Während die Welt daran arbeitet, die globale Erwärmung durch den Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen im Einklang mit den Klimazielen zu stoppen, zeigt eine neue Studie, dass ein angemessener Lebensstandard für alle Menschen auf der Erde gewährleistet werden kann, wenn die Welt die Emissionsreduktionen schnell und entschlossen umsetzt.
Von Cristen Hemingway Jaynes
Die Studie unter der Leitung des Wissenschaftlers Jarmo Kikstra vom Programm für Energie, Klima und Umwelt des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) untersuchte Energieszenarien, die sowohl mit dem Pariser Abkommen als auch mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) im Einklang stehen.
In einer Pressemitteilung des IIASA heißt es: „Angesichts des sich verschärfenden Klimawandels und der Tatsache, dass Milliarden von Menschen immer noch nicht über das Nötigste zum Leben verfügen, ist es nicht nur möglich, sondern auch unerlässlich, beide Herausforderungen gleichzeitig anzugehen.“
Die Autoren der Studie analysierten, ob die in den SDGs und im Pariser Abkommen skizzierten Szenarien genügend Energie bereitstellen, damit alle Menschen auf der Welt grundlegende Dienste wie Kühlung und Heizung ihrer Wohnungen, saubere Kochmöglichkeiten, Gesundheitsversorgung, Bildung und Transport in Anspruch nehmen können.
„Unser Ziel ist es, zu verstehen, was nötig ist, um extreme Armut zu beseitigen und gleichzeitig den Klimaschutz voranzutreiben“, sagte Kikstra in der Pressemitteilung. „Wir sprechen nicht nur davon, Menschen aus extremer Armut zu befreien, sondern wir streben eine Zukunft mit hohen Entwicklungszielen an, in der ein menschenwürdiger Lebensstandard für alle Menschen weltweit gewährleistet ist.“
Das Forschungsteam verglich unter Verwendung des neuen DESIRE-Modells Energieszenarien, die eine nachhaltige Entwicklung in den Vordergrund stellen, mit solchen, die an den bisherigen Trends festhalten.
„Eine bemerkenswerte Erkenntnis ist, dass Szenarien für eine nachhaltige Entwicklung die Zahl der Menschen, die weniger als die für die Grundbedürfnisse erforderliche Mindestenergie verbrauchen, deutlich reduzieren. Laut IIASA wird die Zahl der Menschen, die nicht über genügend Energie verfügen, um ihre grundlegenden Haushaltsbedürfnisse zu decken, unter diesen Szenarien voraussichtlich um mehr als 90 % sinken – ein viel schnellerer Fortschritt als bei einer Fortsetzung der aktuellen Trends.“
Die Studie zeigt, dass die zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards nötigen Emissionen nur einen Bruchteil der heutigen Gesamtemissionen ausmachen.
„Unsere Ergebnisse widerlegen die Vorstellung, dass Armutsbekämpfung und Umweltschutz unvereinbare Ziele sind. Tatsächlich ist der Energiebedarf zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz im Vergleich zum aktuellen weltweiten Verbrauch gering“, erklärte Kikstra. „Dennoch bedeutet ein solcher nachhaltiger Entwicklungspfad, dass die Wachstumsraten in Ländern mit niedrigem Einkommen weit über den bisher beobachteten Werten liegen werden. Dies erfordert entsprechende Entwicklungsanstrengungen und internationale Unterstützung.“
Shonali Pachauri, Mitautorin der Studie und Leiterin der Forschungsgruppe „Transformative Institutional and Social Solutions“, wies darauf hin, dass Effizienz, Wachstum und der Abbau von Ungleichheit wichtig sind, um sicherzustellen, dass jeder Zugang zu ausreichenden Ressourcen hat.
„Es sollten nicht nur mehr Dienste dort angeboten werden, wo sie benötigt werden. Ebenso wichtig ist es, die Art und Weise, wie Dienste bereitgestellt werden, zu verbessern und sicherzustellen, dass Ressourcen nicht verschwendet, sondern denjenigen zugeteilt werden, die sie benötigen“, so Kikstra.
Die Studie „Closing decent living gaps in energy and emissions scenarios: introducing DESIRE“ wurde in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht.
„Unsere Studie ist die erste, die detaillierte Untersuchungen zum Energiebedarf mit globalen integrierten Modellen zur Emissionsreduzierung verknüpft. Wenn die Ergebnisse gut umgesetzt werden, könnte der zukünftige Energiebedarf um mindestens ein Drittel gesenkt und die Emissionen auf null reduziert werden“, sagte Bas van Ruijven, Mitautor der Studie und Leiter der Forschungsgruppe für nachhaltige Service-Systeme bei IIASA, in der Pressemitteilung.
Die Autoren betonten, wie wichtig es ist, Klimaschutzmaßnahmen mit Entwicklungsmaßnahmen zu verbinden. Sie wiesen jedoch auch darauf hin, dass selbst die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse ohne wirksame Klimapolitik unmöglich sein wird, ohne die Grenzen des Pariser Abkommens zu überschreiten.
Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass lediglich etwa ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs für die Sicherstellung eines angemessenen Lebensstandards erforderlich ist, während die verbleibenden zwei Drittel für Zwecke genutzt werden, die über die Erfüllung fundamentaler Bedürfnisse hinausgehen.
Gemäß den Projektionen des IIASA könnte sich in einem solchen Szenario, das innerhalb der nächsten zwei Dekaden eintreten könnte, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung – einschließlich der Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen – einen Lebensstandard erreichen, der mehr als doppelt so hoch ist wie die Mindestrichtlinie für angemessene Lebensstandards im Gebäudesektor.
Die Bereitstellung von Diensten, die für Menschen weltweit von Relevanz sind, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keine destruktiven Auswirkungen auf den Planeten haben – zumindest nicht aus energetischer Sicht. Die Erreichung der Klimaziele und die Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens für alle sind in unserer Reichweite, erfordern jedoch sofortige und entschlossene Maßnahmen zur Emissionsreduzierung“, so Kikstra.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Angela Becker vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!