Dieser Artikel ist der erste Teil einer dreiteiligen Serie, die den Themenbereichen gewidmet ist, die in den aktuellen Ereignissen der Gewaltfreiheit liegen und auf die ich kaum in „Das Paradigma der Gewaltfreiheit“ (Chronique sociale, 2023) eingegangen bin.
Der erste ist dem Ökofeminismus gewidmet, die zweite wird eine Reflexion über den Pazifismus vorlegen und die letzte über den Vegetarismus. Ökofeminismus, Pazifismus und Vegetarismus, drei Überlegungen, um die Gewaltfreiheit in der Realität der heutigen Diskussionen und Kämpfe zu verankern.
In einer Welt, die der Klimakrise, sozialen Ungleichheiten und systemischer Gewalt zum Opfer fällt, werden Stimmen laut, die andere Methoden vorschlagen, die Erde zu bewohnen. Unter ihnen sticht der Ökofeminismus durch eine Analyse hervor, die ökologische und feministische Kämpfe verbindet, indem sie insgesamt eine Ethik der Gewaltfreiheit für sich in Anspruch nimmt. Diese Strömung schlägt eine tiefgreifende Veränderung unserer Beziehungen zu den Lebewesen, zu anderen und zu uns selbst vor.
Die Gewaltfreiheit, die alle Herrschaftssysteme bekämpft, kann nur zu den Gründungseinsichten des Ökofeminismus gelangen, wie sie bei Francoise d’Eaubonne, Vandana Shiva, Maria Miez oder Starhawk aufgetaucht sind. Die patriarchalen Unterdrückungen und ökologischen Zerstörungen, die aufs Engste miteinander verbunden sind, verursachen wechselseitige und intersektionale Widerstände, bei denen Frauen eine zentrale Rolle spielen. In dem Werk „Feminismus oder Tod“ (1974) behauptet Françoise d’Eaubonne (die den Begriff „Ökofeminismus“ erfand), dass das patriarchalische System für die Überbevölkerung, für die Zerstörung der Natur und die Unterdrückung der Frauen verantwortlich ist. Und tatsächlich ist die Weltanschauung des Patriarchats mit der des Kapitalismus, des Kolonialismus und des Militarismus identisch, in dem Sinn, dass sie die Hierarchie und den Dualismus aufwertet, und dass besonders das „Weibliche“, das „Natürliche“ das „Sensible“ herabgesetzt und abgewertet wird. Diese Auffassung legitmiert gleichzeitig die Ausbeutung der Natur (Abbau, Industrialisierung, Umweltverschmutzung) und die Ausgrenzung der Frauen (Betreuungszuweisung, Unsichtbarkeit, Gewalt).
Diese doppelte Unterdrückung betrifft insbesondere indigene, bäuerliche und ungesichert beschäftigte Frauen, die an vorderster Front mit den ökologischen Unregelmäßigkeiten konfrontiert sind. Im Gegenteil zu dem, was manche Kritiker des Ökofeminismus behaupten, beschränkt sich der Ökofeminismus nicht auf eine Rückkehr zur reduzierten Natur. Er tritt aktiv für eine Politik des Lebens ein, die die Wechselbeziehungen zwischen Menschen und Nicht-Menschen würdigt, aber auch für eine ökologische Gerechtigkeit, die in den sozialen Gegebenheiten verankert ist. Dies betont Vandana Shiva, wenn sie behauptet, dass Frauen nicht nur die ersten Opfer der ökologischen Zerstörung sind, sondern auch die wichtigsten Akteurinnen bei der Verteidigung des Lebens.
