Was ist eine „Watch Party“? Das fragen mich meine Freunde aus Italien über WhatsApp. Was soll ich ihnen sagen? Dass ich mich in einem großen Club in Brooklyn befinde, tanze und so tue, als wäre ich 25 Jahre alt? Auf einer riesigen Leinwand sind zwei Moderatoren zu sehen, die Grimassen schneiden und Comedy-Sketche zeigen, die den letzten New Yorker Bürgermeisterwahlkampf belebten.

Es handelt sich um eine Live-Übertragung von Hell Gate, einem unabhängigen, arbeitnehmergeführten lokalen Fernsehsender. Er wurde nach der ersten Eisenbahnbrücke zwischen Queens und der Bronx benannt. Der Name wiederum stammt von den ersten niederländischen Entdeckern, die den darunter liegenden Abschnitt des East River aufgrund der tückischen Strömungen, der gefährlichen Strudel und der scharfen Felsen so nannten. Ein ikonischer Ort in der Stadt, der das junge Redaktionsteam dazu inspiriert haben muss, sich selbst wie folgt zu definieren: „Scharfsinnig, verspielt, empört, respektlos und hilfreich für unsere Leser; zutiefst skeptisch gegenüber der Macht, aber hartnäckig idealistisch und niemals eine Last für den Leser.“ Absolut perfekt als Botschafter für Zohran Mamdani, den neuen Bürgermeister der Stadt.

Gegen 23:30 Uhr erscheint Zohran live aus dem Paramount Theater in Downtown Brooklyn. Die Musik verstummt, tosender Applaus ertönt und nach einer Weile kehrt Stille ein. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so kraftvolle Rede live miterlebt zu haben. Seit letztem dem September verfolge ich Zohran Mamdani in der Presse und in den sozialen Medien. Um ihn besser zu verstehen, habe ich an drei Wahlkampfgruppen teilgenommen und bin im Forest Hills Stadium fast erfroren, um ihn live sprechen zu hören. Zohran ist zu einer beliebten Persönlichkeit geworden. Ich dachte immer, er sei ein guter Mann: beruhigend, fortschrittlich und mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Doch seit heute Abend ist Zohran all das und noch viel mehr. Wie Bernie Sanders bei der Kundgebung „New York Is Not for Sale” sagte: „Dieser Mann wird Geschichte schreiben.”

Während der Vollmond am Himmel scheint, hat sich auf der Erde, zwischen den kühnen Wolkenkratzern von Manhattan und den gediegenen Sandsteinhäusern von Brooklyn, eine Katze in einen Tiger verwandelt. So erschien mir Zohran gestern Abend: wie eine siegreiche Tigermutter, die noch wütend ist, weil sie gerade einen Wilderer besiegt hat, der ihre Jungen stehlen wollte. Heute Abend ist Zohran nicht mehr der kluge und gewissenhafte Politiker, der über dumme Drohungen lächelt und auf vulgäre persönliche Beleidigungen wohlwollend reagiert. Heute Abend ist er stark und entschlossen.

Er zitiert Eugene Debs, einen am 5. November 1855 geborenen Sozialisten, der die Entscheidung des Landes, am Ersten Weltkrieg teilzunehmen, anprangerte und dafür inhaftiert wurde. Übrigens hat New York City eine wichtige und tief verwurzelte Tradition sozialistischer Politik, die es bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts zu einer der fortschrittlichsten und progressivsten Städte der Welt gemacht hat. Ich zitiere eine der vielen positiven Seiten dieser Ära: Die Universität war kostenlos. Vierzig Jahre ungezügelter Neoliberalismus haben es nicht geschafft, ihre Seele zu zerstören. Wie Zohran in seiner Rede sagen wird, wurde diese Stadt von Einwanderern erbaut und hat heute einen Einwanderer als Bürgermeister.

