertkost/Edeka, Naturkind/Tengelmann), sondern will ihnen mit einem staatlich geförderten und beworbenen Siegel zusätzliche Akzeptanz verschaffen. Nachteil: Das staatliche Bio-Siegel ist nicht verpflichtend.

Faustregel: Wer auf einem Bioprodukt ein Zeichen der Bio-Anbauverbände, das EU-Bio-Logo (ein Blatt aus weißen Sternen auf grünem Grund) und das deutsche staatliche Bio-Siegel (ein sechseckiges, grün-schwarz-weißes Symbol) findet, kann sich auf die ökologische Qualität der Ware verlassen, egal ob sie aus Deutschland, Italien oder Frankreich kommt. Der strenge Qualitätsstandard gilt auch für Bio-Newcomer aus Panama oder Laos. Wer Bio-Ware in die EU hinein verkaufen will, muss sich deren Regeln beugen und sich kontrollieren lassen. Die Codenummer der zuständigen Kontrollstelle (z.B. DE-099-Öko-Kontrollstelle) muss auf der Verpackung angegeben sein.