Aus dieser Perspektive ist es interessant zu erkennen, dass Gewaltfreiheit als radikale Maßnahme und Kraft, anders zu handeln, zu einer ethischen Wahl und politischen Strategie wird, um mit Kraft zu kämpfen, um diese Herrschaftssysteme ins Herz zu treffen. So beschreibt Starhawk in Träume im Dunkeln: Frauen, Zauberei und Politik (1982) die Gewaltfreiheit als eine Kraft, verwurzelt mit der Verbindung aller Dinge, und als eine Art und Weise, Widerstand zu leisten, ohne repressive Machtmechanismen zu reproduzieren. Inspiriert durch Gandhis Praktiken, durch heidnische Spiritualität, traditionellem Wissen oder sogar durch die Ethik der Fürsorge, beruht die ökofeministische Gewaltfreiheit auf der Ablehnung, die Logik der Herrschaft zu reproduzieren, einschließlich der aktivistischen Handlungsweisen. Sie würdigt die Schaffung von Beziehungen, die gegenseitige Betreuung, die Zusammenarbeit und die allmähliche, aber nachhaltige Transformation. Laut Maria Mies und Vandana Shiva versuchen ökofeministische Methoden Herrschaftsformen zu errichten, die auf Autonomie, Verantwortung und Achtung vor dem Lebendigen beruhen.
Man sollte die symbolträchtige Chipko-Bewegung in Indien zur Sprache bringen, die in den 1970er Jahren für die Aktion dieser Dorfbewohnerinnen bekannt gemacht wurde, die die Wälder des Himalayas schützten, in dem sie die Bäume umklammerten, um das Fällen zu verhindern. Es handelt sich nicht nur um eine symbolische Aktion, sondern um einen Akt des Widerstands, der in der Verteidigung ihrer Lebensweise, ihrer Kultur, ihrer heimischen Wirtschaft und ihres Gebietes, die eins mit den Bäumen waren, verwurzelt war. Die massive Abholzung der Wälder zur Befriedigung industrieller Interessen oder die kommerzielle Holzverwertung bedrohte das ökologische Gleichgewicht der Region und das Überleben der Bewohner:innen. Die Chipko-Bewegung war daher von Anfang an ein Akt zur Erhaltung der Lebensbedingungen.
Frauen standen an der Spitze dieses Kampfes. Für sie war es eine lebensnotwendige Gegenwehr. In der Tat stellten die Wälder für diese Gemeinschaften eine wesentliche Quelle für Wasser, Nahrung, Brennstoff und Medizin dar. Als Hauptverwalterinnen des Haushalts und tägliche Nutzerinnen der Waldressourcen haben sie die Auswirkungen der Abholzung lange vor den Behörden erkannt. Ihr Engagement verlieh der Bewegung vorweggenommen eine ökofeministische Tragweite. Während Vandana Shiva die vorbildliche Rolle dieser Frauen in Chipko analysierte, konnte sie in Bezug auf sie von einer „Alltagswissenschaft“ sprechen, d.h. von einem engen Verständnis der Ökosysteme, das auf Erfahrung und gemeinschaftlicher Verantwortung beruht. Sie behauptet, dass Gewaltlosigkeit hierbei eine Kraft war, die aus dem Leben selbst, aus der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Frauen, Bäumen und der Erde stammt.
Inspiriert von Gandhis Aktionen erneuerte die Chipko-Bewegung die Formen des Engagements für aktive Gewaltfreiheit, indem sie diese in den ökologischen Kampf einer breiten Öffentlichkeit aufnahm. Diese Ethik in der Beziehung zur Natur, zu anderen und zur Zukunft hat zur Entstehung von radikalen und wirksamen Aktionsformen geführt. Im Jahr 1974 traten im Dorf Reni 27 Frauen, angeleitet durch eine der Führungsfiguren der Bewegung, Gaura Devi (1925-1991), einer von der Regierung entsandten Gruppe von Holzarbeitern gegenüber. Unbewaffnet nutzten sie allein ihre physische Präsenz und moralische Autorität, um den Wald zu verteidigen. Sie blieben die ganze Nacht in der Nähe der Bäume wach, sagten traditionelle Lieder auf und weigerten sich, wegzugehen. Wie Arne Naess, der Begründer der Tiefenökologie, betonte, ist Chipko das eindrucksvollste Beispiel für einen radikalen ökologischen Kampf, der mit der Ethik Gandhis geführt wird.
Andere Bewegungen haben die Geschichte der ökofeministischen Kämpfe durch Gewaltlosigkeit geprägt: wie das Frauencamp vor dem NATO-Militärstützpunkt in Greenham Common in England. Über Jahre hinweg (1981-2000) schufen diese Aktivistinnen eine alternative Lebensweise, die gewaltfreie Widerstandsaktionen und gemeinschaftliche Organisationen miteinander verband, um sich gegen die Stationierung von US-Atomraketen zu wehren.