Er wird freundlich, als er den Sieg des Volkes würdigt: der Bürger, die es satt hatten, zu leiden, und die mit der Macht ihrer Stimme eine politische Dynastie stürzten, die an Lügen gewöhnt war. Es ist nicht wahr, dass diejenigen, deren Hände von harter Arbeit schwielig und rissig sind, mit denselben Händen keine politische Macht ausüben können. Natürlich können sie das, wenn zwischen den Parteien ein egalitäres und vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut wurde. Genau das sagt Zohran seinen Wählern: den jungen Menschen, die sich klugerweise geweigert haben, ihre Zukunft in die Hände eines Relikts des alten politischen Systems wie Andrew Cuomo zu legen; den Arbeitern, insbesondere den Einwanderern, die mutig reagiert haben, anstatt den Drohungen derer nachzugeben, die es gewohnt sind, mit Arroganz zu regieren; denjenigen, die ihn zu ihrem Verfechter gegen Ungerechtigkeit und Vorurteile gewählt haben.

Er zeigt sich sogar denen gegenüber dankbar, die nicht für ihn gestimmt haben und ihn immer noch fürchten. Seine Rede wird warmherzig. Er sagt allen: „Ich werde jeden Tag daran arbeiten, diese Stadt besser zu machen als sie am Vortag war, und zwar für alle.“ In dem neuen New York City wird es keinen Platz für Hass und Ausgrenzung geben. Das muss für Juden, Muslime, Christen usw. gelten, aber auch für Schwule, Lesben und Transgender, alleinerziehende Mütter und Tanten. Ja, sogar Tanten. Hier fühle ich mich persönlich betroffen, da ich selbst Tante von vier schönen Nichten und Neffen bin. Der Verweis bezieht sich eigentlich auf die Tante des neuen Bürgermeisters, die während des Wahlkampfs zu einer lustigen Anekdote geworden ist. Zohran hat sie erwähnt, um zu erklären, wie verletzend Islamophobie sein kann. Als Teenager mochte er diese Tante, eine ziemlich unabhängige Frau, sehr. Eines Tages sah er sie aufgebracht nach Hause kommen. Sie war in der U-Bahn beleidigt worden, nur weil sie ein Kopftuch trug. Seit diesem Tag weigerte sie sich kategorisch, die U-Bahn zu nehmen.

Doch Zohran kann auch hart sein und weiß, wann er es sein muss. Dieser Sieg ist der erste Tag einer neuen Ära. Er hält inne, blickt ruhig in die Menge, seine Augen werden groß und funkeln und er sagt: „Präsident Trump, ich weiß, dass Sie mich gerade sehen. Drehen Sie also die Lautstärke auf. Die nächsten Worte richten sich an Sie und Ihre millionenschweren Freunde. Wir werden nicht länger zulassen, dass Sie Politik nach Ihren manipulierten Regeln spielen. Sie müssen sich an die Regeln aller halten. Hier in NYC ist es vorbei damit, Steuern zu hinterziehen, indem man Lücken im System ausnutzt.“ Kurz darauf fügt er hinzu: „Um einen von uns zu kriegen, müssen Sie uns alle kriegen.“

Ironie ist vielleicht seine Lieblingswaffe. Er lacht leise, als er zugibt: „Ich bin jung, trotz meiner Bemühungen, alt zu werden. Ich bin Muslim. Ich bin demokratischer Sozialist. Und was am wichtigsten ist: Ich weigere mich, mich für irgendetwas davon zu entschuldigen.“ Die Lektion ist wichtig: Wir sollten uns niemals dafür schämen, wer wir sind.

Ich möchte diesen Artikel mit einer heiteren Bemerkung beenden. Nicht Klatsch, sondern etwas, das alles zusammenhält. Ab heute Abend wird die politische Szene nicht nur von einem leidenschaftlichen und erfolgreichen jungen Mann geprägt sein, sondern auch von Rama – nicht der indische Gott, sondern seine schöne, junge syrische Frau.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!