Auch die Blockade des WTO-Gipfels in Seattle im November 1999 durch eine Gruppe von „Hexen“ hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Diese bezeugt, dass die Polizei absolut nicht auf die Gewaltlosigkeit der Demonstranten, ihre Anzahl und ihren Einsatz vorbereitet war. „Die Aktion umfasste Kunst, Tanz, Feierlichkeiten, Riten und Zauberkunst“, erzählt sie. Sie war mehr als ein Protest; sie war die Schaffung einer Vision von wahrem Überfluss, eine Feier des Lebens, der Kreativität und der Verbundenheit, sie blieb angesichts der Brutalität fröhlich und erweckte die schöpferischen Kräfte zum Leben, die sich denjenigen der Ungerechtigkeit und der Kontrolle widersetzen können.“
Somit versucht der gewaltfreie Ökofeminismus nicht nur Widerstand zu leisten, sondern unsere Art, in der Welt zu sein, umzugestalten. Dadurch schließt er sich dem an, was Gandhi das „konstruktive Programm“ des gewaltlosen Widerstands nannte. Durch die Neubewertung des Wissens bei Betreuung und Pflege, der landwirtschaftlichen Methoden der Landarbeiter:innen, der gemeinschaftlichen Rituale, und sogar der Formen der Spiritualität, die in der Beziehung zur Erde verwurzelt sind, verleiht der Ökofeminismus den konkreten und alltäglichen Methoden des Kampfes neuen Zauber mit dem Ziel, eine Gesellschaft zu errichten, die die Ökosysteme und die menschlichen Grundbedürfnisse achtet.
Dies hier ist offensichtlich, Gewaltlosigkeit ist nicht gleichbedeutend mit „Sanftheit“! Die ökofeministische Gewaltfreiheit überdenkt Machtverhältnisse, Produktionsmethoden und kollektive Vorstellungswelten von Grund auf. Sie prangert die systemische Gewalt des Patriarchats, des Kapitalismus und des Militarismus an und bekämpft sie kompromisslos. Das ist ein eindringlicher Aufruf zur Transformation unserer Gesellschaften, indem wir die Zusammenarbeit und Solidarität mit Frauen, Völkern, Spezies und der Erde selbst weiterentwickeln.
Man sollte darauf hinweisen, dass der Ökofeminismus nicht als Philosophie oder Doktrin erstarrt ist. Er erfindet sich immer wieder neu. So kann man heute einen zunehmend ausgeprägten Schnittpunkt zwischen dem Ökofeminismus und anderen Kämpfen erkennen, wie dem Kampf gegen Rassismus und der Dekolonialisierung: der intersektionale Ökofeminismus bringt die unverhältnismäßigen Auswirkungen der ökologischen Krise auf rassifizierte Frauen ans Licht und die indigenen Bewegungen heben einen ökofeministischen Ansatz hervor, der im traditionellen Wissen und in der Gewaltfreiheit verwurzelt ist. Schließlich beziehen sehr viele Umweltbewegungen diesen intersektionalen ökofeministischen Ansatz mit ein, insbesondere Extinction Rebellion, die einen ökofeministischen Zweig hat.
Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Anmerkungen
[1] Françoise d’Eaubonne, Le féminisme ou la mort, Le Passager Clandestin, 2024.
[2] Vandana Shiva, Restons vivantes: Frauen, Ökologie und Überlebenskämpfe, Diagonales, 2022.
[3] Starhawk, Rêver l’obscur: femmes, magie et politique (Das Dunkle träumen: Frauen, Magie und Politik), Cambourakis, 2015.
[4] Maria Mies, Vandana Shiva, Ökofeminismus, L’Harmattan, 1999.
[5] Arne Naess, Ökologie, Gemeinschaft und Lebensstil, Dehors, 2020.
[6] Gwyn Kirk, Alice Cook, Frauen gegen Raketen, Cambourakis Verlag, 2016.
[7] Starhawk, Parcours d’une altermondialiste, Ed. Empêcheurs de penser en rond, 2004, S. 22









